Der Urrüganer und sein Lotto-Führerschein

in #deutsch6 years ago (edited)
Häufig fahre ich auf die schöne Insel Rügen, um mit dem Rennrad sportliche Kilometer zu sammeln. Dabei nutze ich, so gut es geht, Radwege. Doch manchmal muss ich auf Straßen ausweichen und die Begegnungen, die ich dort habe, sind teilweise recht grenzwertig. Das kommt daher, dass der Urrüganer - meine Bezeichnung der Inselbewohner, die jene noch nie verlassen haben – Radfahrer auf seiner Straße nicht akzeptiert. Sie sind für ihn stets ein Dorn im Auge und haben auf der Straße nichts zu suchen.

Er versteht generell nicht, warum man Fahrrad fahren muss, wenn man ein Auto nutzen kann. Die resultierende Verhaltensweise am Steuer ist dementsprechend respektlos und aggressiv. Oder aus seiner Sicht: „Dem Penner zeig ich gleich, wohin er sich mit seinem Rad verpissen kann!“. Diesem Gedankengang folgt ein beschränktes Überholmanöver nach dem anderen.

Unübersichtliche Kurve – Egal: Hupen und dran vorbei. Manche sind in ihrer Handaugenkoordination mittlerweile so geübt, dass sie im Überholvorgang das Fenster auf der Beifahrerseite öffnen und ihre Wut inklusive Rotz aus dem Fenster spucken. Ob dieses Verhalten sie befriedigt, kann ich nicht einschätzen. Aber mit der Häufigkeit solcher Geschehnisse muss das Belohnungssystem des Hirns zumindest irgendwelche Hormone ausschütten, die dazu beitragen, dieses Verhalten immer wieder zu wiederholen.

Manchmal fasst man innerlich an den Kopf: "WTF?"

Die besonders beschränkten Typen, die zumeist etwas jüngere Variante, trauen sich sogar, nicht allzu weit anzuhalten, um mich als einzelnen Radfahrer und manchmal sogar eine ganze Gruppe anzubellen. Dass sie dabei die 4 Sekunden, die sich mit ihrem Manöver herausgeholt haben, mit solchen Aktionen wieder verlieren, wird ihnen nicht bewusst. Auch nicht im Nachhinein.

Aber ich mag diese leicht debilen Honks. Auch wenn eher schlecht als recht, haben sie mit ihrem Gebell wenigstens ein wenig Artikulation betrieben und somit ihre Hirnströme gekitzelt.

Die andere Variante, die minutenlang hupend hinter einem herfährt, ist mir deutlich unsympathischer. Bei diesen weiß man nämlich nicht, ob denen die Hand von der Hupe rutscht und einen Schlenker in meine Richtung verursacht. Das wäre nicht optimal. In solchen Situationen winke ich nett mit der Aufforderung zum Überholen. Doch auch wenn die Straße frei ist, verharren manche ab und an in einer Art Hirntotenstarre. Die Hand klebt an der Hupe, das Gesicht völlig verzogen und Hirn auf voller Leistung: „Waaaaarum fährt der daaa Fahrraaaaaaad?“.

Nun, ich weiß, dass einige ihre Konflikte mit den Radfahrern nicht lösen können. Ist auch schwer. Wie soll man denn nachvollziehen, wie es ist, auf zwei Rädern mit 40km/h unterwegs zu sein, wenn man nur seine Couch und den Autositz kennt. Ok! Gebongt.

Doch fahre ich mal auch mit dem Auto auf die Insel drauf. Und erlebe quasi dasselbe Verhalten. Halte ich mich an die Geschwindigkeitsbegrenzung plus 10km/h, weil mein Tacho ja nicht so genau ist, so bin ich für den Urrüganer grundsätzlich 30 km/h zu langsam. Drängeln, Lichthupe, vollkommen undurchdachte Überholmanöver erlebe ich wirklich jedes Mal. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Straße nass oder mit einer Eisschicht bedeckt. Hauptsache, man kann überholen. Als wäre es bzgl. der Selbstwahrnehmung die einzige Möglichkeit zu einem inneren Frieden zu gelangen.

Letztes Jahr sprach ich mal mit einem Notarzt, der im Sommer für mehrere Woche Dienst auf der Insel schiebt. Er meinte auch, dass er wirklich viele Urrüganer von der Straße kratzen muss. Und oftmals eben auch Menschen, die aufgrund des Fehlverhaltens anderer ihr Ende fanden.

