Übung in coronabedingter Achtsamkeit

in #corona4 years ago

monk4649046_640.jpg

Was viele Menschen nie verstehen werden ist, dass ein Pessimist keineswegs jemand sein muss, der ständig nur Trübsal bläst. Ganz im Gegenteil! Es ist eben ein Mensch, der am Ende bereit ist sich auch für die Möglichkeit zu öffnen, dass man nicht alles einfach nur durch schönreden besser machen kann. (Ein älterer Artikel zu dem Thema würde ich empfehlen: https://peakd.com/@gammastern/ein-zynisches-plaedoyer-fuer-ein-neues-pessimum)

Interessanterweise sind es gerade jetzt die Optimisten, die so furchtbares Trübsal zu blasen scheinen. Das ist mir dann doch ein wenig zu verschwendete Zeit. Das Leben ist scheiße! Okay, Fakt und dann muss man auch ein wenig weiter denken. ;)

Aus dem Buddhismus her habe ich gelernt ein wenig in „Achtsamkeit“ zu üben. Gerade dann, wenn einem Emotionen sehr stark übermannen, verliert man sehr schnell die Kontrolle über das Denken. Jeder von uns kennt es, dass er über eine Situation so sauer ist, dass er regelrecht darüber schäumt und sich leicht dazu verleiten lässt etwas dummes zu sagen oder gar zu tun.

Wann immer ich in eine solche Situation komme, versuche ich mich ihr zu entziehen und ein wenig Abstand dazu zu gewinnen. Nicht in dem Sinne, dass ich versuche es zu verdrängen. Sondern vielmehr, dass ich mich ihm bewusst später stellen möchte, wenn die Emotionen nicht mehr so kochen. Dann kann man sich hinsetzen und sich auch mal die Frage stellen, wieso man eigentlich in der Situation so furchtbar emotional geworden ist.

Also nicht weiter darüber aufregen, sondern sich gezielt zu fragen, wieso es zu einer Eskalation kommt. Und dann eben auch versuchen es zu akzeptieren und nur zu beobachten. Diese Form der Achtsamkeit kann einem sehr dabei zu helfen für die Zukunft Situationen besser einzuschätzen und eben nicht immer gleich auf 180 zu sein.

Genau das gleiche praktiziere ich momentan mitunter auch über das Leben im Allgemeinen und auch der Finanzen. Normalerweise hängt man ständig auf einem furchtbaren Streßfaktor und läuft nur von A nach B und hat ständig etwas um die Ohren. Da fällt es sich schwer auch mal zu sehen, wo man eigentlich gerade so im Leben steht und mit was man zufrieden ist – oder eben auch nicht.

Natürlich ist nun auch alles streßig. Aber zumindest rumlaufen tut man nicht mehr soviel. Es kann sich also durchaus mal lohnen sich in einer ruhigen Minute mal hinzusetzen und sich zu fragen, was man nun eigentlich am meisten vermisst.

Ganz klar sind es hier mitunter einige sehr gute Freunde, die man nun seit Anfang des Jahres nicht mehr gesehen hat. Da hatte man keine Zeit, da kam ein Urlaub dazwischen, dann wieder keine Zeit und nun eben Kontaktsperre. Dabei hätte ich einige von denen durchaus sehr gerne mal wieder getroffen und einfach einen netten Abend vor dem Grill verbracht.

Die zweite Sache, die ich wirklich schmerzhaft vermisse ist, dass die Bäder geschlossen haben. Ich habe die Tendenz nur durch rumsitzen sehr schnell wie ein Hefekuchen aufzugehen. Bei allen Sportarten, die ich so probiert habe, sind die meisten für die Gewichtsklasse nicht unbedenklich oder kicken mich nicht besonders.

Schwimmen hat sich da als gute Lösung herausgestellt. Die einzige Sportart bei der man sauberer rauskommt als man reingeht. Nebenher ist es auch noch erfrischend, schont die Gelenke und es ist sehr dröge. Ideal also um ein wenig einen Teil seiner Achtsamkeitsübungen zu machen und ein wenig seine Gedanken zu sortieren. Was soll man auch anderes machen, wenn man seine Bahnen schwimmt?

Bis zu 3x die Woche gehe ich normalerweise schwimmen und natürlich ist alles nun wegen Corona geschlossen. Das merkt man langsam doch ziemlich, sowohl mental als auch bei der körperlichen Fitness.

Und ich merke auch, dass ich Abends wesentlich weniger spazieren gehe. Ähnlich wie beim Schwimmen ist dies eben ein wenig Bewegung und man kann seine Gedanken sortieren. Normalerweise mache ich dies gerne Nachts, wenn es dunkel ist. Nicht nur weil man da mehr Zeit hat, sondern eben auch, weil weniger draußen los ist. Ich will ja gerade ein wenig Abstand zu den Menschen und das geht im großen Gewusel nicht so.

So mancher Artikel ist bei einem solchen Spaziergang entstanden. Interessanterweise mache ich dies neuerdings nicht mehr so oft. Dabei wäre es eben kein Verstoß gegen die Kontaktsperre und wäre total unproblematisch. Aber alleine der Gedanke daran, dass sich jemand stören könnte, reicht irgendwie schon aus, damit am Ende die Faulheit gewinnt. Ich bin selbst ein wenig überrascht darüber.

