Vom Risiko – Lauf mit der Augenbinde

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Mit kaum etwas anderes bekommt man den durchschnittlichen Bundesbürger so sehr in Angst versetzt wie mit dem Begriff „Risiko“. Wer bereits einmal etwas mehr Zeit im Ausland zugebracht hat, wird darüber sicherlich auch immer wieder schmunzeln müssen. Auch dort unterscheiden sie die unterschiedlichen Risikoneigungen zueinander sicherlich, aber kaum irgendwo ist man so risikoavers wie hier.

Immer wieder gehe ich kopfschüttelnd durch den Wald und sehe irgendwelche kleinen Löcher oder Ameisenhügel, die mit Sicherheitsband abgesichert sind. Zur Hölle wer in einen Wald geht, der muss im Zweifel auch mit Hindernissen rechnen. Denke ich da an so manchem Nationalpark auf dem Balkan, dann lernt man ganz andere Dinge kennen. Ein schmaler Bergpfad geht aufwärts und daneben ohne irgendwelche Absicherung geht es 200m runter. Dies wäre hier mit mehreren Metern Panzerglas abgesichert.

Natürlich ist es mit Sicherheit immer so eine Sache. Noch nie in meinem Leben habe ich einen Sicherheitsgurt im Auto benötigt. Man könnte nun natürlich darüber sinnieren, ob diese vielleicht überflüssig sein würden. Ähnlich wie bei einer Versicherung werden diese allerdings eben dann erst nützlich wenn ein unerwarteter Fall eintritt. So kann man sicherlich darüber sinnieren, ob nun diese deutsche Gründlichkeit beim Absichern vielleicht auch so ein Fall ist.

Während man bei so etwas immer noch von einer „Risikovermeidung“ reden könnte, wird dies bei anderen Risiken noch deutlicher. Gerade wer sich mit einem Amerikaner unterhält wird sehr schnell verstehen, dass dort nicht der Verlust, sondern die Chance im Vordergrund steht. Dies kann zu echten cultural clashs führen, bei denen beide Seiten sich absolut nicht verstehen.

Denn hier zu Lande ist Risiko immer etwas schlechtes und man versteht gar nicht, wo drin da die Chance liegen soll. Gerade durch so etwas verkümmert aber eben auch die Sprache und damit einhergehend auch die Denkweise. So ist es hier immer nur sehr schwer zu vermitteln, was eigentlich gute und schlechte Risiken sind.

Schlechte Risiken sind jene, wo wir wenig gewinnen können und/oder eben eine enorme Verlustchance haben. Mit verbundenen Augen über eine vielbefahrene Straße zu laufen ist definitiv ein großes Risiko. Immerhin ist einer der besten Ausgänge dieser Aktion, dass wir es überleben und die Polizei einem zur Kontrolle in die nächste Psychiatrie steckt. Es versteht sich vollkommen von selbst, dass wir solche Risiken meiden sollten.

Tun wie gerade als Deutsche allerdings nicht. Man denke nur mal an die vielen Mutproben junger Menschen, die immer wieder genau auf solche Szenarien abzielen. Viele Generationen impfen nun schon ihren jungen Menschen ein, dass dies Leichtsinn ist und nicht Mut! „Leichtsinn“ … ein Begriff der es gut trifft und irgendwie doch langsam am aussterben ist.

Das ganze ist aber kein Phänomen Jugendlicher und ist eine Sache, die man im Laufe seines Lebens verlernt. Man denke da nur mal an die Millionen Lottospieler in diesem Land diese jedes Jahr ein Spiel eingehen bei denen ein Verlust nahezu sicher ist. Die Chance eines positives Ausganges dieser Wette ist nahezu null, aber das es auch nur einen Hauch größer ist, reicht bereits dieses Risiko einzugehen. Hier ist eindeutig auch die gedankliche DNA des Straßenläufers wiederzufinden.

Was sind hingegen den gute Risiken? Es sind jene Risken bei denen wir eine außerordentliche Rendite haben, wobei wir hingegen nur ein geringes Verlustrisiko haben. Der klassische Fall hier wären eben wohl Wertpapiere. Es versteht sich von selbst, dass innerhalb dieser Kategorien natürlich auch noch diverse weitere Abstufungen gibt. Aber wenn wir 10% Gewinn machen können mit einer 80%igen Sicherheit, dann ist dies eine eigentlich recht interessante Quote.

Wer lang genug dort mitspielt wird am Ende im Schnitt einen Gewinn verzeichnen. Jeder Unternehmer kennt diese Art zu spielen. Jede Investition bindet Kapital und man geht damit immer auch ein Risiko ein, dass sich diese nicht rentieren wird. Vielleicht wird der neue Laden ja gar keine Kunden anlocken. Vielleicht fällt die neue Maschine häufiger aus und kann die erhoffte Produktivitätssteigerung nicht erreichen. Und beim neuen langjährigen Projekt winken nicht nur große Gewinne, sondern auch Risiken durch Personalwegfall oder unvorgesehen Ereignissen.

Risiko per se abzulehnen ist keine besonders gute Strategie. Schlichtweg weil man am Ende einfach zuviel verpasst. Nur derjenige, der hier uns da ein Risiko auslebt, kann auch etwas neues erreichen. Vielmehr sollte man sich darauf fokusieren, welche Risken man bereit ist einzugehen.

