Links und Rechts a la Konkin

in Deutsch D-A-CH3 years ago (edited)

Liebe Hive-Gemeinde,
Liebe Freiheitsfreunde,
Liebe Freiheitsfeinde,
Liebe Linke,
Böse Rechte,
Liebe Mittelmänner (m/w/d),

es wird ja immer viel gestritten, wer links und wer rechts ist.
Als ich aufgewachsen bin, war links noch böse und rechts von der CSU war nur noch die Wand (laut FJS).
Heutzutage ist rechts ultraböse und die Guten sind alle in der Mitte (und links ist natürlich auch gut).

In den 60er Jahren kam ein kanadisches Wunderkind (heute würde man Nerd sagen) mit dem Namen Samuel Edward Konkin III., welches zahlreiche Klassen übersprungen und etliche Nachwuchswissenschaftspreise gewonnen hatte, mit einem Chemie Stipendium nach New York.
Seine Vorfahren waren Angehörige der Doukhobors (eine radikal pazifistisch-christliche Sekte).
Weil diese Religionsgemeinschaft sich weigerte Wehrdienst zu machen, wurden sie aus Russland rausgeschmissen und kamen mit der Hilfe von Leo Tolstoy Kanada.

Ich schweife ab...also zurück zu Konkin.

Wunderkind.
Naja vom Aussehen her....

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Also gut, er sollte in New York seine Doktorarbeit schreiben.
Hat er auch gemacht, aber nicht abgegeben, weil er auf keinen Fall für den militärisch-industriellen Komplex arbeiten wollte.

Er lernte in New York den späteren Sciene-Fiction Author J. Neil Schulman kennen und kam über ihn mit der ganzen Avantgarde der libertären/anarchistischen Szene zusammen.
Murray Rothbard, Ayn Rand, Robert LeFevre, Karl Hess, Robert Nozick, usw.

Er arbeitete als Setzer und Grafik-Designer (natürlich nur schwarz) für zahlreiche Zeitungen und Verlage und gab auch selbst einige Zeitschriften und Newsletter heraus.

1975 übersiedelte er mit seiner Gang (J. Neil Schulman, der spätere Kongressabgeordnete Dana Rohrabacher, Brad Linaweaver, u.a.) nach Kalifornien, wo sie das Anarcho Village gründeten, dem auch der Science Fiction Autor Victor Koman angehörte.

Zusammen gaben sie dann zahlreiche Zeitschriften und Newsletter heraus.
Alle unter dem Namen New Libertarian (New Libertarian, New Libertarian Weekly, New Libertarian Notes, usw.).
Zahlreiche bekannte/berühmte Autoren hatten darin regelmäßige Kolumnen (z.B. Robert Anton Wilson, Robert Heinlein, die Feministin Wendy McElroy.

Sogar ein damals noch junger Stefan Blankertz durfte in den 80ern einige Artikel schreiben.

Natürlich waren dies keine Hochglanzpublikationen.
Vielmehr waren diese Zeitschriften trashige Newsletter im Format von Schülerzeitschriften aus den 80er Jahren.

Das ganze Archiv gibt es übrigens hier

Sam Konkin gilt als Begründer des Agorismus und hasste den Staat.
Vor allem hasste er das US Imperium und unterstütze im Prinzip alle, die sich der aggressiven US Außenpolitik entgegenstellten.

Seine Strategie war durch Counter Economics den Staat zu Fall zu bringen.
Politik hasste er und lehnte jede Form von politischer Beteiligung ab.

Für ihn bestand der Markt aus folgenden Bestandteilen:

1. White Market: Alles was vom Gesetz her erlaubt ist und unter den Augen des Staates stattfindet, also besteuert wird.
2. Grey Market: Alles was vom Gesetz her erlaubt ist, aber schwarz gemacht wird.
3. Black Market: Alles was vom Gesetz her verboten ist, aber freiwillig geschieht und keinem Dritten schadet (z.B. illegale Prostitution, Glücksspiel, Drogenhandel, Schmuggel)
4. Red Market: Alles was vom Gesetz her verboten ist, aber durch Zwang oder Gewalt geschieht (z.B. Auftragsmord, Schutzgelderpressung)

Im White Market herrscht der Staat und im Red Market die Mafia, deshalb lehnte er diese beiden ab.
Sein Ziel war es, dass der Grey and Black Market irgendwann so groß wird, dass der Staat in sich zusammenfällt.

