Egon war jetzt der Held

in Deutsch D-A-CH3 years ago

und ganz gleich wo er auftauchte, es wurde ihm zugejubelt. Ihm selber war das peinlich und er war oft so gerührt, dass er weinen musste. Er hat sich deshalb eine große Sonnenbrille machen lassen. Offiziell weil ihm die Sonne in den Augen wehtat, immerhin hatte er fast sein ganzes Leben unter der Erde bei völliger Dunkelheit verbracht und das einzige Licht, das er gekannt hatte, war das von seinem Drachenfeuer. In Wirklichkeit aber sollte niemand seine Tränen sehen. Drachen weinen nicht. Sollte man jedenfalls meinen. Aber eines Tages hatte ihm ein kleines Mädchen einen kleinen hölzernen Drachen gezeigt, den der Herrgott Schnitzer von Haibach hergerichtet hatte und den sie „Grisu“ genannt hat. Das war zu viel für ihn und er hat hemmungslos geschluchzt vor lauter Rührung. Freilich hat er gesagt, dass die Eichenstämme, die er mit seinem Feuer zerlegt hat, so geraucht hätten, dass er nun „ein wenig eine Augenentzündung“ habe. In Wirklichkeit wars aber die Rührung darüber, dass ein Herrgott Schnitzer ihn, den Drachen, geschnitzt hatte!
Er war jetzt berühmt! So berühmt, dass der Bürgermeister von Trattenbach im Gemeinderat den Antrag eingebracht hat, den Ort auf „Drachenbach“ umzubenennen. Da hat es dann einen Wirbel gegeben, die Frauen von Trattenbach waren nämlich als ziemlich unfreundlich bekannt und man hat sie insgeheim Drachen genannt. „Wenn du den Antrag nicht zurückziehst“, schrie das Eheweib des Bürgermeisters, „dann wirst du mich kennenlernen!“ Nun, er kannte sie ja eh schon zur Genüge, auf noch mehr Details gelüstete ihn wenig. Der Antrag wurde also zurückgezogen.
Da fällt mir ein alter Freund ein, der Martin aus Münzkirchen. Der hat eine böse Nachbarin. Um sie zu ärgern, hat er ein Schild machen lassen mit der Aufschrift „Kanaillengasse“. Das hat er wie ein normales Straßenschild montiert. Irgendwann sind die Leute von Google vorbeigekommen und schon war die Kanaillengasse in allen Navigationsgeräten gespeichert.
Aber zurück zu unserem Drachen Egon. Ein Maultrommelhersteller aus Molln hatte ihm beim Zerlegen der Eichstämme mit seinem punktgenauen Drachenfeuer zugesehen. Der holte ihn nun zeitweise in sein Werk und Egon lernte hier das Punktschweißen. Auch nach St. Roman hat er immer wieder müssen. Da waren es die eisernen Ringe der Eisstöcke vom Echtlwagner, die zusammengeschweißt werden mussten. Damals konnte man jeden Winter mindestens sechs Monate Eisstockschießen, ihr wisst schon warum, und da war Egon auch als Kachelofenanzünder gefragt.
eisstock-3.jpg
Alle haben sich gefreut, wenn er dahergekommen ist. Man erkannte ihn ja schon von Weitem an seiner karierten Strickkappe und der riesigen Sonnenbrille.
Aber dann ist auch der Egon alt geworden und das Herumwandern ist ihm zu beschwerlich geworden. Außerdem waren auch die Winter nicht mehr so kalt und die Nachfrage nach Drachenfeuer hat sich gelegt. Der Egon hat sich dann zurückgezogen, in die Nähe von Kleinreifling. Aber das ist eine andere Geschichte!

Gute Nacht kleine Freunde!

Sort:  

Congratulations @kaeptn-iglo! You received a personal badge!

Happy Hive Birthday! You are on the Hive blockchain for 2 years!

You can view your badges on your board and compare yourself to others in the Ranking