Das Mittel zum wirklichen Frieden

in Deutsch D-A-CH2 years ago

csm_Stoeving_Portraet_Nietzsche_283fcb5783.jpg

Keine Regierung gibt jetzt zu, daß sie das Heer unterhalte, um gelegentliche Eroberungsgelüste zu befriedigen; sondern der Verteidigung soll es dienen. Jene Moral, welche die Notwehr billigt, wird als ihre Fürsprecherin angerufen.

Das heißt aber: sich die Moralität und dem Nachbar die Immoralität vorbehalten, weil er angriffs- und eroberungslustig gedacht werden muß, wenn unser Staat notwendig an die Mittel der Notwehr denken soll; überdies erklärt man ihn, der genau ebenso wie unser Staat die Angriffslust leugnet und auch seinerseits das Heer vorgeblich nur aus Notwehrgründen unterhält, durch unsere Erklärung, weshalb wir ein Heer brauchen, für einen Heuchler und listigen Verbrecher, welcher gar zu gern ein harmloses und ungeschicktes Opfer ohne allen Kampf überfallen möchte.

So stehen nun alle Staaten jetzt gegeneinander: sie setzen die schlechte Gesinnung des Nachbars und die gute Gesinnung bei sich voraus. Diese Voraussetzung ist aber eine Inhumanität, – so schlimm und schlimmer als der Krieg: ja, im Grunde ist sie schon die Aufforderung und Ursache zu Kriegen, weil sie, wie gesagt, dem Nachbar die Immoralität unterschiebt und dadurch die feindselige Gesinnung und Tat zu provozieren scheint. Der Lehre von dem Heer als einem Mittel der Notwehr muß man ebenso gründlich abschwören als den Eroberungsgelüsten. Und es kommt vielleicht ein großer Tag, an welcher ein Volk, durch Kriege und Siege, durch die höchste Ausbildung der militärischen Ordnung und Intelligenz ausgezeichnet und gewöhnt, diesen Dingen die schwersten Opfer zu bringen, freiwillig ausruft: "wir zerbrechen das Schwert" – und sein gesamtes Heerwesen bis in seine letzten Fundamente zertrümmert.

Sich wehrlos machen, während man der Wehrhafteste war, aus einer Höhe der Empfindung heraus, – das ist das Mittel zum wirklichen Frieden, welcher immer auf einem Frieden der Gesinnung ruhen muß: während der sogenannte bewaffnete Friede, wie er jetzt in allen Ländern einhergeht, der Unfriede der Gesinnung ist, der sich und dem Nachbar nicht traut und halb aus Haß, halb aus Furcht die Waffen nicht ablegt.

Lieber zugrunde gehn als hassen und fürchten, und zweimal lieber zugrunde gehn als sich hassen und fürchten machen, – dies muß einmal auch die oberste Maxime jeder einzelnen staatlichen Gesellschaft werden! – Unsern liberalen Volksvertretern fehlt es, wie bekannt, an Zeit zum Nachdenken über die Natur des Menschen: sonst würden sie wissen, daß sie umsonst arbeiten, wenn sie für eine "allmähliche Herabminderung der Militärlast" arbeiten. Vielmehr: erst wenn diese Art Not am größten ist, wird auch die Art Gott am nächsten sein, die hier allein helfen kann. Der Kriegsglorien-Baum kann nur mit einem Male, durch einen Blitzschlag zerstört werden: der Blitz aber kommt, ihr wißt es ja, aus der Höhe.

Quelle: Nietzsche, Friedrich Wilhelm. Der Wanderer und sein Schatten. Kapitel 47 (1880)

Sort:  

Wenn jeder Staat sein Heer nur auf eigenem Boden einsetzen würde, wäre der Weltfrieden erreicht. Man müsste dafür zwangsläufig und automatisiert jeglichen Auslandseinsatz ächten und sanktionieren, mit z.B. sofortigem Ausschluss aus dem internationalen Geldüberweisungssystem. Leider haben einige Staaten (verdeckte) Auslandseinsätze seit vielen Jahren als Standardverfahren im Repertoire zur Erreichung ihrer geostrategischen Ziele. Ohne, dass das jemals sanktioniert worden wäre.

