Was fällt, dass kommt auch wieder hoch

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Es gibt absolut keinen Zweifel daran. In den letzten beiden Tagen haben einige Leute wirklich sehr viel Geld verloren. Wer nicht ganz auf dem Mond lebt, wird sicherlich in den Mainstream-Medien etwas über den Wirecard-Skandal gehört haben. Um teilweise 60% stürzte die Aktie ins Tal hinab. Bereits seit längerem steht die Aktie massiv unter Druck, da es immer wieder Zweifel an der Richtigkeit der Bilanz gab.

Ab 2017 began der steile Aufstieg von Wirecard von knapp 50€ hinauf auf beinahe 200€. Ein Anstieg der Aktionäre natürlich verzückte und der Aktie seine Fans einbrachte. Dann ging es in mehreren Etappen auf und ab, da die Anschuldigungen aufkamen. Der Trend ging dabei klar leicht nach unten und man war nie so ganz sicher, ob sie nun wahr sind oder eben nicht.

Immer wieder gab es neue abenteuerliche Wendungen und die Börse trieb die Aktie wieder nach Norden. Ich selbst habe sie sehr aufmerksam beobachtet und hier ja sogar einmal geschrieben, dass ich auf einen Rebound bei 92€ per Zertifikat setzte. Allerdings eben nur mit dem Spielgeld und keiner echten Position und es lohnte sich sehr.

Denn es war nie wirklich klar, ob die amerikanische Finanzindustrie das Unternehmen tot sehen wollte oder eben wirklich ein Betrug vorlag. Gerade als Privatinvestor ein absolute Ding der Unmöglichkeit dies einzuschätzen. Gekauft habe ich sie am Ende nicht, weil ich nichts von Hype-Aktien halte. Redet jeder darüber, dann ist man meist gut beraten ein wenig Abstand einzunehmen. Denn so richtig geil, enden solche Geschichten meist nicht (na, gibt es noch Veggie-Burger da draußen? ;))

Allerdings lässt sich nicht von der Hand weisen, dass das Unternehmen interessant war. Ein Zahlungsdienstabwickler aus Deutschland in einem hoch lukrativen Markt mit interessanten Zahlen. Da ist klar, dass viele Leute (vielleicht auch von Euch?) durchaus darin investiert haben. Diese Leute verlieren viel Geld und müssen es nun mit Humor nehmen. Nicht jeder Trade wird eben gut und es gibt Rückschläge. In die Zukunft kann niemand sehen und entsprechend kann jeder Mal Pech haben (-48 % Drawdown habe ich ja auch schon gehabt).

Heute soll es eher um jene Leute gehen, die ich spöttisch immer als „Katastrophentouristen“ bezeichne. Jene Mitbürger, die durchaus bereit sind an der Börse aktiv zu werden und ein wenig Geld in der Kriegskasse haben. Wie die Geier kreisen sie über die Nachrichtenmagazine um dann blitzschnell zuzuschlagen, wenn irgendwo eine schlechte Nachricht ist.

Über 60% Drawdown in einer Aktie? Das sind ja mindestens garantierte 100% also am besten gleich rein mit einem Turbo Bull Boost Zertifikat mit einem Knockout knapp über den aktuellen Kurs ( *hust). Und tatsächlich waren diese Leute gestern auch wieder sehr aktiv. Alleine 5 Leute aus dem Bekanntenkreis haben mich eilig angeschrieben, ob man da nicht sofort zuschlagen solle?

Klassischer Fall von Gier frisst Hirn und einer großen FOMO-Welle ausgelöst durch die Berichtserstattung. Ich erkläre das immer ein wenig so, dass es ist wie bei ner Wanderung auf nem Berg. Neben einem stürzt einer ab und fällt den Berg herunter. Springt man dann gleich nach, weil er ja wieder hoch kommen muss? Wäre es nicht wesentlich besser, dann lieber nochmal zu warten und nachzusehen, ob er wieder hochfällt, anstatt gleich zu springen?

