Zeitgedanken gehört bereits zu einer älteren Generation. Hier auf der deutschen Hive Plattform bestimmt zu einer Minderheit. Vielleicht ist das Alter auch der Grund, warum sich Zeitgedanken sehr gerne mit der jungen Generation austauscht. Zeitgedanken gehört noch zu einer Generation, die den Begriff „soziale Kontakte“ etwas enger fasst als dies heute praktiziert wird. Es ist für meine Generation noch etwas persönliches, etwas real erlebendes und ist von direkter Kommunikation getragen. Diese Form des sozialen Kontaktes erfordert aber auch eine hohe Aufmerksamkeitsspanne, die bei einer Vielzahl von heutigen jungen Menschen nicht mehr gegeben ist.
Die Generation, welche gerade auf den Arbeitsmarkt kommt, ist gewiss entgegen des Allgemeinbegriffs der Millennials ziemlich uneinheitlich. Doch es häuft sich der Eindruck, dass einer sehr kleinen Anzahl von besonders Engagierten und Aktiven einem größeren Teil mit erheblichen Produktivitäts- und Konzentrationsmängeln gegenübersteht. Der Verdacht liegt sehr nahe, dass diese Defizite dem Lebensstil in einer digitalen Welt geschuldet sind. Auffällig jedoch ist, dass diese Defizitären mit dem Internet aufgewachsen sind.
Lauter werden die Stimmen, die hier eine Aufmerksamkeitsökonomie am Werke sehen, bei der unternehmerischer Wettbewerb die Attraktivität digitaler Angebote über ein Maß hinaus verstärkt, dem der Wille noch standhalten kann. Diese Perspektive ist verheerend, weil sie Verantwortung weiter abgibt und damit die Verantwortungslosigkeitsspirale nährt, die das eigentliche Problem einer allfälligen Aufmerksamkeitsspirale wäre. Doch sehen wir uns zunächst an, was für diese Perspektive spricht.
Nach dem aktuellen Wissensstand über Suchtverhalten sind digitale Aufmerksamkeitsspiralen in der Tat den Suchtphänomenen zuzuschreiben. Sucht entsteht über die wiederholbare Verstärkung positiver physischer und psychischer Empfindungen. Es sind nicht die chemischen Inhaltsstoffe eines Suchtmittels, die direkt abhängig machen, sondern in der Regel körpereigene Ausschüttungen von z.B. Dopaminen, die Gewohnheiten positiv verstärken. Sucht ist also ein eingeübter Prozess, nicht das unentrinnbare Schicksal willenloser Zombies, sondern eine
“gewollte Wiederholung, die zu tiefem Lernen führt” (Lewis 2015: 189).
Nicht zuletzt deshalb ist der „Krieg gegen Drogen“ falsch. Illegale Drogen sind nur eine kleine Untergruppe von Gütern, deren Konsum gewohnheitsbildend ist, sofern man bewusst die Verankerung zwischen positiver Empfindung und Handlungsweise zulässt.
Im digitalen Bereich wirken insbesondere zwei in den menschlichen Instinkten biologisch eingeschriebene Positivsignale, die einst für das Überleben besonders wichtig waren: auf der einen Seite das Bedürfnis nach Neuigkeiten, auf der anderen Seite das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung.
Schon bei Kleinstkindern ist die gemütserhellende Wirkung von Signalen dieser Art offensichtlich. Neues zieht die Aufmerksamkeit magisch auf sich, genauso wie anerkennende Interaktion. Bislang lag es bloß nicht in unserer Hand, durch einen einfachen Konsumakt bereits die genussfertige Neuigkeit oder Anerkennung zu produzieren.
Das Erkennen des Neuen erforderte Neugier, also konzentrierte Aufmerksamkeit, und die Anerkennung war die Frucht mühsam aufgebauten sozialen Kapitals. Diese Produktionsstruktur der Aufmerksamkeit ist nun arbeitsteiliger um den Preis geringerer Authentizität - wir können Neuigkeit und Anerkennung konsumieren, ohne selbst viel dafür zu tun.
Bei immer mehr Menschen zeigen sich eindeutige Suchterscheinungen: Durch Mausklick lassen sich Streams aktualisieren, die weitere Neuigkeiten und Anerkennung bringen. Die frische dopaminergische Ausbeute wird meist noch in der Signalfarbe rot angezeigt: Neue Messages, neue Likes, neue Notifications. Oder die Streams sind bereits selbstaktualisierend, wie etwa bei YouTube, wo eine Spirale an immer neuen, automatisch aufeinanderfolgenden Videos aktiviert werden kann. Dies spielt in die Hand der menschlichen Tendenz zum
delay discounting,
sprich “sofortige Belohnungen höher als langfristige Vorteile zu bewerten” (Lewis 2015: 100).
