Cui bono - Ein Rat an junge Menschen

in #finanzen4 years ago

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Einer der größten Probleme, die man als motivierter finanziell Ahnungsloser hat ist, dass man es nicht leicht hat an valide Informationen zu kommen. Gerade wenn man jung ist (und vielleicht auch noch ein wenig naiv), kann man sehr schnell an die Grenzen kommen.

Der erste Weg führt meistens zu den Ansprechpartner, die man bereits kennt und einen eigentlich immer recht gut geholfen haben: Den Eltern. Gerade da diese üblicherweise zu den intimsten Vertrauenspersonen in der Familie gehören, kann man auch recht offen mit ihnen über Geld sprechen. Wer dies macht, kann allerdings leicht in ein finanzielles Desaster laufen.

Denn die übliche Empfehlung deutscher Eltern ist, dass man auf jeden Fall ordentlich sparen soll. Das ist im Kern für sich genommen eigentlich gar kein so schlechter Rat, würde er eben nicht mit dieser Aussage auch schon enden. Denn die meisten meinen damit wirklich das Geld auf irgend einen Festgeldkonto unter dem Niveau der Inflation anzulegen und darauf zu warten, dass es schrumpft.

Gerade ein Finanz“produkt“ kommt dabei noch besonders oft zur Sprache: Das Bausparen. Ich denke absolut niemand kann in diesem Land aufwachsen ohne irgendwann über eben dieses zu stolpern. So ist es auch nicht verwunderlich, dass mein erste Art zu sparen ein Bausparvertrag gewesen ist. Fatal für mein Kapital war dies nicht, da es früher durchaus sehr lukrative Konditionen gab und gerade als junger Mensch man vielleicht sogar noch das Glück hat das Baugeld vom Staat zu kriegen.

Man muss sich halt nur bewusst sein, dass damit spätestens nach der Ausbildung dann auch sehr schnell wieder Schluss ist und ohne sich die Konditionen nicht mehr besonders lohnen. Insgesamt würde ich solche Produkte eher in die Kategorie „schlechte Finanzprodukte“ stopfen.

Hier endet bereits das Latein der meisten Eltern und höcchstens in Familien mit Selbstständigen kann man noch weiterführende Ratschläge einholen. Die nächste Station ist dann üblicherweise der Bankberater. Geht man zu diesem und fragt diesen um eine Anlage für seine Rente, wird man üblicherweise eine Art „Lebensversicherung“ erhalten. Ja, selbst heute noch.

Immer wieder kommen junge Leute zu einem und man runzelt die Stirn über das, was man dort sieht. Verträge mit Laufzeiten über 75 Jahren bei denen einem garantiert wird, dass man weniger wieder bekommt als man reingesteckt hat. Wow ... da ist sogar das klassische Konto ja fast noch überlegen!

Je eher man sich als Mensch von dem Gedanken verabschiedet, dass bei der Bank Leute sitzen, die irgend eine Form von Ahnung von Geld oder Finanzen haben, desto günstiger wird man im Leben sparen. Echt jetzt! Es ist nur die Werbung, die einem suggeriert, dass dort jemand sitzt, der wirklich von seiner Materie Ahnung hat. Selbst wenn man etwas pfiffiger Unterwegs ist und nach steuerlichen Auswirkungen fragt, bekommt man nur ein plattes „Das dürfen wir nicht“. Ich übersetze: Ich habe keine Ahnung!

Und wenn man als Volkswirt einmal ein wenig diskutiert, da man es hier ja mit zumeist Volkswirten zu tun hat, wird man auch sehr schnell schockiert sein, dass selbst absolute Basics nicht vorhanden sind. Ich nutze gerne meine Beraterzeit um ein wenig die Angestellten meiner Bank zu schulen. Im guten Glauben, dass wir dadurch hier irgendwann mal bessere Bänker bekommen ;D