Und ja: Auch das Home Office kann von Zeit zu Zeit sehr nervtötend sein. Gerade in meinem Job müssen sehr viele Kleinigkeiten genau koordiniert werden und die Kommunikation untereinander ist extrem wichtig. Da gibt es nur wenige klassische „Einzelkämpfer“-Aktivitäten, wo man anfangs ein wenig plant und dann losläuft. Dabei gibt es nichts was mich mehr auf die Palme bringt als einem Kollegen eine Frage zu stellen und nicht sofort eine Antwort zu kriegen.

„XY tippt gerade...“. Wieder 1 Minute Pause. Die Person tippt weiter. Wieder 1 Minute Pause, XY geht AFK. 30 Minuten später: „Habe ich nicht verstanden!“ Wow ... das geht nach einigen Wochen immer mehr an die Substanz, wenn Leute nicht etwas proaktiver Kommunizieren können und ihren Supermarkteinkauf nicht mal mit einem „Extended Away“ markieren können. Im Büro würden sie mir nicht so leicht davon kommen... ;)

Tatsächlich endet die Liste hier dann auch schon. Bei fast allem anderen hat Corona keinen so großen Einfluss auf mein Leben. Gerade dadurch das ich ohnehin meist sehr spät Einkaufen gehe, ändert sich da fast kaum etwas. Und ja... als Techi hat man nun eigentlich das gleiche Leben wie vorher. Wäre da nicht das Licht, frische Luft vom Fenster und das gnadenlose Gebrüll der Singvögel... :D

Aber im Ernst. Habt ihr den Shutdown auch mal als Privileg gesehen ein wenig aus den normalen Bahnen geworfen zu werden und Euch mal selbst zu fragen, was ihr eigentlich momentan am meisten vermisst. Was Euch wirklich etwas bedeutet und was eigentlich völlig unproblematisch in den Hintergrund getreten ist.

So blöde wie es sich anhört: Auch gerade finanziell, kann dies eine sehr interessante Frage sein. Weil man vielleicht merkt, dass einige Aktivitäten eher in die Kategorie „Konsumrausch“ fallen und gar nicht so wichtig sind, wie man in seinem normalen Trott eigentlich immer gedacht hätte.

Wie sieht es bei Dir aus? Was vermisst Du momentan am meisten?

Sort:  

Alles eine Frage der Perspektive. Arbeitstechnisch und finanziell hat sich kaum etwas für mich geändert, bis auf hysterische Kunden am Telefon. Die Finanzmärkte erleben auch grade den Frühling und geraten wieder in die alten Verhaltensweisen.
Mit der neuen Freundin kann man ohne nervige Touristen an den Strand und die Sonne genießen.
Einige meiner Leute haben endlich lang aufgeschobene Projekte zu Hause realisiert, für die sonst ja niemals Zeit war.
Der gelangweilte Rest produziert echt genial kreative Homevideos.
Wenn da nicht die emensen wirtschaftlichen Folgen wären, dann würde ich es als gute Selbsfindungsphase sehen, in der viele gestärkt rausgehen werden.
Leute die durch Konsum und Ablenkung ihre Einsamkeit überspielen, die haben jetzt natürlich ein Problem.
Dieses Problem hätten sie aber auch ohne Corona irgendwann bekommen.
Auch die Wirtschaft zeigt einfach nur wer nackt gebadet hat und selbst die Zahlungen vom Staat werden da nicht helfen. Vielleicht gibt es einigen Unternehmern ja einen Denkanstoß, denn warum müssen auch unrentable Geschäftsmodelle überleben.

In jedem Fall erst einmal ein riesigen Dank für deine Antwort. Ich finde es einfach immer sehr interessant zu sehen, wie es anderen Leuten so ergeht.

Klingt im Großen und Ganzen gar nicht so unähnlich. Im Kern kann man das alles irgendwie überleben. Gut wer einen Garten hat, kann da natürlich leicht drüber reden. In einer Mietskaserne ist das ganze wohl doch ein wenig unspaßiger. Am Ende ist es aber doch kein Weltuntergang.

Wenn da nicht die emensen wirtschaftlichen Folgen wären, dann würde ich es als gute Selbsfindungsphase sehen, in der viele gestärkt rausgehen werden.

Zweifelsfrei wird da noch einiges an Problemen auf uns zukommen. Aber momentan sind wir ja noch in der Selbstfindungsphase und können versuchen das Beste daraus zu machen. Schlimmer als anschließend in der Katastrophe zu hängen und immer noch nicht zu wissen, was man machen soll ;)

Ein sehr schöner Artikel zu einem wichtigen Aspekt im Leben.

Hiermit wirst Du für den Monatspreis der Liebe nominiert.

Weiter so!!

Vielen Dank. Man muss halt das Beste aus der Zeit machen. Bleib gesund und positiv! ;)

Die Ruhe vor dem Sturm und die Leute drehen schon am Rad.. ;D
@tipu curate

Wieso am Rad drehen? Weil man sich Fragen dazu stellt, was einem etwas bedeutet? Ich glaube dazu gehört doch noch etwas mehr ;)

Weil die Leute jeglichen Bezug zur Realität verloren haben.. :D

DANN DRUCKT HALT NOOCH MEEHR GELD

Du hast ein Upvote von mir bekommen, diese soll die Deutsche Community unterstützen. Wenn du mich unterstützten möchtest, dann sende mir eine Delegation. Egal wie klein die Unterstützung ist, Du hilfst damit der Community. DANKE!