Warum Spaltung genau das Gegenteil ist, was Menschen brauchen

in #deutsch2 years ago

Es ist immer ein Dilemma, wenn ein geschätzter Mensch aus dem Umfeld etwas veröffentlicht, was man auf vielen Ebenen gar nicht unterschreiben würde, ja geradezu das genaue Gegenteil wünscht und erstrebt. Wie geht man vor? Spricht man mit ihm über die Veröffentlichung oder nutzt man seine eigenen Kanäle, um seinen Standpunkt zu Verargumentieren?

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In diesem Fall habe ich mich für eine eigene Veröffentlichung entschieden, allein weil der dahinterliegende Gedankengang recht komplex ist und die Thematik mehr als wichtig erscheint.

Konkret geht es um eine Veröffentlichung von Max Remke im EF-Magazin (Originalartikel hier zu finden: https://ef-magazin.de/2022/08/26/20075-eine-beobachtung-warum-sich-die-libertaere-bewegung-aufspalten-sollte )
Ich werde mich also des Öfteren auf diesen Artikel beziehen und damit nichts aus dem Kontext gerissen wirkt, empfehle ich das vorherige Lesen. Für die Faulen eine hoffentlich treffende Kurzzusammenfassung, wie ich sie verstanden habe (und ich kann völlig falsch liegen)
Die libertäre Bewegung besteht aus solch unterschiedlichen Individuen, dass es schwer ist fachfremde Menschen dafür zu begeistern. Um schneller zu wachsen wäre eine Trennung zwischen „konservativen“ und „progressiven“ Typen hilfreich.

Beim ersten Lesen des Artikels war mein erster Gedanke, was der liebe Max da wohl zu sich genommen haben mag, oder welches Pferd Ihn getreten hat, so eine Grütze von sich zu geben. Beim zweiten Lesen wollte ich das Telefon in die Hand nehmen und Ihn aufs übelste damit konfrontieren, beim dritten Lesen habe ich dann versucht seine Perspektive einzunehmen und habe mich einigermaßen beruhigt. Nach einem weiteren darüber Schlafen kann ich jetzt versuchen herauszufiltern, warum mich der Artikel so getriggert hat.
Ich werde den Artikel sicher nicht Satz für Satz auseinandernehmen, wie ich dies bei Augstein gerne tue, sondern ich werde versuchen vorsichtig, wie bei der Entschärfung einer Bombe vorzugehen. Meine Wortwahl hier ist durchaus Absicht, da der Artikel meiner Meinung nach das (Spreng-)Potential hat ziemlich nach hinten loszugehen und ebendiese erdachte Trennung/Spaltung verursachen könnte.

Einige Fragen möchte ich in den Raum stellen und meine Antworten darauf bewegen sich im rein hypothetischen Bereich. Welche Intention steht hinter der Veröffentlichung, also welches Ziel. Auf der anderen Seite was ist der Anlass, also wo kommen die Gedanken her. Was ist das Framing und warum hat Max dies so gewählt.

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Als erstes fiel mir auf, dass Max den Artikel als „Eine Beobachtung“ bezeichnet. Also etwas sehr subjektives. Als These stellt er „Warum sich die libertäre Bewegung aufspalten sollte“ (was meiner Meinung nach ein gewaltiger Fehler wäre)und relativiert dies gleich wieder mit der anschließenden Untertitelfrage „Können wir getrennt mehr erreichen?“. Aus dieser verhaltenen Art schließe ich, dass sich Max mindestens unterbewusst über die Sprengkraft der Idee im Klaren war.

Max beobachtet dann in seinen Besucherreihen auf dem Liberty Sunrise zum einen Erleichterung und zum anderen Bestürzung über den Ausfall von Markus Krall als Redner, des Weiteren die schwierige Vereinbarkeit vom christkonservativen Krall mit zum Beispiel Michelle Schaaf, die mit einem LGBT-Gadsden-T-Shirt auf dem Sunrise zu sehen war. Das führt Ihn zur Annahme, dass eine Aufteilung in konservative und progressive libertäre Lager dem Wachsen der Bewegung helfen könnte. Und formuliert wörtlich „Ich halte diese Heterogenität nicht für eine Stärke unserer Bewegung, sondern für eine Schwäche“.

