China - Das Reich des Bösen

in Deutsch D-A-CH3 years ago

Oder, um genauer zu sein: Das Reich des Kaisers Xi.

Dieser Artikel ist eine direkte Antwort auf @stehaller's Beitrag "China doch nicht so böse?" von gestern. Sollte eigentlich ein Kommentar werden, aber der Text wurde lang & länger, also mache ich was Ganzes draus, mit Zitaten, Links & Bildern.

Zur Sache:

"wie das in China so ist mit Diktatur, Zensur, Social-Credit-System, usw.
Alles Quatsch! Solange Du nicht öffentlich zur Revolution aufrufst, lebst Du in China wesentlich freier als in Deutschland."

Quatsch passt hier schon gut.
China ist eine Einparteiendiktatur (da gibt es wenig dran zu deuteln), die sich unter Kaiser Xi wieder in Richtung Einmanndiktatur entwickelt.
Zensur ist allgegenwärtig, wie man gerade mal wieder am Thema Tiananmen-Massaker gesehen hat.
Das Social-Credit-System ist noch gar nicht richtig implementiert & existiert bisher nur regional in diversen Varianten.

& wer behauptet, daß man in China freier leben kann als in Deutschland, der hat entweder einen schweren Dachschaden oder ist auf der KPCh-Gehaltsliste.
Was stimmt, ist, daß man sich als Ausländer in China durchaus freier fühlen kann. Ging mir am Anfang auch so. Das liegt aber nicht am politischen, sondern am gesellschaftlichen Umfeld. Der soziale Druck ist weitgehend weg, weil man in China als Ausländer eine gewisse Narrenfreiheit genießt. (Gilt v.a. für weiße Euros/Amis, die oft als reich gelten. Das ändert sich aber langsam.) Wer allerdings ein Auge für die Realitäten hat, der merkt schnell, daß es auch nicht mehr als das ist. In den Augen vieler Chinesen ist man nur ein Barbar, dessen Verhalten bestenfalls lustig, oft aber nur lächerlich ist. Ernst genommen wird man in der Regel nicht.

Letzteres ändert sich aber schnell, wenn es um Politik (oder Geschichte) geht. Viele Themen kann man da nur im engsten Freundeskreis ansprechen.

Zu den 'wichtigsten Punkten':

"Es gibt zwar viele Regeln, aber die Behörden sind viel zu faul sie umzusetzen."

  1. Stimmt, kommt aber sehr stark auf die Regeln an. China ist in Korruptionstabellen nicht umsonst weit oben. Freeman könnte ja mal versuchen, einen Verein zu gründen, der für die Einführung der Demokratie (die laut Verfassung in der VRC sowieso besteht) arbeitet.

"Polizisten sind unbewaffnet"

  1. Falsch. Die blauen, unterbezahlten & untermotivierten Nachbarschaftsbullen sind idR unbewaffnet, aber auch nicht immer:
    spectacle.j14555.png

Aber auch ohne Schußwaffen sind sie immer extrem freundlich:

Die grüne PAP hingegen sieht man oft vor Bahnhöfen etc. mit Sturmgewehren.

"Nur 1% der arbeitenden Bevölkerung zahlt Lohnsteuer."

  1. Halte ich für ein Gerücht. Das impliziert, daß nur 1% der Chinesen über 5000 RMB pro Monat verdient. Mag vor 20 Jahren so gewesen sein, aber heute nicht mehr.

"Kleinere Unternehmen sind nicht bilanzpflichtig und werden nach Bürofläche bzw. Ladenfläche sehr gering besteuert"

  1. k.A. (Aber Buchführung in China ist sowieso ein Thema für sich, da sehr kreativ.)

"Das Internet wird zwar teilweise zensiert, aber für $2 bekommt man einen VPN-Zugang, der die Herkunft verschleiert und schon hat man zu allem Zugang. Den Behörden ists egal."

  1. Quatsch. Es gibt chinesische VPNs, die aber offen für staatlichen Zugriff sind (bzw. die VPN-Anbieter loggen alles & wenn gefragt, rücken sie damit auch raus). Die Nutzung anderer VPNs ist illegal & wird idR nur geduldet, wenn man als Wumao auf Twitter et al. tätig ist. Wer sich via VPN regierungskritisch äußert, kann durchaus schnell im Knast landen. (Uiguren landen quasi für jeden Auslandskontakt im Knast, egal ob VPN oder nicht.)
    Die allermeisten Chinesen wissen im übrigen nicht mal, was ein VPN ist. Ist ihnen auch egal, da die KPCh sehr erfolgreich darin war, ihre Untertanen zu konsumsüchtigen Schafen zu erziehen.

