Begriffserklärung Rechtsstaat

in #deutsch4 years ago

Die Welt der Juristen ist ein durchaus faszinierendes Phänomen. Wir (man nimmt sich selbst nicht so wichtig, daher das „wir“) haben den Versuch gestartet, den Begriff „Rechtsstaat“ zu analysieren. Schon beim Begriff und seiner Schreibweise entsteht Verwirrung. „Rechts-Staat“ ist nach unserer Auffassung ein politisch „Rechts“ orientierter Staat. Der Gegensatz nach heutiger Denke müsste dann ein „Links-Staat“ sein. Wobei ein „Recht-Staat“ irgend etwas mit dem „Recht“ zu tun haben müsste. Schluss mit der Wortklauberei, aber es war uns wichtig, hier die Gedanken anzuregen.

Wir wollen den Juristen heutigen Kalibers nicht unbedingt (vielleicht nur bedingt) auf den „weißen“ Schlipps treten. Sollte es doch passiert sein, möchten wir uns natürlich dafür entschuldigen. Zur Abschwächung dieses unbehaglichen Gefühls hilft der Satz: „Ist nicht meine Schuld, habe den „Scheiß“ so gelehrt bekommen.“

Das hilft bestimmt über den Schmerz hinweg.

Nun aber zur Begrifferklärung als Zitierung von Gedanken

3-D-Test für den Rechtsstaat

Der Rechtsstaat unterliegt seinem eigenen Recht im Sinne des Grundsatzes »Patere legem quam ipse fecisti« (»Die Regel einhalten, die man sich selbst auferlegt hat«) und zeichnet sich aus durch den tatsächlichen – und nicht etwa »bloß« verfassungsrechtlich vorgeschriebenen – Mangel an der Dämonisierung und Delegitimierung bestimmter Bevölkerungsgruppen auf der Grundlage rechtlicher Doppelstandards, also durch die Gleichheit vor dem Gesetz.

Folgende Fragen sind zu beantworten, um festzustellen, ob es sich bei einem Staat um einen Rechtsstaat im obigen Sinne handelt:

  1. Existieren rechtliche Doppelstandards?
    Spezifizierung: Werden bestimmte Bevölkerungsgruppen mit rechtlichen Merkmalen ausgestattet, welche für andere Bevölkerungsgruppen nicht gelten?
  1. Werden bestimmte Bevölkerungsgruppen unter Bezug auf rechtliche Doppelstandards dämonisiert?
    Spezifizierung: Werden bestimmte Bevölkerungsgruppen mit qualitativen und/oder quantitativen Merkmalen ausgestattet, welche zur Begründung rechtlicher Doppelstandards dienen?
  1. Wird Widerstand gegen rechtliche Doppelstandards delegitimiert?
    Spezifizierung: Wird rechtlicher und/oder politischer Widerstand, welcher sich gegen die Anwendung rechtlicher Doppelstandards wendet, unter Hinweis auf deren Legitimierung durch (auch vorgebliche) Kodifikation in Verfassungsrecht, überpositivem Recht, einfachem Gesetz und Recht, Naturrecht, Gewohnheitsrecht, Richterrecht und/oder anderen Rechtsformen oder Rechtsansichten delegitimiert?

Können alle drei Fragen belegbar mit JA beantwortet werden, so sind die Kriterien eines Rechtsstaats nicht erfüllt.

