Der Patient - Krysa - Die Ratte [#8]

in #deutsch6 years ago

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Krysa - Die Ratte


Ein einfältiges Laster, diese Rauchen… Aber dennoch entzünde ich eine Zigarette, während ich mir das zerfallene Gebäude vor mir genauer ansehe. Dahinter sitzt er also. Ein Mann, dessen Spitzname 'Chernyy Krysa', russisch für 'schwarze Ratte', das einzige ist, was den Menschen im Gedächtnis bleiben wird, nachdem der heutige Tag sein Ende gefunden hat. Ein Spitzname, der treffender für eine Person wie diese nicht sein könnte. Ein Spitzname, den er mir und seinem Verrat an mir zu verdanken hat.

Eine seltsame innere Ruhe stellt sich ein. Nicht, dass ich aufgeregt sein sollte oder dies für mich normal wäre, allerdings macht die Seelenruhe, in der ich mich gerade befinde, einen paradoxen Eindruck auf mich. Gemächlich ziehe ich einige letzte Male an der Zigarette, ehe ich diese mit meinen Schuhen zertrete und den Schlüssel, welcher Jack mir überlassen hatte, aus meiner Hosentasche krame. Einen Moment verweilt mein Blick auf dem Schlüssel, anschließend visiere ich die beschriebene Seitentür an und gehe auf diese zu. Der Schlüssel passt und ich stehe kurz davor das zu bekommen, was ich seit nun genau einem Jahr so sehr begehre. Mich bei der Ratte zu rächen, die mir mit einem Schlag nahezu alles an Lebenssinn genommen hat, was ich besaß.

Ich betrete einen staubigen Gang, welcher bis auf kleine Neonschilder keine Lichtquellen zu besitzen scheint. Vier geschlossene Türen sind in dem Gang verteilt, den ich unter Knirschen der Holzdielen entlang gehe. Ein älterer Rollstuhl ist das einzige, das sich neben den Türen im Flur befindet. Etwas paradox anmutend steht er mitten im Gang, sodass ich ihn bei Seite bewegen muss, um voran zu gehen. Die erste Tür ist geschlossen, genauso die zweite. Ich drücke die Klinke von Tür Nummer 3 nach unten und siehe da, kein Widerstand. Die Tür gleitet auf.

Ein Grinsen macht sich auf meinem Gesicht bemerkbar, als ich den fast leeren Raum betrete. Einzig und allein in der Mitte des Raumes ist etwas unter einer weißen Plane verdeckt.

» Chernyy Krysa, so sieht man sich wieder. «, spreche ich deutlich, nachdem ich die Tür hinter mir zugeschlagen habe. Doch es kommt keine Reaktion.

Die Plane ist mit Hilfe von schweren Metallfässern fixiert, welche ich nun nach und nach zur Seite bewege, sodass ich die Plane schließlich wegziehen kann. Und da sitzt er, tatsächlich. Gefesselt, geknebelt und möglicherweise sediert oder zumindest nicht ansprechbar. Einen Moment beobachte ich die weggetretene Person, die ich vor einiger Zeit noch einen Freund genannt hätte. Dann fällt mir ein Wasserschlauch, der gleich neben der Tür in einem Waschbecken liegt, auf. Ich drehe den Hahn auf und auch wenn ich es in Anbetracht dieser Bruchbude nicht erwartet hätte, das Wasser läuft und es ist eiskalt. Den Schlauch angesteckt, stelle ich den Wasserhahn auf volle Stärke und den Aufsatz so ein, dass ein möglichst druckvoller Strahl entsteht. Erst macht mein alter Bekannter unter seinem schwarzen Sack keine Anstalten, doch als ich ihm den Strahl direkt in die Nase halte, ist er mit einem Schlag bei Bewusstsein. Er macht Anstalten sich zu bewegen, aber mein Kollege Jack macht das, was er macht, nun mal immer richtig, sodass er sich keinen Zentimeter auf dem, im Boden verankerten Stuhl, an den er gefesselt ist, bewegen kann.

» Lange nicht gesehen, na wie gefällt es dir in Moskau? Etwas kühl nicht wahr? «
Ich weiß, dass er meine Stimme erkennt. Mit einem Mal verstummt sein, ohnehin nahezu stummer, Protest und er scheint zu realisieren.

» Ganz recht, ich bin es. « Ich grinse, als ich ihm erneut den eiskalten Wasserstrahl in sein Gesicht halte. Dann ziehe ich ihm den schwarzen Sack mit einem Mal von seinem Kopf. » Oh, Jack hat dir einen neuen Stil verpasst. «, stelle ich belustigt fest, als mir ein kahler Schädel, welchen sonst ungepflegte Dreadlocks zierten, entgegenwartet. Erstmals seit einem Jahr blicke ich der Ratte in die Augen und er in die Meinen. Doch heute ist alles was ich in seiner jämmerlichen Fratze sehen kann Angst. Jeder Winkel seines Gesichts ist durchtrieben von Angst, kein Funke seiner sonst so überheblichen Art. Alles in Allem ein jämmerlicher Anblick.