Die körpereigene Belohnung der Aufnahme von Neuigkeiten und Anerkennung war für unser Überleben wichtig, weil der Mensch als schwaches, nacktes Tier besondere Wachsamkeit und Kooperationsfähigkeit benötigt, um die biologischen Mängel auszugleichen. Einerseits bindet unser an diesen Aufgaben angeschwollenes Hirn Überlebensenergie, andererseits erlauben diese neuen Fähigkeiten auch Schwäche oder energetische Unterdotierung des rein Körperlichen.
Das ist gut so: das geistige Potential des Menschen übertrifft nicht nur sein eigenes körperliches Potential in unvergleichlicher Höhe, sondern auch das körperliche Potential aller anderen Tiere. Menschen schlagen alle tierischen Rekorde durch Geisteskraft.
Der Geist zeigt aber auch ein großes Problem, das die Menschheit bis heute kaum bewältigt oder auch nur verstanden hat:
Freiheit.
Als politische Phrase klingt sie großartig und erstrebenswert, wird dabei aber als Konsumgut interpretiert. Tatsächlich ist Freiheit eine unglaubliche Herausforderung, welche die schwere Bürde der Verantwortung notwendig mit sich bringt. Digitale Formen der Kommunikation und Kooperation sind als Werkzeuge geniale Ergebnisse der Geisteskraft und absichtsvollen Tätigkeit von Millionen von Menschen, die diese neue Infrastruktur schufen und am Leben halten. Wie jedes Werkzeug hebeln sie menschliches Potential – nach oben, wie nach unten. Das Spektrum wird größer:
Die Massenkommunikation hat eine ähnliche Gegenseite wie die Massenvernichtung durch die geniale menschliche Kontrolle der materiellen Welt bis hinunter auf die atomare Ebene.
Die mit Werkzeugen verbundene Verantwortung kann man nun einseitig auf die Anbieter übertragen. Es scheint zunächst plausibel, Schöpfer für ihre Schöpfung zu verantworten. Im Bereich des Digitalen kommt der ehemalige Google-Designer Tristan Harris darauf,
dass die meistgenutzten Webseiten und Apps durchaus genau wissen, worauf in der menschlichen Psyche zu zielen ist, um maximale Aufmerksamkeit im Betrachter zu erregen (Bosker 2016).
Dies geschehe mit erschreckend einfachen, dem Websurfer in größtem Maße unbewussten Appellen an unsere tiefsten menschlichen Bedürfnisse wie die der sozialen Anerkennung.
Wo die Technologie uns als Werkzeug dienen sollte, wäre der Knecht zum Herren geworden, und es würde Zeit, diese Kontrolle zurückzuerlangen, so Harris.
Er fordert eine Neuausrichtung der digitalen Welt, damit der Nutzer wieder zum “freien Akteur” werde, der das das Digitale bewusst und maßvoll nutzt.
Dazu ruft er die Designer digitaler Anwendungen zu Verantwortung auf und fordert eine Art
“Hippokratischen Eid” (Bosker 2016: 2).
Die Befolgung dieses einschränkenden Eides könnte durch Qualitätssiegel angezeigt werden. Die Einschränkung läge darin, Aufmerksamkeitsauslöser zu vermeiden oder bewusst zu machen. Zum Beispiel sollte dem App-Nutzer durch eine Anzeige in Erinnerung gerufen werden, wie viel Zeit er mit der jeweiligen App verbringt.
Eine Konsequenz dieser allzu einseitigen Verantwortungsübertragung ist schließlich der Ruf nach Interventionen. In Analogie zur Tabakindustrie müsste dann bei jedem Klicken eines Like-Buttons auf Facebook ein Warnfenster aufgehen mit einer abschreckenden Botschaft. Denkbar wäre das Bild eines verwahrlosten Digitalsüchtlers oder Aufnahmen der Hirnumformungen.
