Solidarität und Gemeinwohl... WTF!?!?!

in #deutsch2 years ago

So·li·da·ri·tät

/zolidariˈtɛːt,Solidaritä́t/
Substantiv, feminin [die]
1.unbedingtes Zusammenhalten mit jemandem aufgrund gleicher Anschauungen und Ziele
2.(besonders in der Arbeiterbewegung) auf das Zusammengehörigkeitsgefühl und das Eintreten füreinander sich gründende Unterstützung

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Quelle:Pixabay

Das ist die Definition von Solidarität, wenn man Tante Google fragt. Ich habe den Eindruck viele derer, die heute wie gesprungene Schallplatten nach ebendieser rufen wissen oft nicht, was die wahre Bedeutung ist.

Für mich ist spannend, dass hier eine dauerhaft positive Konnotation angenommen wird. Solidarisch sein ist gut. Punkt. Mit einigen Beispielen wird schnell klar, dass dies nicht der Fall ist. Die Manson Familie war innerhalb ihrer Gruppierung solidarisch. Die Südstaaten in den USA waren sich lange einig über die Sklaverei und sind ganz solidarisch in den Krieg gezogen. Die chinesischen Beamten, die die Ein-Kind-Politik durchgesetzt haben waren solidarisch miteinander und mit der Führung. Der Ku-Klux-Clan verhält sich im Inneren solidarisch und die Nazis waren nicht nur solidarisch miteinander sondern auch noch solid arisch. Das Einzige was Solidarität tut ist Größe zu suggerieren und damit einzuschüchtern. Die Mehrheit zumindest in Lautstärke zu repräsentieren. Selbst als Mehrheit ist Solidarität kaum mehr ein Ausdruck von Stärke gegenüber der kleineren Gruppierung und dem Individuum. Als Minderheit ist Solidarität eine Drohgebärde gegenüber dem Stärkeren.

Die Geschichtsbücher haben natürlich eine Menge positiver Beispiele für Solidarität parat, genauer betrachtet bleibt aber nie etwas anderes übrig als das zuvor Beschriebene: Eine Drohgebärde.

In der Definition wird sogar noch von "unbedingtem", also bedingungslosem Zusammenhalt gesprochen. Dies ist in höchstem Maße problematisch. Von diesem Punkt aus ist man schnell bei "Der Zweck heiligt die Mittel".
Wenn nur das Ziel stimmt, darf man alles und trägt alles mit, was andere zum Erreichen des gemeinsamen Ziels tun oder eben lassen. Gleichzeitig sinkt die eigene Hemmschwelle. Solidarität überwindet das Individuum. DAS ist problematisch.

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Aufruf zu Solidarität im Ostseebad Heringsdorf (Photo geklaut bei Reitschuster.de)

Untrennbar mit der heute geforderten Solidarität ist das "Gemeinwohl". Die Definition dazu lautet eigentlich:

Ge·mein·wohl

/ɡəˈma͜invoːl,Gemeínwohl/
Substantiv, Neutrum [das]
das Wohl[ergehen] eines jeden Einzelnen innerhalb einer Gemeinschaft
"dem Gemeinwohl dienen"

In der Definition geht es für mich offensichtlich um das Individuum innerhalb einer Gesellschaft. Aber ich ticke ja oft anders als die Mehrheit. Geht man heute auf die Straße, und fragt 100 Leute nach der Bedeutung des Wortes bekommt man wahrscheinlich 300 verschiedene Antworten. Man kommt also nicht umhin sich etwas intensiver mit dem Wort und seiner Bedeutung zu beschäftigen. Wenn man das tut, findet man schon in der Antike drei sehr unterschiedliche Strömungen.

  • Platon, der das bestimmen des Gemeinwohls den Philosophen überlassen wollte
  • Aristoteles, der meinte "Glück" könne vom Individuum nur durch Einsetzen für das Allgemeine erreicht werden und dazu bedürfe es staatliche Eingriff und Regelung
  • Stoa, eine Bewegung nach Zenon von Kition welche als erste das Wohl ALLER Menschen als Gemeinwohl definieren aber dies durch Erkennen und Ertragen der Situation und Stellung erreichen wollen.

Heute ist das Gemeinwohl hauptsächlich geprägt von verschiedenen Philosophen und Strömungen wie Leibnitz, Christian Wolff, JJ Rousseau, Adam Smith, dem Utilitarismus, dem Kommunitarismus und der katholischen Rechtsphilosophie. Auch hier geht das Verständnis, die Definition und vor allem der Weg dahin sehr weit auseinander. Wen das genauer interessiert darf gern Wikipedia und die dort angegebenen Verlinkungen und Quellen verfolgen: https://de.wikipedia.org/wiki/Gemeinwohl
Die Bandbreite geht hier von stark individualistisch innerhalb moralischer Normen, über religiös jenseitig, bis hin zu radikaler Verteufelung der Meritokratie oder des Kapitalismus als gemeinwohlschädigend.
Ganz persönlich finde ich eine Mischung aus Adam Smith und dem Utilitarismus als passend. Aber das ist wohl Geschmacks- und/oder Bildungssache.

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Adam Smith Gemälde von Wikipedia geklaut

Wenn aber jemand sich durch diesen meinen Text gequält hat und in Zukunft den Aufruf zu "Solidarität zugunsten des Gemeinwohls" hört, darf er ein wenig zusammenzucken und sich fragen was diese Worthülsen nun tatsächlich transportieren sollen. Meist ist es nämlich etwas völlig anderes als man zuerst erwartet.

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Solidarität beruht auf Freiwilligkeit. Eine propagierte, aufgenötigte Solidarität ist eine Entartung.
Ich empfinde die ständige Proklamation der Solidarität durch Staat und linke Protagonisten als
Solidaritätsfaschismus.

Very good thinking, Danke! Yes, it's all about to whom and to what you apply the term. And yes, again, it's a politically correct that counts these days, I am afraid.

@tipu curate