Eine kleine Reise durch die Seuchen vergangener Zeit

in #corona4 years ago

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Vorwort

Wer hier bereits eine Weile mitliest, wird sicherlich mitbekommen haben, dass ich ein Faible für Geschichte habe. Ich finde es unglaublich interessant in alten Texten und Geschichten der Menschheit herum zu graben. Nicht um etwas über die Vergangenheit zu erfahren, sondern um etwas über die Zukunft zu erfahren.

Denn die Arroganz des modernen Menschens ist es zu denken, dass seine Vorfahren dümmer gewesen sind. Sie einfach in einer primitiveren Zeit aufgewachsen sind und nicht moderne Technologien zur Verfügung stehen hatten. Wir reden uns ein, dass diese dann auf Grund von Bildung irgendwelchem Irrglauben aufgelegen haben.

Das berühmteste ist wohl, dass man geglaubt hat, dass die Erde eine Scheibe sei. Kaum jemand mit etwas Bildung hat dies selbst im Mittelalter ernsthaft in Erwägung gezogen. Nur einige Spinner haben wirklich daran geglaubt. Doch nun ein paar Jahrhunderte später zeigen wir lachend auf eben diese Spinner und tun so als hätte die ganze Welt so gedacht, obwohl jeder mit Zugang zu wissen durchaus bewusst gewesen ist, dass dies bereits in der Antike recht gut untersucht war und diese Texte auch noch vorlagen.

Dabei hätten unsere Vorfahren uns vermutlich wegen der kleinen Corona-Krise ausgelacht. Einige größere Seuche nur alle paar hundert Jahre und alle tun so als würde die Welt untergehen? Da war man mancher Orts froh, wenn nicht alle paar Jahre irgend eine furchtbare Seuche durchs Land zog und ganze Städte entvölkerte. Daher heute einmal ein paar Blicke auf ältere Texte ;)

Fall 1

“Eine merkwürdige Krankheit mit epidemischem Charakter ist in Madrid aufgetreten. Die Epidemie ist von milder Natur, Todesfälle werden bislang keine gemeldet.“

Würde man diese Nachricht vermutlich jemanden vorlegen ohne das Vorwort vorher gelesen zu haben, würde man es für eine moderne Nachricht halten. Es könnte vermutlich genauso gut aus dem Februar 2020 stammen als man noch nicht bei Corona den Status einer Pandemie ausgerufen hätte. Wem der Stil der Meldung bekannt vorkommt ... ja, es ist tatsächlich die einer Presseagentur. Nämlich von Reuters.

Allerdings eben nicht zu Corona, sondern vielmehr aus dem Jahre 1918. (https://www.deutschlandfunk.de/spanische-grippe-schlimmer-als-corona.1148.de.html?dram:article_id=474389). Diese ist hingänglich unseren (Ur-)Großeltern bekannt gewesen, da es eben eine schreckliche Seuche war, die unmittelbar nach einigen der harten Kriegsjahre ausgebrochen war.

Über die Zahl der Toten streiten sich die Historiker bis heute. Man geht gesichert von um die 50 Millionen Toten aus, was die spanische Grippe somit zu der bislang tödlichsten Seuche macht, die über die Menschheit herein gebrochen ist. Nicht einmal der berühmte schwarze Tod kam daran, wenn gleich dies vermutlich eher an der Anzahl der Population selbst lag.

Besonders interessant eben auch der Stil wie Reuters die Grippe damals zu Beginn hoffnungslos unterschätzte und betonte, dass es ja keine Toten geben würde.

Fall 2

“Nachmittags nach Whitehall … von wo mich meine Frau abholte. Im ‚Weltuntergang‘ eingekehrt, sehr lustig.“

Eine Nachricht wie sie hätte eigentlich auch in einem modernen Twitterstream hätte stehen können. Komprimierte Information, scheinbar logistisches Chaos in Bezug auf die Familienzusammenführung, dazu ein sarkastischer Unterton! Endlich im Weltuntergang angekommen! ;)

So ähnlich würde vermutlich auch jemand es in der heutigen Zeit sagen, wenn man sein Dorf in Quarantäne stecken würde. Doch wer hier eben eine Internetnachricht zu sehen wähnt, irrt sich gewaltig. Vielmehr handelt es von einem wichtigen Zeitzeugen des 17. Jahrhunderts. Präziser gesagt einem der Londoner Pest aus dem Jahr 1669 und ist einer der letzten Tagebuch Einträge des Schreibers.