Speckfreunde unter Euch? Der morgendliche Verzehr von gebratenen Speck von 1 Scheibe auf 4, erhöht das Krebsrisiko um 4%. Die logische Konsequenz wäre es wohl für die meisten morgens keinen Speck mehr zu essen und das Risiko zu minimieren. In den meisten anderen Ländern würde man erstmal fragen, wie groß das absolute Risiko dann wäre (~0,04%) und dann abwägen, ob einem das Risiko es dann wert wäre.

Gerade auch bei Aktien ist dies nicht anderes. Viele wollen nicht investieren, weil sie ja so wenig Geld haben und die Chance besteht, dass man es verliert. Dies stimmt. Auch hier besteht bei jeder Aktie immer das Risiko eines Totalverlustes. In der Praxis tritt dies allerdings sehr selten auf und meist eben nicht in Form eines Totalverlustes, sondern lediglich in Form von Wertverlusten. Dem gegenüber stehen allerdings Gewinnerwartungen, die es in sich haben. Im Schnitt 4-7% sind problemlos am Aktienmarkt zu machen.

Wer also oft genug dort spielt, gewinnt auf lange Sicht. Gerade jetzt fokussiert sich wieder alles auf Wirecard. Da! Der große Geldvernichter! Nun zum einen hat nicht jeder Investor sein Geld in Wirecard gehabt und einige ja durchaus langfristig bereits davor gewarnt haben. Nur weil etwas im DAX oder regelmäßig in den Nachrichten ist, heißt es noch lange nicht, dass es ein gutes Investment ist. Wirecard war ganz klar (auch zu besten Zeiten) eine Zocker-Aktie für eben jene die bereit sind größere Risiken einzugehen, weil sie eben die Hoffnung hatten, größere Rendite zu erhalten. Das ging hier nicht auf.

Gerade der Bundesbürger der sonst das Risiko so gerne meidet, neigt an der Börse aber immer dazu das maximale Risiko einzugehen. Wer schon im Risiko steht, der muss ja auch maximale Rendite rausholen. Und so wird alles auf die Bank geworfen! Kein Wunder, dass die Börse hierzulande einen so schlechten Ruf genießt. Denn mit dieser Strategie kann man sein Geld lieber zum Heizen einsetzen.

Denn auch unter den Aktien gibt es durchaus sehr konservative Anlagen, die sich nicht durch ein sehr volatiles Verhalten auszeichnen, sondern langfristig ihren Weg weitergehen ohne irgendwelche Sprünge. Ein Beispiel ist da die Cola-Aktie. Wer diese seit 5 Jahren hält, blickt auf ca. 11% Kursgewinne zurück. Ein Wert bei dem sich der durchschnittliche Wirecard-Aktionär bereits die Pulsadern aufgeschnitten hätte.

Nun mag man sagen, dass man ja unter Berücksichtigung der Inflation gar keinen echten Gewinn erwirtschaftet hätte. Stimmt. Aber es gibt ja auch noch die knapp 3% Dividende jedes Jahr, die das ganze dann eben doch gewinnbringend macht. Ich will hier auch überhaupt nicht Cola bewerben (obwohl ich sie selbst halte).

Ich versuche nur zu demonstrieren, dass es eine Vielzahl von unterschiedlichen Aktien gibt und nicht jede gleich ein Wirecard ist. Für fast jede Geschmacksrichtung ist etwas dabei. Wer ein wenig mehr Risiko mag, kann durchaus Wachstumsaktien kaufen, wäre eher etwas konservativer Unterwegs ist kauft eines der Urgesteine mit einem bereits funktionierenden Geschäftsmodell.

Echte Risikovermeidung führt am Ende allerdings nicht immer zum erwarteten Ziel. Wer mit einem Sparkonto unterwegs ist, hat das Risiko ausgeschaltet. Er wird langfristig garantierte Verluste einfahren durch Kaufkraftverluste. Wer ein wenig offener mit Risiken umgeht, geht vielleicht lieber ein leichtes Risiko ein und setzt das Geld, was er ohnehin verliert ein, um möglicherweise Gewinne zu machen.

Hierbei darf man eben nicht der Casino-Mentalität verfallen und alles auf eine Karte setzen. Das Zauberwort heißt „Diversifikation“ und selbst wer ein Wirecard im Depot hatte und diese konsequent befolgte hat gute Chancen auch in diesem Jahr nicht mit einem Minus nach Hause zu gehen. Nicht das Risiko vermeiden sollte das Ziel sein, sondern es zu managen und damit umzugehen.

Wer nun aber finanziell immer noch mit der Augenbinde über die Straße läuft wird dies natürlich anders sehen. Viel Erfolg dabei auch weiterhin ;)

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Nach einem sehr schönen, langen und anstrengenden Tag hier gestern auf der Chain, habe ich mir Abends gedacht, ich könnte doch ein wenig Risiko eingehen und Minen, weil der Markt gerade sehr volatil ist und viele Transaktionen im Bitcoin Netzwerk bearbeitet werden müssen.

Theoretisch. Das Risiko war dementsprechend hoch, das ich einen Totalverlust auf einem kleinerem Pool mache, wie schon öfter auch zuvor.

Aber, ich hatte das Glück, gleich zwei Blöcken mitbearbeitet zu haben. Also ist das eingesetzte Geld jetzt etwa 60% mehr als vorher.

"No Risk, No Fun". Wie Du schön zeigst, ist natürlich das Abschätzen lernen wichtig. Die Erfahrung sagt mir, das ich auch wieder mal mein Minus machen muss.

Liebe Grüße
Sascha

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