Als ich Turmbläser war zu Anhalt

Nicht überall und nicht jederman kannte mich, weshalb ich immer wieder jemanden fand, den ich hereinlegen konnte.

So beispielsweise auch den Grafen von Anhalt. Der lebte auf einer großen Burg, hatte viele Reichtümer und sah sich stets von irgendwelchen Raubrittern bedroht. Bei ihm trat ich den Dienst eines Turmbläsers an. Das heißt, ich musste den lieben langen Tag hoch oben im Turm der Burg sitzen und Ausschau nach Feinden halten. Wenn er sie sah, so sollte er laut in sein Horn blasen.

Da saß der arme Till nun Tag um Tag und schaute sich in der Gegend um. Doch während sein Dienstherr mit seinen Rittern stets gutes Essen auf dem Tisch hatte, vergaß man mich vollkommen. Und so laut ich auch rief, niemand da unten im Burghof hörte mich. Aber es war mir bei größter Strafe verboten, den Turm zu verlassen.

Was also tun? Da sah ich am Horizont schon die Feinde kommen! Doch dieses Mal tat ich nicht, wie man mir befohlen hatte. Ich blies nicht in mein Horn, um vor den Feinden zu warnen. Schon hatten die Raubritter alles gestohlen, was sich ihnen in den Weg stellte, noch ehe der Graf und seine Gefolgschaft ausziehen konnten.

Kaum aber war der Angriff vorbei, da stürmte der Graf in voller Rüstung auf den Turm hinauf, auf dem ich mit meinem Horn saß. Natürlich stellte der Graf mich sofort zur Rede: „Warum hast du uns nicht vor den Feinden gewarnt?“, fragte er ziemlich böse.

Doch anstatt auf die Frage zu antworten, sagte ich nur: „Warum hast du mir kein Essen geschickt? Bevor man nicht gegessen hat, kann man auch nicht ins Horn blasen.“