Es wäre sehr bedrückend gewesen, wenn die Person danach wirklich an der Krankheit gestorben wäre. Vielmehr ist Samuel Pepys (https://www.deutschlandfunkkultur.de/vor-350-jahren-samuel-pepys-letzter-tagebucheintrag.932.de.html?dram:article_id=450142) allerdings erst 1703 tatsächlich gestorben. Er gilt aber bis heute als einer der wichtigsten Zeitzeugen, da er die damalige Vorkommnisse sehr detailiert und genau in seinem Tagebuch beschrieben hat. Dies hat er als Geheimschrift verfasst, um es unter Anderen auch vor seiner Frau zu verstecken.

Ungeahnt offen und schonungslos beschrieb er daher was passierte und seine Tagebücher wurden erst ca. 100 Jahre nach seinem Tod wiedergefunden und entschlüsselt. Entsprechend begeistert zeigten sich die Entdecker über diesen sensationellen fund.

Fall 3

“Weh mir, was muss ich erdulden? Welche heftige Qual steht durch das Schicksal mir bevor? Ich seh´ eine Zeit, in der sich die Welt rasend ihrem Ende nähert; wo Jung und Alt um mich herum in Scharen dahinsterben. Kein sicherer Ort bleibt mehr, kein Hafen tut sich mir auf. Es gibt, so scheint es, keine Hoffnung auf die ersehnte Rettung. Unzählige Leichenzüge seh‘ ich nur, wohin ich die Augen wende und sie verwirren meinen Blick. Die Kirchen hallen von Klagen wieder und sind mit Totenbahren gefüllt. Ohne Rücksicht auf ihren Stand liegen die Vornehmen tot neben dem gemeinen Volk. Die Seele denkt an ihre letzte Stunde und auch ich muss mit meinem Ende rechnen“.

Hier merkt man bereits an der Schreibweise her, dass es ein wesentlich älterer Text sein muss. Die Wortwahl entspricht nicht dem, was man von einem modernen Mesnchen erwarten würde. Dennoch ist das Thema was behandelt wird, vermutlich top aktuell und sollte jedem Menschen der in der aktuellen Krise Angst hat etwas halt geben.

Der Text geht auf den italenischen Humanisten Petrarca Epist zurück, der 1348 Augenzeuge des schwarzen Todes wurde bei dem ca. 1/3 der Bevölkerung dahin raffte. Keine 5%, sondern das Leben um sich herum völlig neugeordnet hat und man sich fast sicher von einem Großteil seiner Freunde hätte verabschieden müssen.

Auch dieser Author überlebte die Krise, musste allerdings miterleben wie seine Geliebte Laura eben dieser schrecklichen Krankheit zum Opfer fiel. Sein Brief „Ad se ipsum“ den er nach ihrem Tode schrieb, zeigt einen schwer gebrochenen Mann ein inneres Selbstgespräch, das an seiner Aktualität kaum eingebüsst hat.

Fall 4

„Etliche bluten zu der Nasen, bis sie dämisch (besinnungslos) werden, etlich haben ein so heftige Strauchen (Schnupfen), dass sie schier das Gehör verlieren“, berichtete ein Zeitgenosse. Und eine Äbtissin schrieb über die „seltsam Krankheit“, dass „drei in 25 Stunden gestorben sein … selbst die jungen starken gehen um wie die Halbtoten … Es möcht Gott erbarmen, das man so gar kein Hilf von ihnen (den Ärzten) hat“

Hier ist es nicht ganz so einfach einen Augenzeugenbericht zu finden. Die Krankheit, die hier beschrieben wurde ist der sogenannte englische Schweiß, der kurz nach den Rosenkriegen in England ausgebrochen war. Besonders erschreckend für die Menschen der damaligen Zeit war, dass die Inkubationszeit sehr gering war. So gibt es berichte wie junge Kämpfer plötzlich der Schweiß auf der Stirn stand und sie keine 24 Stunden später bereits tot waren.