Halten wir uns den Fall mal genau vor Augen. Wirecard verschiebt abermals den Jahresabschluss nachdem mehrere Rechnungsprüfer bereits eine Entlastung abgelehnt haben. Dann kommt raus, dass man 2 Milliarden Euro verlegt hat. Der Vorstand gibt sich ahnungslos und erstattet Anzeige gegen Unbekannt. Da hat wohl jemand in die Tasche gegriffen. Gerade als Zahlungsdienstabwickler ein Offenbarungseid vor dem Herren.

Wenn jemand ¼ Eurer Wohnung rausträgt, würdet ihr das nicht mitbekommen? Hier liegt ein eindeutiger Betrug vor oder eine schiere Inkompetenz, die ebenfalls entsprechend geahndet gehört. Aus meiner Sicht hätte der gesamte Vorstand inklusive Aufsichtsrat erst einmal von der Staatsanwaltschaft einkassiert werden müssen, um sicherzustellen, dass hier keine Verdunklungsgefahr besteht.

Würdet ihr diesen Herren nun Geld in die Hand drücken? Wenn ja, dann seid ihr echt wahnsinnig! Ein Milliardenbetrug, scheinbar inkompetente Führung mit einem Schaden der noch gar nicht beziffert werden kann. Ein Unternehmen, dass so gut wie aus dem DAX raus ist, selbst wenn es profitabel im Kern agieren sollte.

Nicht alles, was abstürzt kommt auch automatisch wieder hoch! Man soll Stärke kaufen, was langfristig tragbar ist. Hier steht eine völlig unsichere Zukunft bevor. Mit Glück taucht das Geld irgendwo auf und das Geschäftsmodell ist solide und Wirecard überlebt den Skandal. Mit Pech sieht man aber nur die Spitze des Eisbergs. Klar, wer hier auf einen Rebound setzt, kann wirklich sehr viel Geld machen. Aber mit Investieren hat das dann nichts mehr zu tun!

Es ist ja nicht so, dass es nicht andere Unternehmen gibt, die in der Branche unterwegs sind und keine gangbare Alternative ist. Die Kurse werden nicht durch die Privatinvestoren gerettet werden, die nun zocken gehen. Sondern von den Institutionellen. Die eine Hälfte wird nun erklären müssen, wie man in so ein Unternehmen Geld reinstecken konnte… die andere wird einen Teufel tun und noch Geld nachschießen.

Woher soll also das Kursfeuerwerk nun kommen? Pfoten weg, die ganze Volatilität und Drama sein Ding machen lassen und sobald der Markt massive Gegenbewegungen macht und die Show vorbei ist, kann man vorsichtig sehen, ob man dort rein kann. Aber um Himmels Wille! Geht nicht in solchen Situationen rein!

Und fast als hätte ich eine Glaskugel gehabt ging es um über 30% nochmal nach unten. Selbstverständlich haben auch einige nicht auf meinen Rat gehört und riefen entsetzt an, wie das den nur sein kann! Die sind ja schon so abgestraft worden! Wäre es an der Börse doch nur so leicht, dass man einfach nur abgestrafte Unternehmen aufkauft und dann schnell reich wird. ;)

Lasst die Finger von Katastrophen-Aktien! VW in der Krise also rein! Lufthansa in der Krise also rein! Deutsche Bank legt ein desolates Ergebnis vor: KAUFEN! Denn was runter geht, muss ja auch wieder hoch! Vollkommender Blödsinn! Wenn einem Crash die Kurse solider Unternehmen burzeln und das Geschäftsmodell intakt bleibt, kann man gerne ein wenig mit Discount shoppen gehen.

Aber wenn die Butze brennt und der Makler davor einen günstigeren Preis rausschreit, dann kommt man doch nicht auf die Idee, dass man ein Schnäppchen schlagen kann! Wer ständig nur Katastrophen kauft, muss sich nicht wundern, wenn er diese dann auch in seinem Depot vorfindet.

Schade ist dies nun wieder, weil Wirecard damit all das zunichte macht, was viele seit Jahre versuchen zu verändern: Die Deutschen wieder an die Börse zu kriegen. Denn hängen bleiben wird wieder bei den meisten Bürgern, dass man an der Börse sein Geld verbrennt und sowieso nur Kriminelle unterwegs sind. Schade, dass man immer nur etwas über die Börse liest, wenn es sich um negative Schlagzeilen handelt :-/