Das menschliche Hirn ist plastisch und verändert sich durch Verhaltensweisen. Bei Süchten kommt es durch selbstverstärkende Gewohnheiten zur Verkleinerung der Areale, die für Motivation und Entscheidung verantwortlich sind. Da das meiste menschliche Potential im Geistigen liegt, sind digitale Medien „gefährlicher“ als Zigaretten und Alkohol. Gewiss nur im irreführenden Sinne des paternalistischen Interventionismus.
Werkzeuge sind nicht gefährlich, sondern menschlicher Missbrauch. Nicht einmal Waffen töten, sondern Menschen. Zigaretten sind ungefährlich, denn sie rauchen sich nicht von selbst. Ein konsequenter Paternalismus müsste totalitär werden, er müsste alle Konsumentscheidungen überwachen und Zwangsaskese verordnen. Zucker wirkt beispielsweise genauso wie Suchtmittel und schädigt zudem den Organismus. Die allergrößte Gefahr für Menschen geht aber von anderen Menschen aus, insbesondere jenen, die als Herrenmenschen Umerziehungsprogramm planen.
Obamas herablassender Spruch gegenüber Unternehmern „You didn‘t build that“ – Du hast es nicht geschaffen – hat einen wahren Kern. Im Gegensatz zur neidpolitischen Intention ist zwar in der Tat unternehmerische Schöpfungskraft kausales und primäres Element der Wohlstandsschaffung, doch jede menschliche Schöpfung ist co-creation, Mitschöpfung, nicht Alleinschöpfung. Unternehmertum im Rahmen einer Marktwirtschaft ist in enge Bahnen diszipliniert: nämlich jene, die Konsumenten vorgeben.
Neue Produkte sind komplexe Kooperationsergebnisse, bei denen der Wettbewerb Schnelligkeit, Effizienz und Empathie belohnt, aber nicht die Ergebnisse allein vorbestimmt. Ludwig von Mises fasste diese Perspektive wie folgt zusammen:
Die Menschen trinken nicht Alkohol, weil es Bierbrauereien, Schnapsbrennereien und Weinbau gibt; man braut Bier, brennt Schnaps und baut Wein, weil die Menschen geistige Getränke verlangen. Das „Alkoholkapital“ hat weder die Trinksitten noch die Trinklieder geschaffen. Die Kapitalisten, die Aktien von Brauereien und Brennereien besitzen, hätten lieber Aktien von Verlagsbuchhandlungen erworben, die Erbauungsbücher vertreiben, wenn die Nachfrage nach geistlichen Büchern stärker wäre als die nach geistigen Getränken. Nicht das „Rüstungskapital“ hat den Krieg erzeugt, sondern die Kriege das „Rüstungskapital“. Nicht Krupp und Schneider haben die Völker verhetzt, sondern die imperialistischen Schriftsteller und Politiker. Wer es für schädlich hält, Alkohol und Nikotin zu genießen, der lasse es bleiben. Wenn er will, mag er auch trachten, seine Mitmenschen zu seiner Anschauung und Enthaltsamkeit zu bringen. Seine Mitmenschen gegen ihren Willen zur Meidung von Alkohol und Nikotin zu zwingen, vermag er in der kapitalistischen Gesellschaftsordnung, deren tiefster Grundzug Selbstbestimmung und Selbstverantwortung eines jeden Einzelnen ist, freilich nicht. Wer es bedauert, daß er andere nicht nach seinen Wünschen lenken kann, der bedenke, daß andererseits auch er selbst davor gesichert wird, den Befehlen anderer Folge zu leisten. (Mises 1922: 437f)
Diese Perspektive darf man auch nicht überdehnen, um den Unternehmer gänzlich aus der Verantwortung zu entlassen. Doch sie relativiert die Gegenübertreibung, den Unternehmer zum Diktator über willenlose Marionetten zu erklären. Tatsächlich bedeutet Marktwirtschaft ständige Koordination und Kooperation, nicht Diktat.
Allerdings besteht die Marktwirtschaft im eigentlichen Sinne nicht mehr, wir leben heute in massiv monetär verzerrten Mischwirtschaften. Trotzdem bleibt die Essenz der Kooperation unter Fremden, dass sie sich über die Ziele nicht einig sein müssen und sich nur bei den Mitteln treffen.
Digitale Medien sind Mittel und nicht Selbstzweck oder Zweckdiktat, wenngleich sie durch die heutigen Verzerrungen überdehnt und bedenklich verbogen sind. Der marginale Unternehmer, der sein digitales Angebot dopaminergisch intensiver gestaltet, wirkt als Agent einer von (monetär verschobenen) Kunden gewollten Neuanpassung der Produktionsstruktur.