Ich kommunizierte diesbezüglich auch mit anderen Radsportlern und sie bestätigten mir meine Erfahrungen. Es ist wirklich zum Heulen, vor allem, weil die Insel Rügen die perfekten Gegebenheiten bietet, um Urlaub mit und auf zwei Rädern zu machen.

Recht selten scheint es die respektlosen Raser und Drängler, Huper und Schneider, zu erwischen. Bußgelder jucken nur die wenigsten.

Also bleibt letztendlich nur der Appell: Liebe Autofahrer, ob auf Rügen oder anderswo, provoziert keine gefährlichen Situationen.
Es geht nicht nur um euer Leben, sondern auch um das Leben anderer.
Und meine speziellen Freunde von der Insel: Ihr kommt nicht schneller nach Hause, wenn ihr gedankenlos rast und überholt, und dabei andere gefährdet. Ein wenig Vernunft und etwas mehr Respekt und ihr spart euch den unterbewussten Stress. Gehässigkeit und Wut zahlen sich am Ende nicht aus – Also, bleibt geschmeidig.
Sort:  

Hehe toller Rant. Oder ist das ein Rant über Ranter? (Ô.ó)
Also doch eine Rantception.


Es ist wirklich ein leidiges Thema. Ich finde, dass es allgemein viel zu viele schlechte Autofahrer gibt. Fahrradfahrer nerven mich eigentlich nur in der Stadt, wenn sie:

  • auf der falschen Straßenseite fahren
  • nicht wissen, wie man an einer Kreuzung links abbiegt
  • viel zu schnell über Kreuzungen fahren
  • fahrradwege nicht nutzen
  • usw.

Das Problem ist, dass Unfälle mit Fahrradfahrern meistens mit Verletzen enden. Von daher bin ich da voll auf deiner Seite:

Gehässigkeit und Wut zahlen sich am Ende nicht aus – Also, bleibt geschmeidig.

Rantception

Ja, Radfahrer haben auch ein Rad ab.. häufig. Aber in einer (Groß)Stadt sind Radfahrer = Autofahrer, weshalb ich es noch weniger nachvollziehen kann.. Der Urrüganer dagegen wüsste nicht, wie man den Drahtesel bedient und würde versuchen, ihn mit Heu zu füttern, damit etwas passiert...

Ich überleg erstmal so, was bitte ist ein Urrü-ganer, bis ich das nochmal gelesen habe 😂

Komisches Völkchen auf jeden Fall... Wollte irgendwann auch mit dem Radel nach Rügen, mal sehen, da brauche ich wohl noch deutlich mehr Radpraxis, dass ich dem gewachsen bin :D Wirklich schade, dass sie, gerade bei den besten Gegebenheiten, das alles kaputt machen, obwohl es ja nicht mal irgendeinen Sinn hat! Weder Zeitersparnis, noch irgendwas anderes... Verstehe einer den Menschen und seine Idiotien...

achso EDIT:

GOILES ROT!

könnte man man noch in größer nehmen für den Aufruf an die Kraftstoffverwerter zur Fortbewegung :)

Verstehe einer den Menschen und seine Idiotien...

So isset ^^

Wow, erst mal wusste ich noch gar nicht das man hier ROOOOOOOOT Schreiben kann!


Waaaaarum fährt der daaa Fahrraaaaaaad?

haha ja sehr gut! 😁

Klingt ja wirklich nach entspannenden Radtouren auf Rügen. Also dagegen scheint der Berliner Verkehr ja wirklich gemütlich zu sein ^^

Ich wusste doch, dass das Rot mehr Aufmerksamkeit erregt als der Artikel selbst :D :P

ja eigentlich schon verrückt das man sich über so eine Kleinigkeit wie bunte Schrift freut.
Aber Steemit hat einen (zumindestens vom Layout/Funktionalität her) zurück in die 90iger gebracht. Da wurde auch jede kleine Neuerung gefeiert ^^

Das mit dem Rad <-> Auto ist ja leider nicht nur auf die süße Insel Rügen beschränkt. Beschränkt fahren auch Fahrzeuglenker in anderen Gegenden.

