Buchrezension von Harald Welzer's "alles könnte anders sein"

in #deutsch4 years ago

Ich habe im Urlaub das sehr empfehlenswerte Buch "Alles könnte anders sein" von Harald Welzer gelesen.

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In diesem Artikel möchte ich eine kurze Zusammenfassung von dem Buch zum Thema "Welt verbessern" darstellen.

Zusammenfassung

Das Buch liest sich sehr gut auch wenn Harald Welzer manchmal leicht in den Akademiker Slang abdriftet.
Das Thema "Gesellschafts Utopien" ist hochaktuell und das Buch gibt uns eine Orientierung und Sinn bei den Fragen der heutigen Zeit. Nachdem Nationalsozialismus, Kommunismus und Kapitalismus versagt haben, brauchen wir eine neue Erzählung. Wie soll es mit unserer Welt weitergehen?
Harald Welzer liefert gute, viele und realistische Antworten.
Als einzigen Kritikpunkt sehe ich das wiederholte Bashing von SUV Fahrern, die er mit diesem Buch sicherlich nicht als Freunde gewinnt.

Meine persönlichen Buch Highlights

Wie man andere überzeugt

Eines unserer Hauptprobleme der heutigen Zeit ist, dass keiner irgendwie dem folgen will was der Andere für richtig hält. Missionieren ist out.
Wie soll man Menschen die offensichtlich auf Kosten anderer leben überzeugen, dass sie Schlechtes für die Gesellschaft tun?
Die Antwort lautet schlicht: authentisch vorleben und soziale Kontakte pflegen.
Nur in der ehrlichen und angstfreien Diskussion mit Freunden können Meinungen geändert werden.

Das Primäre im Leben

Unsere Gesellschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten individualisiert. Früher sind wir in die Kneipen gegangen, heute zocken wir am PC.
Menschen werden zunehmend als lästig oder störend empfunden. Dies führt zu einer latenten Aggressivität. Ich habe es in folgender Zeichnung mal so auf den Punkt gebracht:

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Wir sollten wieder lernen und auch einsortieren, dass das Soziale das Primäre ist. Für mich neu war, dass das Bewusstsein erst mit dem sozialen Miteinander entsteht.
Hier hat unsere Gesellschaft (und ich im besonderen) viel Wiedergutmachungsbedarf.

Wem folgen?

Es gibt zwei Hauptmotivationen für Menschen:
Die erste ist: Andere zu beeindrucken
und die zweite ist: Aus Gewohnheit Autoritäten zu folgen.
Dies wurde in dem Buch mit Beispielstudien gezeigt.
Folgendes Bild hatte ich morgens im Halbschlaf zu diesem Thema:
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Wir sollten uns Zeit nehmen selbst die alltäglichen Dinge zu hinterfragen. Warum tun wir das was wir tun? Wen wollen wir damit beeindrucken?
Passt unser Verhalten zu unserer selbst gesteckten Ethik?

Was wollen wir gesellschaftlich beibehalten?

Viele Errungenschaften unserer Zivilisation sollten wir nicht mehr preisgeben. Dazu gehören:

  • Freiheit
  • Sicherheit
  • Recht
  • Institutionen der Bildung
  • Gesundheit
  • Versorgung
  • ...
    Dieses gilt es auch in zukünftigen Utopien zu erhalten.
    Die Demokratie ist ein "von Furcht freier wohlmeinender Streit um die Optimierung der Mittel beim Streben nach Geweinwohl" (Peter Sloterdijk).

Was wollen wir in unserer Gesellschaft nicht mehr haben?

Ich denke wir brauchen hier nicht mehr über Nationalsozialismus und Kommunismus reden. Was aber ist mit dem Kapitalismus? Ist dort alles schlecht? Nein!
Ein Wirtschaftswachstum in Richtung Effizienz und Abschaffung von harter körperlicher Arbeit ist sicherlich erstrebenswert.
Aber eine Ausbeutung des Planeten nicht. Auch nicht die durch den Kapitalismus entstehenden Machtunterschiede.
Institutionen wie Derivatenhandel sind überflüssig und parasitär.
In einer Welt in der Viren, Informationen, Geld, und so weiter grenzenlos hin und her wandern, braucht auch der Mensch keine Grenzanlagen mehr. Diese sind genauso überflüssig wie Aufrüstung.