Anmerkungen:
Kein Merkmal für das tatsächliche Vorhandenseins eines Rechtsstaates ist, wie in der Bundesrepublik Deutschland praktiziert, die willkürliche faktische Außerkraftsetzung der unmittelbaren Rechtswirkung der Grundrechte und die Bindung der staatlichen Gewalten an diese gemäß Art. 1 Abs. 3 GG zur Außerkraftsetzung der Grundrechte durch Bedarfsrecht unter dem behördlicherseits regelmäßig erfolgenden Hinweis des Vorhandenseins des Grundrechts auf Justizgewährleistung und Rechtsweggarantie gemäß Art. 19 Abs. 4 GG durch die Formel: »Sie können ja klagen, wir leben schließlich in einem Rechtsstaat«. Denn das Grundrecht auf Justizgewährleistung und Rechtsweggarantie gemäß Art. 19 Abs. 4 GG ist ein Grundrecht des Bürgers zur Abwehr verfassungswidriger Eingriffe in seine Grundrechte und kein Abwehrrecht des Staates gegen den Bürger zur präventiven Verletzung seiner Grundrechte entgegen der Rechtsbindung der öffentlichen Gewalt an die Grundrechte sowie an die verfassungsmäßige Ordnung und Gesetz und Recht gemäß Art. 1 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG, welche beide durch die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG vor jedweder Änderung des Grundgesetzes durch Handeln oder Unterlassen geschützt sind.

Es ist dahingehend zu bemerken, dass der Begriff des »Rechtsstaats« in der Bundesrepublik Deutschland zunehmend missbraucht wird, um eindeutig rechtswidrige Verwaltungsakte zu vollziehen bzw. eindeutig rechtmäßige Verwaltungsakte zu unterlassen oder damit in Verbindung stehende gerichtliche Entscheidungen durchzusetzen, um die damit verbundenen rechtswidrigen Forderungen, welche meist auf eine Abgabenüberhebung oder Leistungskürzung hinauslaufen, zunächst zu vollstrecken, und so den dadurch in seinen Grundrechten verletzten Bürger zu zwingen, diese rechtswidrigen Hoheitsakte entweder widerspruchslos zu akzeptieren oder auf eigene Kosten dagegen zu klagen, und zwar auf dem Wege des Zivilrechts (gegen die öffentliche Gewalt!) und nicht auf dem dafür vorgesehenen Rechtsweg für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten verfassungsrechtlicher Art gegen die öffentliche Gewalt gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 2 GG bei den ordentlichen Gerichten, denn diesem Rechtsweg fehlt es wiederum an den dafür benötigten Prozessgesetzen.

Wird die rechtswidrige Forderung akzeptiert, so wird daraus deren »Rechtmäßigkeit« abgeleitet; wird dagegen Klage erhoben und einer solchen Klage – oder auch diesbezüglichen Strafanzeige – gegen die staatliche Gewalt nicht stattgegeben oder werden dem Kläger auch durch das Gericht seine Rechte vorenthalten und die Rechtswidrigkeit nicht festgestellt, so wird auch daraus die Rechtmäßigkeit des rechtswidrigen Verwaltungsaktes abgeleitet. Auf eine offensichtliche Verletzung der Grundrechte kommt es also nicht mehr an. Damit werden die o.a. Grundsätze der Rechtsbindung der öffentlichen Gewalt an die Grundrechte und Gesetz und Recht faktisch außer Kraft gesetzt und rechtswidrigem Handeln der öffentlichen Gewalt der Anschein der Rechtmäßigkeit verliehen.

Im Ergebnis ist also der Begriff des »Rechtsstaats« ein Synonym für den obligatorischen Amtsmissbrauch als straffreier Missbrauch öffentlicher Gewalt, welcher im »Rechtsstaat« Bundesrepublik Deutschland zudem keinen eigenen Straftatbestand darstellt, gegen den der Geschädigte dementsprechend nur erfolglos klagen oder sich beschweren kann. Beide Wege erzeugen wiederum rechtswidrige Kostenforderungen durch dieselbe staatliche Gewalt, welche die Rechtswidrigkeiten erst verursachte.

Letztendlich dient hier also der straflose Missbrauch staatlicher Gewalt im Falle der versuchten Abwehr wiederum zur Erzeugung und ebenfalls rechtswidrigen Beitreibung der rechtswidrig erhobenen Kosten. Diese werden wiederum nach der nationalsozialistischen Justizbeitreibungsordnung beigetrieben, was in letzter Konsequenz zur Anwendung der vom ehemaligen nationalsozialistischen Reichsgericht erfundenen Rechtsfiguren der »Person minderen Rechts« und des »bürgerlichen Todes zu Lebzeiten« führt.