Nachlesen kann man seine Theorie/Strategie kostenlos in seinem ersten Buch New Libertarian Manifesto oder An Agorist Primer oder The last Whole Introduction to Agorism.
Sein Buch Counter Economics wurde leider nicht mehr ganz fertig und wurde nach seinem Tod (unfertig) von Victor Koman herausgegeben.
Es kostet nur 99 Cent.

Wer wissen will, wie es aussehen könnte, wenn die Agoristen übernehmen kann den Roman Alongside Night von dem kürzlich verstorbenen J.Neil Schulman lesen.
Kostet auch nur 99 Cent.

Nun aber genug der Vorrede und zurück zum eigentlichen Thema.

Links und Rechts

Für SEK3 waren alle, die gegen den Staat waren links und alle die für den Staat waren rechts.
In einer seiner Zeitschriften hat er ein sehr interessantes Schema herausgebracht, auf dem sich auch einige deutsche Namen befinden.

Interessant für die Freunde der Mitte dürfte sein, dass sich Rudi Dutschke und die RAF in Konkins Welt genau in der Mitte befinden.
Bundeskanzler Helmut Schmidt befindet sich ganz rechts.
Die Agoristen natürlich ganz links.

Zur besseren Lesbarkeit habe ich das Bild gedreht.
Links ist ganz oben und rechts unten.

Hier der ganze Artikel:

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Also dann, jetzt wisst ihr wo ihr steht.

Stephan Haller

P.S. Wer noch mehr über Konkin erfahren will bzw. wie es damals so war, hier die Abschiedsfeier, die zu seinem Tod im Jahre 2004 von J.Neil Schulman veranstaltet wurde.
Mit Reden von zahlreichen seiner Zeitgenossen:

Hier ein Interview mit Victor Koman:
https://podcasts.apple.com/de/podcast/the-agora/id1433989990?l=en&i=1000457132599

Hier ein Interview mit J. Neil Schulman:
https://podcasts.apple.com/de/podcast/the-agora/id1433989990?l=en&i=1000421105351

Update 06.12.2020

Ich habe jetzt mal mit Victor Koman Kontakt aufgenommen und mich sehr nett mit ihm unterhalten.
Mal schaun, vielleicht mache ich ein Interview mit ihm...

Sort:  

Endlich darf ich auch mal ultralinks sein, wenn auch nur für Herrn Konkin. Der kann es leider nicht mehr bezeugen!
Rechts ist jeder, der mir auf den Sack geht mir irgendwelchen Gesetzen und mich ausplündert, obwohl ich niemandem was Böses tue und keinen störe in seinem Tun. Diese Penner und ihre Günstlinge nennen aber nun den armen Leroy rechts, und die sind mehr als ich!
Was also tun, sprach Genosse Lenin. Der gute Mann wusste Rat!

Da Du Russisch kannst, bist Du sowieso höchst verdächtig einer von Putins Agenten zu sein.
Für Konkin waren die Sowjets rechts, Putin (und Seine Agenten) gilt heute für den Mainstream auch als rechts.
Also passt es doch wieder.

Gerne wäre ich einer von Putins Agenten, aber ich wurde leider noch nicht angeworben. Für einen Pass der Russländischen Föderation wäre ich zu einigem bereit! Wenn Du Dich nicht für Politik interessierst, lebst Du da drüben deutlich freier als bei uns. Wirtschaftlich gesehen sind die ohnehin extrem liberal. Von daher wäre das Putinregime vermutlich für unseren obigen Helden deutlich weiter links als die sowjetischen Poststalinisten.

es wird ja immer viel gestritten, wer links und wer rechts ist.

Ist das so?

Der Kompass ist porös. Die Debatte ist müßig.
Deine Herleitung ist dennoch äußerst unterhaltsam - trotz ironischem Unterbau.

Die Debatte hatten wir ja hier auch schon oft.
Die einen sagen die Nazis waren links und argumentieren mit ihrer frühen Wirtschafts-und Sozialpolitik.
Die anderen sagen die Nazis waren rechts und argumentieren mit ihrem Nationalismus. usw.
Konkins Einteilung ist für mich die schlüssigste.
Neben Karl Hess war er der einzige Libertäre, der das was er gepredigt hat, zu 100% gelebt hat.
Er lebte nach dem Studium die ganze Zeit illegal in den USA und hat nie einen Pfennig Steuern bezahlt.
Selbst als er einmal niedergestochen wurde, hat er nicht die Polizei geholt.