Aber ganz nüchtern betrachtet sind dies immer „Verkäufer“, so wie eben auch ein Autoverkäufer. Sie verkaufen einem nicht etwas, weil es für einen sinnvoll ist, sondern weil sie dafür die meiste Provision bekommen. Ja, ich habe sogar erlebt, dass sie es verkaufen, obwohl es für die Bank nicht sinnvoll ist, sondern nur für sie selbst.
Klassische Alarmindikatoren sind: 1. Es wird ein Diagramm mit Pfeil nach oben gezeigt ohne Achsenbeschriftung. 2. Es wird darauf hingewiesen, dass alle so etwas haben. 3. Es wird etwas „modulares“ Angeboten. Bereits nach einem dieser Indikatoren könnt ihr eigentlich bereits auf Durchzug schalten – oft wird dies bereits nach der ersten Minute sein. Lauft ihr in so eine Falle tut Euch selbst den gefallen und nehmt wenigstens noch den Kaffee mit... ;)

Der naive kleine Gammastern ist natürlich auch in so etwas reingelaufen und hat eine Lebensversicherung laufen als Rentenversicherung. Wenn die Zinsen gut laufen (was sie ja nicht tun), soll ich da irgendwann mal von monatlich 50€ eine Rente von 167€ ausgezahlt bekommen. Finanziell totaler Bullshit und vermutlich wird es am Ende wesentlich weniger werden, ich lasse es aber noch als Erinnerungswert mitlaufen, damit ich jeden Monat daran erinnert werde, nie wieder auf Bankberater zu hören.

Damit endet üblicherweise bereits der Kreis der Personen mit denen man über Geld spricht. Wer ein wenig Glück hat, hat ein paar Freunde, die sich für das Thema interessieren. Dort muss man allerdings auch sehr vorsichtig sein, da man nicht vergessen sollte, dass die meisten der Leute dort in einem ähnlichen Alter sind. D.h. sie haben zwar vielleicht Interesse und Motivation, aber eben nicht etwas, dass man Erfahrung nennen kann.

Nicht selten, gibt es dort ganz furchtbar gruselige Ratschläge. Ich kenne da 18 Jährige, die dann sogleich anfangen mit dem Zocken von Zertifikaten. Etwas das ich selbst eigentlich nur dann mache, wenn mir wirklich danach ist. Getreu dem Motto: Wer jung ist, kann auch etwas verlieren! Das stimmt zwar im Kern und ist nicht so fatal wie wenn jemand kurz vor der Rente sein Vermögen verzockt... aber es verhunzt schnell den Charakter und auch früh sollte man bereits ein wenig diverser unterwegs sein.

Wie wäre es bei Börsenmagzinen oder Finanzportalen? Immerhin gibt es dort ja auch regelmäßige Tipps. Gerade jetzt titelt eines „Eine clevere Short-Stategie auf den DAX“. Zertifikat auf eine Wette bis 11200 Punkten bis September. Es hat seinen Grund, dass viele Leute solche „Nachrichten“ immer nur als Finanzpornographie bezeichnen. Etwas, dass in einem einen Impuls auslösen soll, darüber hinaus oft aber nicht sehr lange wirkt. Erst recht nicht beim Vermögensaufbau.

Bleibt die nächste Anlaufestelle: Das große Internet! Und tatsächlich kann man auf Youtube wirklich einige gute Kanäle finden in denen man sich sehr gut informieren kann und auch eine Menge über Finanzen lernen kann. Hier gilt aber der Grundsatz „cui bono“! Für sich selbst als Berater zu werben ist okay, wer allerdings eher auf Affiliate-Basis wirbt, macht seinen Zuschauer zu einem Produkt.

Nicht gegen P2P-Portale. Ich selbst nutze sie für einen Vermögensaufbau um Risikokapital unterzubringen. Allerdings ist die Qualität jener Berater meist auch eher schlecht, die am Ende nur versuchen einen dazu zu bewegen über einen Klick zu einer Bank, Broker oder sonstige Seite zu führen. Am Ende handelt es sich dabei eben wie normale Banker um reine Verkäufer, die ein wenig moderner daher kommen.

Und Finanzbücher? Je nach Wahl kann dies durchaus gut sein. Ein Gert Kommer fast wirklich alles in seinen Büchern zusammen, was man über einen ETF und die Investition in diesem zu sagen hat. Und zwar wirklich erschöpfend. Allerdings bin ich mir sicher, dass die meisten jungen Menschen bereits nach 20 Seiten für sich beschließen, dass das Thema am Ende nichts für sie ist. Die Spannungskurven halten sich zumeist doch sehr in Grenzen.