Es ist das Recht des Stärkeren, das uns in der Schulen immer als undemokratisch angezeigt worden ist. Dabei sind es in der Hauptsache demokratische Staaten, die seit Jahrzehnten die von dir angesprochenen "speziellen Operationen" veranlassen und durchführen. Ein blinder Fleck der öffentlichen Wahrnehmung.

Einem Frieden entgegen, und somit aus dem immerwährenden Schatten der Kriegsgelüste heraus, träten wir einzig und alleine, wenn wir unsere intimsten Gelüste abrüsten würden. Unserem insgeheim angehäuftes Arsenal an zerstörerischen Gedanken einer emotionslosen Überprüfung Tür und Tor öffnen würden und den Halbsatz aus unserem Repertoire streichen, der da lautet:
Wenn ich das Sagen hätte, ...
Solange ich meinem Nachbarn nicht die Butter auf dem Brot gönne, ihn noch nicht einmal um eine Kostprobe bitte, sondern ihm lediglich den Genuss zukünftig und für alle Zeiten zu vermiesen gedenke, bleibt die Suche nach dem Schuldigen auf politischen Ebenen ein Ablenkungsmanöver mit dem Beigeschmack der Selbsweihräucherung.
@stayoutofherz und du, ihr habt beide den philosophischen Ursprung gewählt, um einen Denkprozess einzuleiten. Nur bleibt auch das Stückwerk, wenn wir alle unsere diesbezüglichen Gedanken nicht zu Ende führen. Sehr kritische Nachfragen sind dabei äußerst willkommen - und garantiert hilfreich!

Das hast Du gut niedergeschrieben: "Gelüste abrüsten"

Nun ja, das Geheimnis ist wohl, aus meiner Sicht, Akzeptanz. Akzeptanz von allem was ich als Mensch selbst nicht beeinflussen kann. Dazu gehört die Butter auf Nachbars Brot und dazu gehören auch die Ideen meiner Mitmenschen in eben deren Köpfen.

Die Welt kann nur besser werden, wenn man selbst vorlebt was man für besser hält. Wer dieses Verhalten nachahmt, hält wohl meine Handlungsweise für ebenso wertvoll wie ich.

Der Parteiergreifungszwang macht viele Menschen krank. Das Entweder-Oder-Prinzip ist ein willfähriges Machtmittel. Das Denken in dieser Kategorie erzeugt Armeen von unfassbarer Größe und mit unfassbarem Zerstörungspotential.

Das Vertrauen in die Welt und die Mitmenschen scheint mir der bessere Weg in eine Richtung ohne Staat und ohne seine Kriege zu sein.

Akzeptanz von allem was ich als Mensch selbst nicht beeinflussen kann - auch die Ideen meiner Mitmenschen in eben deren Köpfen

Dies zu erreichen, darf wohl getrost als Mammutaufgabe bezeichnet werden, an der das Scheitern par excellence demonstriert werden kann (wird).
Zweifel dürften auch bei der Theorie angebracht werden, ob wir zwangsläufig einen Staat benötigen, um unsere kriegerischen Gedanken in Taten fließen zu lassen?
Ich bin zu der Erkenntnis gelangt, dass unsere Hirnströme nicht ausreichend geerdet sind. Die Folge, was wohl jeder mittelmäßig ausgebildete Elektriker bestätigen kann, verheerende Kurzschlüsse im Minutentakt.

Die Folge, was wohl jeder mittelmäßig ausgebildete Elektriker bestätigen kann, verheerende Kurzschlüsse im Minutentakt.

😹

Dear @eisenbart, we need your help!

The Hivebuzz proposal already got important support from the community. However, it lost its funding a few days ago and only needs a few more HP to get funded again.

May we ask you to support it so our team can continue its work this year?
You can do it on Peakd, ecency,

Hive.blog / https://wallet.hive.blog/proposals
or using HiveSigner.
https://peakd.com/me/proposals/199

Your support would be really helpful and you could make a difference.
Thank you!