Er wäre wohl heute Bitcoin Maximalist.

Selbst als er einmal niedergestochen wurde, hat er nicht die Polizei geholt.

Klingt nach Familienclan oder einem Hells Angels codex.

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Woran ist er denn gestorben? Geselbstmordet, verunfallt? Drogen?

Er wurde Tod in seiner Wohnung gefunden.
Todesursache war “natural causes”.
Was immer das auch heißt.
Illegale Drogen hat er meines Wissens nicht konsumiert. Nur Bier und Pfeife geraucht.
Aber 56 ist doch recht früh, um zu sterben.
Aber wenn man sich die letzten Fotos von ihm anschaut, sah er nicht sehr gesund aus.

Wahrscheinlich Herzinfarkt, würde ich sagen.

Brille mit Blaufilter - vielleicht hatte er auch noch eine degenerative Netzhauterkrankung.

Wenn eine Obduktion stattgefunden hat, sollte es auch einen Bericht dazu geben.

Erinnert vom Habitus ein wenig an Uruguru. Herzinfarkt wäre denkbar - aber ebenso jede andere Todesursache.

Sei´s drum - er hat die irdischen Fesseln hinterlassen.

Beste Grüße.

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Na, ich weiß nicht. Fühle mich jedenfalls nicht sehr wohl dabei, mit Roten Brigaden zusammengeworfen zu werden. Deren Kommunismus scheint mir doch sehr wenig mit Minarchismus zu tun zu haben, wie ich ihn mir vorstelle.

Konkin war übrigens der Erfinder des Begriffs Minarchismus.
Von ihm war er abwertend gemeint.

Über die Roten Brigaden weiß ich zu wenig. Nur das was ich im Studium darüber gelernt habe und das kann man vergessen.
Aber scheinbar wollten sie eine ähnliche Staatsquote wie die Minarchisten und sind deshalb auf der Skala dort gelandet.

Konkin hatte übrigens auch keine Berührungsängste mit Anarchosyndikalisten. Er war sogar Mitglied bei den Wobblies (Industrial Workers of the World).

Nunja, die Roten Brigaden sahen sich als Kommunisten. Es mag ja von der Theorie her Kommunismus ohne Staat geben, aber wie das funktionieren soll, ist mir unklar. Aber egal, ist halt alles politische Theorie. & da möchte ich lieber nicht allzu tief hineintauchen.

Von den Wobblies hatte ich noch nie gehört. Scheinen auch eher bedeutungslos zu sein, haben aber in den letzten Jahren deutlichen Zulauf. (Trump sei Dank?) Man lernt nie aus.

Die Wobblies waren Anfang des 20. Jahrhundert sehr stark.
Dass sie heute wieder Zulauf haben, dürfte wohl daran liegen, dass die Arbeiter langsam merken, dass die anderen Gewerkschaften nicht auf ihrer Seite stehen.

Staatenloser und dezentraler Kommunismus ist der einzige, der funktionieren kann.
Schau Dir mal das spanische Unternehmen Mondragon an (eine Arbeitergenossenschaft).
So kann es gehen.
Oder google “everyday communism by David Graeber”

Hmm, wie gesagt, mit politischer Theorie möchte ich mich lieber nicht beschäftigen (v.a. da ich im Augenblick auch so genug Frust habe), aber sowas wie Mondragon würde ich nicht als kommunistisch bezeichnen. Derartige Kooperativen sind auch nicht so ungewöhnlich & gibt es in diversen Formen, denke ich.
Natürlich hatte ich aber nicht an die simpelste Form des Kommunismus gedacht, als ich meinen letzten Kommentar schrieb: die Kommune (sprich: staatenlos & dezentral). Die 70er haben aber auch da gezeigt, daß das nur mit viel Idealismus zeitweise funktionieren kann.

Genau wie dem Libertarismus steht dem Kommunismus die menschliche Natur im Wege.

schön aufbereitet, mir gefällt dein Hintergrundwissen.

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