Und genau an diesem Punkt möchte ich ein lautes „Halt, Stopp, hast Du noch alle Latten am Zaun“ in den Raum rufen und jedes weitere Argument mit der Dampfwalze einebnen. Mag Max aus rein marketingtechnischer Sicht nicht ganz Unrecht haben und mag es leichter sein nach dem Motto „Gleich und Gleich gesellt sich gern“ eine Gruppierung aufzubauen, so ist es dennoch genau DAS war wir als Libertäre vorleben müssen:

Echte Toleranz

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Unsere Gesellschaft besteht mehr und mehr aus kleinen Filterblasen aufgeteilter Interessen, der Algorithmus der sozialen Medien zeigt uns in einem immer größer werdenden sozialen Experiment, wie zerstörerisch genau dieses Aufteilen in Lager ist, der Verlust der anderen Sichtweise, der Verlust des gesunden Diskurs. Für mich war das erste Liberty Sunrise eine Wohltat.

„ENDLICH NORMALE LEUTE“ war das am häufigsten zitierte Filmzitat, wenn ich mich recht erinnere.

Menschen die miteinander reden, aus unterschiedlichsten Schichten, Herkünften, Ideeen. Beruflich, kulturell und interessenmäßig so verschieden wie eine Gesellschaft sein muss, aber vereint in der Idee, dass man all dies unter einen Hut bekommt, mit gegenseitigem Respekt, gesunder Kritik und vor allem ohne die aufoktroyierte schützende Hand eines Staates, sondern durch die unsichtbare Hand des Marktes und der freiwilligen Kooperation gelenkt.

Dass so eine „Gesellschaft“ funktionieren kann hat man beim ersten Sunrise wunderbar erkennen können. Wer sich nicht verstanden hat, ist sich aus dem Weg gegangen, was einen an Workshops nicht interessiert hat, hat man nicht besucht. Es war ein hervorragend organisierter bunter Blumenstrauß an Interessensgebieten von progressiv bis konservativ.
An dieser Stelle nochmal Chapeau für diese Leistung. GENAU DAS müssen „wir alten Säcke“ den jungen und älteren Neueinsteigern in die libertäre Szene vorleben. Ein Gramm gutes Beispiel wiegt mehr als tausend Worte.

Wurde ich früher gefragt, was ich mit meiner seltsamen libertären bzw. anarchokapitalistischen Einstellung erreichen möchte, habe ich gerne den alten Spruch bemüht:

Ich will, dass ein schwules, schwarzes Ehepaar Ihre eigene Hanfplantage mit eigenen Waffen verteidigen darf.

Genau dieser Satz, der Grundpfeiler meiner Einstellung würde geopfert zugunsten von leichterem Marketing und schnellerem Wachstum. NEIN! Das ist ein Holzweg.
Versöhnlich rief einst Jacques Brel im Lied „Le Moribond“ seinem Priester zu: On n‘était pas du même bord, mais on cherchait le même port. (Grob übersetzt: Wir waren nicht vom selben Ufer, doch suchten wir denselben Hafen). Diese Versöhnlichkeit kann man aber nur retrospektiv anbieten. Deshalb kann ich nur darum bitten: Bitte Max gehe diesen Weg nicht weiter, er verrät einen großen Teil dessen was für mich und ich glaube viele andere Libertarismus ausmacht.

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Für den Fall, dass Max allerdings den Trump-Moove gewagt hat, unhaltbare Ideen in die Welt zu werfen, um eine Diskussion und Gedanken über die Thematik anzustoßen, dann zum widerholten Male: Hut ab. Leider glaube ich nicht so wirklich daran…

Euer Pollux

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