Die Blindheit der selbstberufenen Weltenretter

in #deutsch7 years ago (edited)

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In einem Interview der Basler Zeitung wurde der Afghanistan-Kenner Albert A. Stahel gefragt: „Wieso tun sich die Verantwortlichen bei uns so schwer, derart massive kulturelle Unterschiede auch nur ansatzweise zur Kenntnis zu nehmen?“ [1]

Seine Antwort: „Gerade auch auf politisch verantwortlicher Ebene... herrscht das Gefühl vor, unsere Kultur, unsere Werte und unsere Errungenschaften seien derart fortschrittlich und überlegen, dass sie automatisch auch maßgebend sind für alle anderen. Das ist aber oberflächlich und dumm.“

Vielleicht sollte man „fortschrittlich und überlegen“ noch ersetzen, denn so tickt der geschwätz... Verzeihung, der geisteswissenschaftlich geprägte Bessermensch nicht; er will sich ja nicht überlegen fühlen, und von Fortschritt hält er auch nichts, der ist gefährlich, Atom und Chemie und so; lieber möchte er den Rousseau'schen „edlen Wilden“ in sich finden. Und im anderen; er will Kulturen respektieren, verstehen, sich bereichern lassen.

Aber er kriegt das Verstehen ums Verrecken nicht hin, weil er denkt, dass alle Menschen gleich sind; ein nie hinterfragtes Dogma, das ihm den Tellerrand seiner Innenperspektive zum Horizont der Welt macht.

Wie wäre es statt „fortschrittlich“ mit „selbstverständlich“? Denn er versteht, festgenagelt auf den eigenen kulturellen Rahmen, nur sich selbst.

Sind nicht also die gegenüber Unterschieden blinden „wird schon klappen“-Integrierer die eigentlichen, wahrhaft arroganten Kulturimperialisten, die an ihrem Wesen die Welt genesen lassen wollen, die aber ob ihrer Blindheit langfristig auf die Schnauze fallen werden? Und wir mit ihnen, wenn wir sie nicht hindern?

Oh verdammt, ich habe „wir“ gesagt. Darf man ja nicht als Deutscher. Es sei denn, man gehört zu einer ortsüblichen, unter Naturschutz stehenden Minderheit und bezieht seine Identität daraus, für Ampelweibchen zu „kämpfen“. Eine aus der gefühlten Minderheit konstruierte Selbstdefinition ist ok – eine nationale hingegen „pfui“. Eine europäische ist dann wieder „gut“. Na klar.

Das war für einige derer, die ich kritisiere, sprachlich wohl ein bisschen herausfordernd. Wo ihnen Sprache doch alles ist, vor allem die korrekte.

[1] https://bazonline.ch/schweiz/standard/unsere-politik-ist-oberflaechlich-und-dumm/story/10516475