Unter diesem marginalen Konkurrenzdruck leiden etablierte Medien und Verlage. Doch auch diese sind kein Selbstzweck. Es ist überhaupt nicht gewiss, ob das Informationsprodukt, das durch Prestige und mangelnde Dynamik längere Aufmerksamkeitsspannen hält, die Menschen besser macht. Die Verantwortungslosigkeit, die Kurzfristigkeit, der Kapitalkonsum – was sich alles symptomatisch natürlich auch in den digitalen Medien zeigt – wurde in analogen Zeitungen und Büchern herbeigeschrieben und legitimiert.
Das Digitale zeigt nur größere Selbstverstärkung, was den Vorteil hat, dass Entwicklungen schneller sichtbar sind und sich auch eher zu Tode laufen können.
Die digitalen Angebote sind neue Herausforderungen für unsere Freiheit. Sie können Werkzeuge der Selbstzerstörung und Fremdversklavung sein. Eine Hochkultur kultiviert Werkzeuge. Sie kann sogar mit Nikotin, Alkohol, bewusstseinsverändernden Substanzen einen produktiven, potentialsteigernden Umgang entwickeln. Gesundheit ist nicht der höchste Lebenszweck, denn der Körper ist eben das Uninteressanteste am Menschen.
Dass die digitalen Medien in einer Zeit des kulturellen Kapitalkonsums aufkommen, mag sie besonders auszeichnen. Das ist aber Zufall. Gewiss haben sie als neuer Hype in einer enthemmten Gesellschaft, der kulturelle Stützen fehlen, dramatische Auswirkungen, die vermutlich noch unterschätzt sind. Wahre Freiheit wächst aber an der Herausforderung. Die marginalen Mitläuferunternehmer, die kokreativ die letzten Aufmerksamkeitsreserven einer Bewirtschaftung zuführen, werden zum einen Teil scheitern, wie es dank der Marktdynamik immer bei einem Hype der Fall ist. Zum anderen Teil sind sie wertvolle Agenten des Umbruchs, kreative Zerstörer im Schumpeterschen Sinne, welche vielleicht das falsche Ethos des Massenmedialen auf den Boden bringen. Sodass dann irgendwann die Coolness und Relevanz der Neuigkeit redimensioniert wird, wie es bei der Zigarette auch ohne Interventionen irgendwann gekommen wäre: Nicht durch Verbote, die diese noch attraktiver machen, sondern weil von der Zigarette, wenn sie von all der Coolness des Verbotenen, der Auflehnung gegen die furchtbar langweiligen braven Asketen, die alle anderen umerziehen wollen, nicht viel mehr bleibt, als gelegentliches Genussmittel einer kleinen Zahl zu sein, vielleicht sogar höchstkultiviert wie in der Zigarrenkultur, wo die Verknappung den Genuss noch steigert.
Die Wirkung der digitalen Medien wird aus utilitaristischer Perspektive viel gewichtiger sein als die herkömmlicher Suchtmittel, und doch bleibt ein totalitär-utilitaristisches Panoptikon der Umerziehung und Überwachung immer noch die größere Gefahr. Warum sind digitale Medien die verheerendste Droge, die der Mensch bislang entwickelt hat; welche Folgen drohen; und warum bleibt trotzdem Hoffnung für die Freiheit des Menschen?
Jede Droge hat eine positive Seite: Sie stellt eine menschliche Innovation dar, die körperliche Beschränkungen des Menschen zu kompensieren versucht. Alkohol wirkt enthemmend und begünstigt dadurch die soziale Interaktion und Aufrichtigkeit (Kinder und Betrunkene sagen die Wahrheit),
Nikotin und Koffein erhöhen die Konzentration, halluzinogene Drogen führen zu Grenzerfahrungen, andere Drogen begünstigen andere Formen der Ekstase. Menschen, die Opfer von seelischen Störungen im Kindesalter wurden, suchen oft nach süchtig machenden Belohnung […], die für eine Weile Erleichterung und Komfort bieten können. (Lewis 2015: 189)
Die meisten Substanzen, die wir als illegale „Drogen“ assoziieren, sind „gefährlich“ in dem Sinne, dass ihre Nutzung den wenigsten gelingt. Das Risiko für den Durchschnittsmenschen ist zu groß im Vergleich zum Erfahrungsgewinn (Darunter müsste auch das „Geld“ fallen, den auch hier ist eine Droge im Umlauf, deren Nutzung den wenigsten gelingt).