Mich hat es letztendlich vor vielen Jahren dazu gebracht vom Rennrad, dass ich ca. 10 Jahre gefahren bin, auf MTB umzusatteln. OK das ist evtl. nicht das ideale Fortbewegungsmittel im Flachland, aber hier im Stuttgarter Raum passt es. Und nun bin ich es der die Wanderer und Fussgänger jagt. Na Spaß beiseite - es gibt leider tatsächlich hier und da Konflikte bis zu Wanderstock in die Speichen, aber das sind zum Glück die wirklichen Ausnahmen - meist nur durch die Städter am Wochenend, die mit Stöcklschüchen und Mordern Talking Stöcken im Sonntagswald flanieren.

Ein bisserl Rücksicht aufeinander nehmen und dann geht das auch mit dem gemeinsamen Nutzen der Fortbewegungsräume.

Ein bisserl Rücksicht aufeinander nehmen und dann geht das auch mit dem gemeinsamen Nutzen der Fortbewegungsräume.

So sehe ich das auch.

Hehe 😁.
Den gemeinen Urrügianer (geiles Wort, gespeichert) scheint es fast überall zu geben, hier im Osten Deutschlands anscheinend auch.
Denn einige deiner Erlebnisse kann man eins zu eins genauso hier genießen.
Jedoch muß man auch sagen, aus der Sicht der Autofahrer, das es nicht zuwenig Zweiradbenutzer gibt die gerne mal ein komplett abstruses Verhalten darbieten, bevorzugt nachts und ohne Beleuchtung in der Hauptstraßenmitte, zeigen wie toll man Schlangenlinien fahren kann.
Schöne Geschichte 👍

Wo ist denn dein Osten? Also Rügen gehört definitiv zu "Ziemlich weit im Osten" ;)

Ja, die "bekloppten" Radfahren gibt es auch. Die haben jedoch selten Sportbekleidung angelegt und fahren auch selten um die 40 km/h. Wenn der "Urrüganer" selbst aus der Kneipe torkelt und sich auf das Fahrrad seiner Freundin schwingt - war halt in Griffweite - dann sind Schlangenlinien sicherlich vorprogrammiert ;)

Ja “mein“ Osten ist Randtschechien also Dresden.
Rügen ist für mich schon immer mehr nördlich als östlich gewesen, was sicherlich daran liegt das ich da noch nicht war und Küste generell mit Norden verbinde.
Hab nochmal bei Maps geschaut...naja 😁 Asche auf mein Haupt.
Aber Recht haste, der normalbescheidene Radfahrerrowdy hat keine Sportklamotten an und fährt auch selten 40...außer am Männertag vlt.

Auf Rügen gehören solche Rügener gerügt, im Besonderen die Urrügianer!

Aber ist das nicht eher ein allgemeines Problem?
Vielleicht verkommt die Empathie immer mehr zu einer Kunstform?

#EmpathieFlugblaetter4Ruegen
#machdenbogen <- kennst du den? @obvious (Link zur Aktion)

(Ich hoffe, es hat dir etwas geholfen den Frust loszuwerden ;)

Leider gibt es das nicht nur auf Rügen... hier hast Du auch verloren wenn Du auf zwei Rädern unterwegs bist.

Meine Geheimwaffe mittlerweile in den Abendstunden: Ich hab eine IO X von Busch und Müller am Rad nachgerüstet. Die Blendet dann mit 180.000 Lumen nach dem Überholen im Rückspiegel.

Bist du häufiger hier oben unterwegs?

Ja, Nachtstunden nehme ich auch gerne.. Lupine Pico und los gehts. Ab 22 Uhr ist Ruhe auf der Insel. Mache ich jedoch nicht bei winterlichen Temperaturen, sprich, meine Nachtsaison beginnt erst noch...

Sehr geil 👍

Wie ich dir einfach nur in allen Punkten recht geben muss....

Auf der Insel fahren wie die Bescheuerten, und sobald sie über die Brücke gefahren sind, schleichen sie mit 20 durch die Stadt -.-

Die haben ihren Führerschein definitiv alle im lotto gewonnen

Hmm . . .schon sehr seltsame Inselbewohner von denen du hier berichtest. Das Problem, das Autofahrer mit Radfahrern und vice versa miteinander haben, ist leider überall anzutreffen, aber so krass wie auf Rügen, habe ich noch nie gehört.
Ich muss auch sagen, dass ich weder in München noch hier bei mir auf dem Land ganz selten mit solchen Rüpeln Bekanntschaft machen musste.

Mann, da überlegt ich mir, wirklich mal auf Rügen zu fahren, wenn es dort den Urrügianer gibt😨 Denn solche Honks gibt es auch in Tirol😉 vielleicht nicht soooo viele😊