» Sicher würdest du gerne etwas sagen… Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ich etwas hören möchte. Um es kurz zu machen ist für mich sowieso alles entschieden. «

Ich pausiere für einen Moment und hole einen weiteren Stuhl ran, an den mehrere rostige Eisenstangen gelehnt sind. Ich setze mich ihm direkt gegenüber und beginne ruhig zu sprechen.
» Werte. Ich erinnere mich, dass wir vor längerer Zeit intensiv über Werte gesprochen hatten. Kannst du folgen? «, werfe ich ihm entgegen. Doch er starrt mich mit seinem angstdurchzogenen Blick an, ohne eine Reaktion von sich zu geben. » Ein Nicken genügt. «

Immer noch folgt keine Reaktion, sodass ich mich erneut erhebe um eine der Eisenstangen in die Hand zu nehmen. Noch bevor er realisiert hat, was ich gerade geholt habe, wuchte ich ihm die Eisenstange mit einem Hieb auf seine rechte Hand, welche straff an der Armlehne angebunden ist. Mit dem Auftreffen gehen ein Knacken seiner Knochen und ein wildes Zappeln von ihm, soweit es ihm möglich ist, einher. Ich lege die Stange zu Boden und zünde mir eine Zigarette an, während er einen Moment zur Wahrnehmung seiner Schmerzen hat. Dann setze ich mich ihm wieder gegenüber und puste ihm den Rauch meiner Zigarette in sein, nun auch schmerzerfülltes, Gesicht.

» Ich habe keine Zeit für Spielchen Krysa, ehrlichgesagt auch überhaupt keine Lust. Deswegen gibst du mir eine Antwort auf meine Frage oder erleidest Schmerzen, wie du sie dir in deinen schlimmsten Träumen nicht vorstellen kannst. Wenn du mitspielst bleibst du heute vielleicht sogar am Leben, wer weiß. «
Wieder pausiere ich einen Moment, ehe ich meinen Monolog fortsetze.
» Nun gut, versuchen wir es ein zweites Mal. Erinnerst du dich an unsere Gespräche über Werte? «
Nach einigen Sekunden nickt er schließlich dezent. » Gut. Dann erinnerst du dich sicher daran, dass Loyalität der, in meinem Leben, denkbar wichtigste Wert ist. «
Wieder nickt er.

» Und was genau meine Haltung gegenüber Illoyalität beziehungsweise illoyalen Wegbegleitern ist, das war doch wohl auch klar? «
Das Zögern dieses Mal hält einen Moment länger an, doch es folgt ein Nicken.
» Nun stelle ich mir die Frage, warum ein kleines Häufchen Elend wie du diese Aussagen einfach so ignorierst und sich anmaßt meine Brillanz zu stehlen, um sie dann, als die eigene zu verkaufen. «
Ich ziehe an meiner Zigarette und warte einige Zeit. Dann erhebe ich mich erneut und greife die wuchtige Eisenstange auf dem Boden, um ihm auch die zweite Hand zu zerschmettern. Wieder windet er sich gleich nach dem Krachen der vielen feinen Knochen.

» Ist doch eigentlich lustig, nun sind deine Hände vergleichbar ähnlich effektiv wie dein bescheidener Geist. Findest du nicht auch? «

Ich setze mich wieder, während mich ein Schmunzeln überkommt und fahre gleichauf, etwas höhnischer, fort.
» Mein alter Freund, ich denke du solltest endlich folgendes verstehen. Ich nehme das, was ich sage, sehr ernst. So auch die Passagen bezüglich Illoyalität. Und heute mein Freund, heute ist der Tag der Rache. Heute erfährst du, was es bedeutet für einen Verrat zu büßen. Außerdem erfährst du was es wirklich heißt, mich zum Feind zu haben. Ja alter Freund, oder besser Chernyy Krysa? Dann kommen wir mal zum Eigentlichen. «


'Der Patient' - Inhaltsverzeichnis


#1 - Alea iacta est!
#2 - Hals über Kopf
#3 - Monolog: Vision & Anliegen
#4 - Er ist zurück
#5 - Der Alte Commodore
#6 - Unverhofft kommt oft
#7 - Der Kammerjäger


@x888 | @b-s

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Sicher würdest du gerne etwas sagen… Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ich etwas hören möchte. Um es kurz zu machen ist für mich sowieso alles entschieden

@x888 ohh it's so amazing.. loved a lot

@by x888 this was a good read

wow you gave me a great teaching

Seltsamerweise wurden die Korrekturen nicht übernommen, weswegen die offensichtlichen Fehler bleiben werden.