Das bedeutet also nicht nur, dass ein solcher Amtsmissbrauch, über den Vorsatz zu seiner Begehung hinaus, regelmäßig zur verfassungswidrigen Änderung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung benutzt wird, sondern auch, dass er, quasi nebenbei, als willkommene Einkommensquelle für die öffentlichen Gewalten selbst dient, indem diese für die juristische Abwehr ihres eigenen Gesetzesbruchs Gebühren erheben.

Es ist faszinierend und einen Applaus wert. Soviel Verwirrung in Auslegungen des „Rechtes“ sollte auch einmal würdigend mit Applaus belegt werden.

Im Sinne dieser Rechteklämptnerei verleibt
Euer Zeitgedanken

Sort:  

gut ist in dem Kontext der Rechts-Weg. Nein, dass ich nicht die Radikalisierung nach rechts, sondern dass man alle Verwaltungsakte eines Rechtsstaats überprüfen lassen kann. So fallen z.B. Reihenweise Willkürschikanen im Corona-Kontext. Würden alle direkt betroffenen Rechtsmittel (nein, das ist nicht komische Fahnen auf der Reichstagstreppe schwenken) einlegen, würde noch mehr Gutes passieren.

Selbstverständlich leben wir nicht in einem Rechtsstaat. Und selbstverständlich ist das "Argument", dass es woanders teilweise noch schlimmer sei, a) nur teilweise richtig und b) kein Argument.
Das Hoffen auf den "Rechtsstaat" bzw. Teile desselben bei der Beseitigung von nichtrechtsstaatlichen Zuständen ist daher ein Widerspruch, der zu gewissen Reibungen, aber wenig Erfolg führen dürfte.

Was also tun?

a) Warten, bis die Russen kommen
b) Demonstrieren
c) Wählen gehen

Ich glaub, ich nehm dann eher d).

d) könnte man belegen mit "Auswandern in eine Free Private City", sobald die bezugsfertig sind. Leider sind die bisher alle auf anderen Kontinenten, von Chile und Honduras weiß ich konkret.

Wie fast jeder deiner Beiträge hochinteressant! Eine harsche Kritik, die so gut wie unwiderlegbar sein dürfte, ich bin sehr gespannt, was unser frischgebackener Volljurist @Lammbock dazu sagt!

Als ich diesen Artikel gerade auf heise las, musste ich an deinen Post denken:
https://www.heise.de/meinung/Best-of-Informationsfreiheit-Bundesregierung-auf-der-Flucht-ins-Privatrecht-4925110.html

Interessant ist dieser Absatz bei heise.de:

Wenn sich McKinsey und Co. an die Arbeit machen, verlagert sich aber nicht nur ein großer Teil des Entstehungsprozesses von amtlichen Maßnahmen in private Hände, die niemals öffentlich durchleuchtet werden. Selbst die Ergebnisse ihrer Arbeit, die Grundlage politischer Entscheidungen werden können, werden häufig als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gewertet – McKinsey hat schließlich ein großes Interesse daran, beispielsweise seine Gutachten zum Migrationsmanagement für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unter einem anderen Cover ein zweites Mal an die EU zu verkaufen.

Und wenn die Einstufung als Geschäftsgeheimnis nicht klappt, steht noch immer das Urheberrecht als Ausnahme zur Verfügung. Weil sich Bundesbehörden zwar regelmäßig Gutachten und Evaluationen bei Externen einkaufen, sich aber nicht gleichzeitig weitergehende Nutzungsrechte an den Dokumenten sichern, steht der Schutz geistigen Eigentums von Berater:innen der Informationsfreiheit entgegen.

Parlamentarier sollen eigentlich nur ihrem Gewissen (GG Art. 38) unterworfen sein. Aber Politik findet hinter verschlossenen Türen statt (das ist auch bei Ausschüssen so) und der mit „Gewissen“ ausgestattete Parlamentarier soll dann seinem „Gewissen“ folgen. Wem folgen die Parlamentarier nun eigentlich? Ihrem Gewissen?