Davor waren sie vollkommen symptomfrei gewesen und schien es nun gerade auf kräftige und gesunde Menschen abgezielt zu haben. Trotzdem leisteten die Ärtze der damaligen Zeit eine sehr gute Arbeit und dokumentierten die Krankheit sehr genau. Insbesondere John Caius überlieferte der Nachwelt eine genaue Beschreibung:

„Die Krankheit begann sehr plötzlich mit einem Gefühl der Besorgnis, gefolgt von kalten Schauder (manchmal sehr heftig), Schwindel, Kopfschmerzen und starke Schmerzen im Nacken, Schultern und Gliedmaßen, mit großer Erschöpfung. Nach dem Kaltstufe, die von einer halben Stunde bis drei Stunden dauern könnte, die heiß und Schwitzen gefolgt Bühne. Der charakteristische Schweiß brach plötzlich ohne offensichtliche Ursache. Begleitend zu dem Schweiß oder nach war ein Gefühl von Wärme, Kopfschmerzen, Delirium , schneller Puls und starken Durst. Herzklopfen und Schmerzen im Herzen waren häufige Symptome. Keine Hautausschläge wurden von Beobachtern zur Kenntnis genommen.“

Das gruselige daran ist wohl, dass bis heute unter Fachleuten noch gerätsel wird, was für eine Krankheit dies gewesen ist, da sie nicht genau auf eine bereits Bekannte zu übertragen ist. Zwar gibt es einige Theorien (u.a. das es das Hanta-Fieber sein könnte), allerdings eben auch unterschiede. Selbst mit modernen DNA-Analysen der Neuzeit in Massengräbern der damaligen Zeit, war es nicht möglich den Erreger zu identifizieren.

In mehreren Wellen schwappte die Seuche durch England und schaffte es auch auf das europäische Festland. Einer der größeren Wellen ging dabei insbesondere über den Norden hinweg und man verfolgte auch damals die Infektionswege sehr genau:

„Im Jahre 1529 kam aus England eine gefährliche Krankheit, die wurde die Schweißsucht oder der Englische Schweiß genannt. In Hamburg gewann sie auf dem Festland den ersten Boden und raffte binnen zweiundzwanzig Tagen tausend Menschen dahin. Von da ging sie weiter nach Lübeck, Wismar, Rostock, Greifswald, Stettin, Danzig und breitete sich weit umher im Lande aus. Sie flog gleichsam durch die Städte und Länder im Hui.“

Fall 5

„Es erscheinen bei allen Bläschen schwarze Ausschläge über den ganzen Körper, meistens von schwäriger Beschaffenheit. Dies war offensichtlich ein Überbleibsel des durch Fieber in Fäulnis geratenen Blutes, welches die Natur wie eine Art Asche zur Haut trieb. Bei Menschen, bei denen die Ausschläge schwärig wurden, fiel das Oberste ab, was man einen Schorf nennt, und hernach war bereits das Übrige der Genesung nahe und verheilte nach einigen Tagen.“

Hierbei handelt es sich um die antoninische Pest, die um 165 vermutlich fast 25 Jahre lang im römischen Reich wütete und dafür sorgte, dass man die Ostgrenze trotz gelungener Siege nicht vernünftig befestigen konnte und von Mesopotamien die Finger ließ. Vermutlich durch heimkehrende römische Legionäre wurde diese Krankheit durch das Reich getragen und veränderte somit wohl die Geschichte des Reichs enorm.
Immer wieder brachen diese Wellen im Reich aus und machte auch vor der römischen Prominenz keinen halt. So wird angenommen, dass der Kaiser Mark Aurel dieser Seuche erlag. Dieser zitierte seinen Sohn und Nachfolger Commodus ans Sterbebett, die wiederum schleunigst versuchten das Weite zu suchen aus Angst sich ebenfalls anzustecken.