Somit ist es tatsächlich nicht besonders einfach einen guten Ratgeber für Finanzfragen zu finden in diesem Land. Wichtig ist in jedem Fall, dass man nicht auf einfache Lösungen aufbaut und sich eben auch bewusst macht, dass die meisten Eltern und Freunde keine guten Ratgeber sind. Gar nicht unbedingt aus böser Absicht heraus, sondern weil die meisten genauso ahnungslos unterwegs sind wie man selbst.

Glück haben jene, die in der Familie eine Art Onkel haben, der ein wenig besser informiert ist. Oder eben auch zum Freundeskreis einige Leute zählen, die schon ein paar mehr Erfahrungsjahre auf den Buckel haben und entsprechend vielleicht auch selbst bereits negative Erfahrungen gesammelt haben. Bei solchen Leuten kriegt man zumeist die besten Ratschläge.

So habe ich in meinem Freundeskreis durchaus schon einige Schicksale abgewendet bei denen jemand kurz vor der Unterschrift stand und doch einmal den Mut aufgebracht haben einen darüber gucken zu lassen. Als man ihnen dann erklärt hat, was man ihnen da hat aufschwatzen zu wollen, sind sie zumeist aus allen Wolken gefallen.

Doch was, wenn man schlichtweg all dies nicht zur Hand hat? Dann bleibt am Ende immer nur noch die Option sich eigene Erfahrungen zu machen. Dabei gibt es dann nur einen elementaren und fatalen Fehler: Erst gar nicht anfangen diese zu machen! Nicht wenige Menschen sind von einem Perfektionismus beseelt, dass diese 50 Jahre lang ein Thema studieren müssen, um es dann abschließend meistern zu können.

Gerade in Bezug auf Finanzen ist dies allerdings sehr fatal, da Zeit ein wichtiger Faktor ist. Es gilt also frühzeitig Erfahrungne zu sammeln. Gerade dies ist der Grund, wieso ich auch ahnungslosen jungen Menschen sogleich Wertpapiere ans Herz lege und sage, dass sie einen ETF-Sparplan von mindestens 50€ im Monat auflegen sollen.

Das ETF erlaubt es in einem breiten Markt wie z.B. den S&P500 zu investieren ohne das man ein wirklich großes Risiko hat. Klar, wenn die Weltmärkte mal wieder brennen, tut dies auch weh. Aber wie auch die Corona-Krise zeigt, wer mehr 20 Jahre als Horizont hat eine gute Chance zu gewinnen. Und brennt die Weltwirtschaft bis zur Rente, hat man ohnehin andere Probleme.

Gleichzeitig ist dies ein Betrag den fast jeder irgendwie aufbringen kann ohne das man gleich existenziell bedroht ist, wenn man es verliert. Natürlich kann man dies auch mit Zertifikate machen, aber wie will man das Risiko abschätzen, wenn man keine Ahnung hat. Lieber langfristig erst einmal etwas solides aufbauen.

Wer dies macht, kann sich getrost auch erstmal 2 Jahre wieder auf die Seite legen. Von ganz alleine wird man anfangen sich etwas mehr mit dem Thema zu befassen und immer wieder einmal ein Auge darauf zu werfen. Man kriegt ein Gefühl für normale Bewegungen, wann es rauf und runter geht und wie die Stimmung am Markt ist. Trotzdem bleibt man ein investierter Beobachter und folgt danach einem einfachen Plan total Stur.

Jeder der diesen Rat bisher angenommen hat und einfach angefangen hat, ist irgendwann automatisch an den Punkt angekommen an dem er mehr wollte und angefangen hat sich weitergehend in die Thematik einzuarbeiten. Hier vielleicht eben doch mal ein Zertifikat, dort eine Aktie oder einen ETF auf etwas exotischere Märkte. All dies ist okay! Denn es gibt am Ende einfach niemanden, der einen wirklich sagen kann, was davon am besten laufen wird.

Wichtig ist am Ende, dass man selbst Erfahrungen sammelt und sich mit dem Thema befasst. Denn erst dadurch wird man auch in der Lage kommen schlechte Ratschläge überhaupt zu identifizieren. Dafür muss man aber eben auch irgendwo erst anfangen. Achso ja und „cui bono“! Wer die Antwort darauf nicht geben kann, sollte die Finger von etwas lassen...

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Investitionen in Crypto wurden noch vergessen ;)

Aber ansonsten guter Artikel :)

@tipu curate

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