Der Putsch in der Türkei aus Sicht der Putschisten oder: wie der „Whatsapp Putsch durch Facetime vereitelt“ wurde

in #deutsch8 years ago (edited)

In den türkischen Medien war in den Tagen nach dem Putsch oftmals die Rede davon, dass der „Whatsapp Putsch durch Facetime vereitelt“wurde (original: Whatsapp darbesini Facetime önledi). Als der Putsch in den Morgenstunden des 16. Juli niedergeschlagen schien, wurde der Inhalt einer Whatsapp Gruppe publik, in der sich mehrere Offiziere, darunter zwei Brigadegeneräle und elf Obristen, über den Putsch und die dazugehörigen Maßnahmen koordinierten. Es scheint gesichert, dass es sich hierbei um eine (von mehreren Gruppen) handelt, die sich auf Operationen in und um Istanbul konzentrierte, aber nicht etwa alle beteiligten Putschisten umfasste. Als Quellen gibt das investigative Open Source Projekt Bellingcat ein Video an, das den Inhalt der Gruppe aus einem erbeuteten Smartphone zwischen 21:15 und 22:45 abbildet; sowie 21 Fotos vom weiteren Verlauf der Gruppe, die der Al-Jazeera Türk Reporter Selahattin Günday an Bellingcat zuspielte.

Bellingcat hat die Beiträge in der Whatsapp-Gruppe der Putschisten analysiert und geordnet; sowie, anhand von Twitter-Posts, die in der Gruppe erwähnten Ereignisse mit den real auf Twitter dokumentierten Geschehnissen der Putschnacht in diesem hervorragenden Artikel abgeglichen.

Diese Abschrift bestätigt, dass die Live-Schalte von Präsident Erdogan via Facetime im CNN Türk Studio von Moderatorin Hande Fırat den Turning Point der Putschnacht markiert. Die Putschisten berichten in der Folge von verschiedenen Orten mit strategischer Bedeutung, dass „große Mengen“ auf die Soldaten vorrücken und sie ihre Stellungen nur schwer oder kaum halten können. Auch wenn kein expliziter Bezug auf die Ansprache Erdogans zu finden ist, äußern mehrere Putschisten ihren Unmut darüber, dass private Fernsehsender nach wie vor auf Sendung sind und fordern, dass diese ausgeschaltet werden müssen.

Des Weiteren wird bekannt, dass drei von fünf am Putsch beteiligte Regimente Teil der NATO Rapid Deployable Corps sind. Die Implikationen dieser Tatsache sind so weitreichend, dass es hierzu einen gesonderten Beitrag geben wird.

Zur Morgendämmerung merken die Putschisten, dass ihre Operation nicht erfolgreich sein wird. „Sollen wir flüchten?“, fragt ein Obrist. „Das ist euch überlassen“, wird ihm geantwortet. „Wir haben uns noch nicht entschieden. Aber wir haben unsere Positionen verlassen. Ich schließe diese Gruppe jetzt. Löscht diese Nachrichten, wenn ihr wollt“.

In zumindest einem Fall ist dies jedenfalls nicht geschehen.