Weinende Schnittblumen

in Deutsch D-A-CH3 years ago

Auf meinem Tisch stehen Blumen. Ein Geschenk von mir an mich. Ich habe mir weiße Rosen und Nelken gewünscht, zum Baden, wie eine Bourgeoise. Ich warte bis die Nelken ihre Knospen geöffnet haben, einen Tag dürfen sie blühen, dann köpfe ich sie. Ins heiße Badewasser gebe ich ein bisschen Lavendelöl, einen Liter Heumilch und die Köpfchen der armen Schnittblumen.

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Sind Schnittblumen traurig? Wir wissen es nicht, niemand hat nach ihrer Meinung gefragt.

Wilde Blumen wachsen an nahen und entlegenen Orten. Sie sprießen aus dem Boden hervor und müssen Stärke beweisen. Sie werden nicht gehegt, gepflegt und gedüngt. Eine wilde Pflanze wird jedes Jahr größer, kräftiger und erblüht schließlich; alles aus eigner Kraft. Sie ist stolz auf ihre Blüte, weil Betrachter und Spaziergänger an ihr vorbeigehen, stehenbleiben, sich an ihr erfreuen, an ihr riechen und die Blüte als Vorgang loben. Sie ist authentisch, widerspenstig und unverkäuflich. Will man der Welt ein Geschenk geben, so kann man einen Samen setzten und gut auf ihn aufpassen und ihm zusehen, wie er stetig wächst und erstarkt.

Die Schnittblume wird mit vielen anderen Blüten auf Stöcken auf gedrängten Feldern und in überfüllten Hallen großgezogen. Sie wird gefüttert, mit Gift bespritzt, durch den Schnitt getötet, und nach Schönheit selektiert. In einem dunklen Transporter wird sie über Schnellstraßen gefahren. Tote Schnittblumen stehen überall in der Stadt in schwarzen Kübeln mit gesalzenem Wasser. Viele Leute kaufen Schnittblumen um über Gefühle wie Trauer, Wut, Freude oder Liebe zu sprechen, weil ihnen die Worte fehlen. Was soll aber eine tote Blume sagen?

Liebe ist bedingungslose Hingabe, auch wenn der andere stumm ist. So ist es auch mit den Pflanzen, wenn man denn eine hält. Täglich gießen, in die Sonne stellen, gut zureden, dann wächst sie, sagt man. Auch wenn man das tut, wird sie manchmal den Kopf hängen lassen, wie eben auch die Liebe.

Ich denke über Blumen nach und betrachte die Blumen auf meinem Tisch. Schön sind sie allemal, aber leer und traurig, emotionslos, fast wertlos. Deshalb fühle ich auch kein schlechtes Gewissen im Gedanken, dass ich ihre Köpfchen abreißen werde.

Jetzt wo ich nachgedacht habe: Das ist das letzte Mal. Ich werde aus Protest keine Schnittblumen mehr kaufen. Ich habe noch so viel zu lernen…

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Es hat alles seine Berechtigung. Wenn es keine Schnittblumen gäbe, ist es viel schwerer seine Liebste auf Rosen zu betten.