In der Mitte des 3. Jahrhunderts brach das sogenannte Cyprianische Pest im inzwischen christlichen Reich aus. Es wird bis heute gestritten, ob es sich hierbei um den gleichen Erreger handeln könnte. Hierbei wurde insbesondere die Auswirkung wesentlich detaillierter beschrieben.

„Es war ein schwärender Hautausschlag, der wegen seines brennenden Charakters den Beinamen ‚Anthrax‘ erhielt u.d. Befallenen in große Gefahr brachte, indem er sich nicht über die ganze Oberfläche des Körpers ausbreitete, sondern auch häufig die Augen ergriff und so unzählige Männer, Frauen und Kinder des Augenlichtes beraubte.“

Zum einen klärt sich hiermit wie „Anthrax“ zu seinem Namen gekommen ist, zum anderen wird aber auch klar, was für ein Schrecken dies für die damalige Bevölkerung gewesen sein musste, da eben sehr viele Menschen, die die Krankheit überlebten das Augenlicht raubte. Eine Sache die in der damaligen Zeit ein echtes gesellschaftliches Problem gewesen ist.

Nachwort

Wem also die Angst um Corona zur Verzweifelung treibt, der sollte durchaus ein wenig in die Geschichte blicken. Denn es ist kein so einmaliges Erlebnis dem wir hier gegenüber stehen. Vielmehr haben wir es nur verlernt mit solchen Ereignissen um uns herum umzugehen. Vielleicht haben wir ja doch technologische Fortschritte gemacht, die dafür gesorgt haben, dass wir sehr lange Zeit von eben solchen großen Seuchen wieder verschont bleiben.

Vergleicht man Corona mit einigen der großen Plagen der damaligen Zeit, kann man durchaus behaupten, dass es nur eine kleinen Grippe ähnelt. Gerade die Augenzeugenberichte aus Zeiten der Pest gehen teilweise wirklich unter die Haut und haben die damaligen Menschen extrem schockiert, wenn ihre Liebsten plötzlich schwarz anzulaufen schienen.

Auch die Beschreibung von manchem Fieber ist sehr erschreckend, da man die Beschreibung, dass das Fleisch wie Wachs verging durchaus wörtlich nehmen sollte. Ein wenig Blick auf z.B. Ebola gibt einem wohl einen harmlosen Vorgeschmack auf dem, was sonst noch so alles auf unserer Welt wandelt.

Nichts desto trotz haben wir den früheren Menschen gerade im Bereich der Medizin einiges im Voraus. Viele der Dinge, die ihnen damals wie die Strafen der Götter vorgekommen sind, können wir heute rational erklären und diese begreifen. Wir wissen von der Existenz von Viren und können deren DNA sequenzieren. Selbst in einem sehr ungünstigen Fall werden wir für ein Heilmittel wohl nur maximal 2 Jahre brauchen.

Frühere Wellen bedeuten durchaus, dass ganze Generationen in Angst vor der Seuche leben mussten, die immer wieder über sie heran brach und über sie kam. Ohne das die Ärzte den betroffenen in irgend einer Weise helfen konnten. Würde man ihnen eine künstliche Beatmung zeigen, würden sie vermutlich in Staunen ausbrechen.

Beeindruckend finde ich dabei eben immer wieder, dass sie die gleichen Ängste wie moderne Menschen aufwiesen. Ja, teilweise eben sogar mit Sarkasmus. Nichts desto trotz versäumten sie nie die Krankheit und deren Verlauf genau zu dokumentieren, damit eben wir am Ende in der Lage sind zu verstehen, was vorgefallen ist. Bei einigen Krankheiten können Historiker daher heute sehr genau sagen, warum es sich gehandelt hat, während andere wie der englische Schweiß bis heute Rätsel aufgeben.

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Englische Schweiß, sowas brauchen wir grad wirklich nicht.