Was wollen wir Neues erschaffen?

Wenn das Schlechte abgeschafft wird und das Gute beibehalten bleibt, haben wir schon sehr viel erreicht.
Was darüber hinaus an Neuem erschaffen wird, überlassen wir der Phantasie des Einzelnen. Es muss aber machbar sein und darf weder auf Kosten der Gesellschaft noch der Naturressourcen gehen.
Der Ressourcenverbrauch muss in den Preisen internalisiert werden um die wahren Kosten anzuzeigen.
Sinn ist übrigens auch etwas Erstrebenswertes.

Wie wollen wir die Ziele erreichen?

Indem wir die bestehenden Elemente unserer Gesellschaft wie Legosteine auseinanderbauen und dann wieder neu sortieren.
Es gibt lokale und politische Möglichkeiten Änderungen vorzunehmen: Z.B. die Energieversorgung kann dezentralisiert werden oder Genossenschaften können genutzt werden um vor Ort etwas zu verändern.

Angst

Damit wir aus unserer Lähmung herauskommen, müssen erst aber einmal unsere Ängste abgebaut werden.
Dies sind insbesondere:
Flüchtlinge, Klimawandel, Versorgung.

Flüchtlinge

Migrationsbewegungen hat es immer gegeben und sind natürlich. Eigentlich ist der Mensch ein Nomade. Sie kommen und gehen und bringen Chancen und Risiken. Aber eigentlich möchte keiner flüchten und wenn die Möglichkeit besteht gehen auch viele wieder nach Hause. Auch Flüchtlinge müssen sich an die gegebenen Gesetze halten.
Flüchtlinge halten sich eher an Gesetze als die Einheimischen, da sie wieder ausgewiesen werden können.
Es gibt also keinen rationalen Grund vor Flüchtlingen Angst zu haben. Diese Angst wurde uns eingeredet.

Klimawandel

Seit 40 Jahren steht die Uhr auf 5 vor zwölf. Das Zwei-Grad-Ziel kann unter den jetzigen Bedingungen nicht eingehalten werden. Wir sind dann wohl verloren.
Und doch geht es immer weiter.
Anstatt in fatalistischer Lähmung zu verfallen sollten wir wieder aufbauen was kaputt gemacht wurde und verhindern dass noch schlimmere Gräueltaten an der Natur verübt werden. Das Klima hat sich schon immer verändert und der Wandel ist das Normale. Das Suhlen in der Apokalypse erzeugt nur schlechte Laune.

Versorgung

Hätten wir keine Angst um unsere Rente oder um unser Auskommen, wären wir frei von vielen unnötigen Zwängen.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen ermöglicht einen ungeahnten Spielraum.
Es wäre leicht mit jetzigen Mitteln finanzierbar. Die Arbeit und dessen Bezahlung würde sich komplett ändern. Sozial wichtige Berufe stünden im Vordergrund. Unnötiges würde wegfallen. Langzeitarbeitslose würden Tätigkeiten übernehmen, da dann auch der Mindestlohn überflüssig wäre.

Wie es ohne Utopien weiter gehen würde

Schlecht!

Der Klimawandel rückt uns auf die Pelle. Ohne Gegenmaßnahmen haben wir echte Probleme.
Die neoliberalen Kapitalisten machen weiter wie bisher und wir werden regiert von Oligarchen.
Alte Werte und vor allem Statussymbole spielen die Hauptrolle im Tagesgeschäft.
Wir gehen sinnentleerten Tätigkeiten nach.
Wir beuten weiter die Ressourcen der Erde aus, auf Kosten von immer mehr Menschen die darunter leiden.

11 Spielregeln

Hier die Zusammenfassung von Harald Welzer:
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Fazit

Jeder darf seine eigenen Utopien spinnen. Er darf entscheiden was er in einer zukünftigen Gesellschaft haben möchte und was nicht. Dies sollte er in einem sittlichen Streit mit anderen Utopisten aushandeln.
Und vor allen Dingen anfangen es umzusetzen.

Achim Mertens

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Danke für diese ausführliche Zusammenfassung bzw. für die spannenden Gedanken:
Die 12 Tipps sind ein Highlight, v.a. der Gedanke zum Thema Heimat.