"Gerichte drängen meist auf eine außergerichtliche Einigung, also Geldzahlung vom Täter an den Geschädigten."

  1. Kommt auf die Art der Klage an. Die Quote von 99% Verurteilungen in Strafsachen sagt ja schon einiges aus.
    Gewalt in der Ehe kommt i.d.R. nicht mal vor Gericht, weil die Bläulinge sich schon weigern, da einzugreifen, da Familienangelegenheit.

"Demonstrationen sind verboten, ansonsten kann man sich politisch äußern wie man will (auch im Internet). Man darf nur nicht so groß werden, dass man eine Gefahr für die Regierung wird."

  1. Auch Quatsch. Was allerdings stimmt, ist, daß man umso stärker in den Behördenfokus rückt, je mehr Follower man hat. Es ist eine Frage des Themas & der Reichweite. Je sensitiver das Thema & je größer die Reichweite, desto härter die staatliche Reaktion.

"Wenn es um das internationale Ansehen chinesischen Regierung geht, wird gerne mit Kanonen auf Spatzen geschossen (siehe die Maßnahmen in Wuhan)."

  1. Töte ein Huhn, um die Affen abzuschrecken.

"Social-Credit-System existiert nicht.
[...]Was aber bei uns immer erzählt wird, dass man z.B. bestimmte Sachen nicht mehr tun darf, wenn man das Falsche sagt, das Falsche kauft oder die falschen Internetseiten besucht, ist scheinbar ein Märchen."

  1. Grmpf. Das Sozialkreditsystem ist im Aufbau befindlich. Keine Ahnung, welche Medien Du konsumierst, aber mir hat noch keiner erzählt, daß man Reiseverbote bekommt, wenn man das Falsche kauft. Wenn das System aber komplett implementiert ist, wird es wohl Punkte geben, die man für 'gutes' Verhalten bekommt & die für 'schlechtes' Verhalten abgezogen werden. Im Augenblick ist das regional noch ziemlich unterschiedlich, soweit ich mich entsinne.

"Die Geschichten von den Uiguren, die man in Arbeitslager steckt, stammen seiner Aussage nach alle von einem Facebook-Account aus GB.
Wirkliche Beweise dafür scheint es aber nicht zu geben."

  1. Millionen von Uiguren wurden in "Umerziehungslager" (eine Art KZ) gesteckt. Ein kleinerer Teil (zehntausende) der Uiguren wurde in Zwangsarbeit 'vermittelt'. Teilweise gibt es aber auch an KZs angeschlossene Fabriken, die sich aus den KZs speisen.
    & die Tatsache, daß der Typ behauptet, die Info beruhe nur auf einem FB-Account, läßt doch schwer vermuten, daß es sich auch nur um einen China-Shill handelt. Davon gibt es leider einige.

Es gibt inzwischen diverse Quellen für die Existenz von Umerziehungslagern & Zwangsarbeit, von offiziellen Dokumenten über Satellitenbilder bis zu Zeugenaussagen. Ich verweise da v.a. auf Adrian Zenz, der hat wohl die meiste Arbeit in dem Bereich geleistet. Vicky Xu beim ASPI hat auch zum Thema geschrieben.

Was das Leben in China angeht, habe ich selber ja schon einiges auf Hive geschrieben. Wer sich lieber Videos antut, dem kann ich ADVChina & Serpentza empfehlen. Die haben zwar viel Clickbait, aber ihre Erfahrungen in China decken sich weitgehend mit meinen. (Serpentza war übrigens früher auch eher ein Schönredner, der aber trotzdem recht negative Erfahrungen mit chinesischen Polypen machen mußte.)

Wer mehr über Chinashills erfahren will: PrimeInChina

Fazit:
China als solches ist natürlich nicht böse, da auch nur ein Land. Kultur & Essen sind außerordentlich interessant. Ändert nichts an der Tatsache, daß die Regierung eine Diktatur ist, die in ihrem Namen begangene Morde (u.a. Verbrechen) verheimlicht oder gar feiert.
Wer China kritisiert, meint i.d.R. die Regierung, nicht die Leute. Kaiser Xi ist (noch) nicht für soviele Tote verantwortlich wie Mao (oder auch nur Hitler), aber er hat ja noch Zeit. Charaktermäßig ist er aber schon auf dem gleichen Niveau. Daher kann man China durchaus als das Reich das Bösen bezeichnen.

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Danke für diese Richtigstellung!

Danke fürs Lesen, tue was ich kann.
Aber es gilt natürlich auch, daß unterschiedliche Leute unterschiedliche Erfahrungen machen. Richtig & falsch sind da manchmal schwer zu fassen. (Fakten sind aber fassbar, & für vieles gibt es nunmal Belege.)

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