Darum besteht völlig zu Recht sozialer Druck gegen alle Substanzen, die nicht in längerer Tradition kultiviert sind. Es ist Unfug, die eigenen Kinder alles ausprobieren zu lassen, um sie gewissermaßen für immer zu entwöhnen. Verbote können aber mangelnde Normen und mangelnde Erziehung kaum kompensieren, in der Regel vergrößern sie die Verantwortungslosigkeit noch, deren Symptom sie selbst sind. In einer politisierten Zeit krankt auch eine nachträgliche Legalisierungspolitik daran, dass die symbolträchtige Aufhebung eines Verbots als gleichbedeutend mit sozialer Legitimierung angesehen werden kann, insbesondere da die wenigsten heute noch zwischen Politik und Gesellschaft unterscheiden können.
Fast alle Substanzen, die das Bewusstsein verändern, wirken dopaminergisch, sofern die Bewusstseinsveränderung von uns bewusst als positiv aufgenommen wird. Die Enthemmung bei Alkoholkonsum wie die Enthemmung auf dem Fernsehsessel bei Passivberieselung kann als höchst entspannend empfunden werden, sodass die Gewohnheit bei jeder Wiederholung verstärkt wird und wir körperliche Entspannung mit Alkohol- oder Fernsehkonsum gleichsetzen.
Oft wiederholte geistige Verhaltensweisen werden schon aufgrund unserer Neuroplastizität körperlich, da das Striatum [Teil der Basalganglien, die zum Großhirn gehören] aus der Erfahrung lernt und sich danach ausrichtet, was sich in der Vergangenheit gut angefühlt hat und wie schwer es war, dieses Gefühl zu erreichen. So übersetzt es vergangene Freuden in gegenwärtige Wünsche. (Lewis 2015: 72)
Moderne digitale Medien bieten die Innovation, durch mit sehr geringen Transaktionskosten verbundene Handlungen die Intensität des Neuigkeitenerlebens und der sozialen Anerkennung auszulösen. Diese Handlungen unterscheiden sich von anderen dopaminergischen simplen Verhaltensweisen, etwa eine Zigarette anzuzünden oder eine Bierflasche zu öffnen, dadurch, dass sie noch stärkere und unmittelbarere Netzwerkeffekte aufweisen. Wenn alle Kumpel trinken, ist bis heute der soziale Druck, insbesondere bei jungen Männern oft immens, auch zu trinken. Im digitalen Bereich kann die Wechselwirkung globale Dimension erreichen: als ob sich Millionen Menschen zugleich bei einem Trinkgelage gegenseitig bekräftigen.
Ich gehe schon allein aufgrund dieser Entwicklung davon aus, dass beim nächsten Generationswechsel am Arbeitsmarkt die menschliche Produktivität in den bisherigen Strukturen einbrechen wird. Das wäre dramatisch, wenn diese Strukturen überwiegend marktwirtschaftliche und Wohlstand schaffende wären. Leider – hier aber Glück im Unglück – sind sie das nicht. Die mangelnden Konzentrationsspannen der digital natives , ihre Sprunghaftigkeit, ihre tiefe Verunsicherung durch den Anerkennungswettbewerb werden zu neuen Strukturen führen. Anstelle der Umerziehung muss die Selbsterziehung kommen. Die Nerven der jungen Leute sind global überspannt und damit bilden sie ein neues Sensorium, neurotisch und narzisstisch, aber eben dadurch feinfühlig und individuell.
Noch etwas ist positiv an Drogen, wenngleich dieses Positivum noch paradoxer und in der Erscheinung negativer wirkt: Ihre Wirkung lässt nach. Die Flexibilität unserer geistig-körperlichen Verfassung, die uns so anfällig für Drogen macht, hemmt ihre Wirkung, denn der Körper gewöhnt sich daran und verlangt höhere Dosen für dieselbe Wirkung.
Das macht Drogen letztlich für Menschen, die aus ihren Fehlern und den Fehlern anderer lernen, weil sie eigenverantwortlich oder gut erzogen sind, unattraktiv.
Den Alkoholiker erwartet Vereinsamung statt Interaktion, den Kettenraucher fahrige Unkonzentriertheit statt Geistesgegenwart, den Junkie materielle Not statt Überwindung der materiellen Existenz. Den digitalen Süchtler erwarten statt Anerkennung und Neuigkeiten irgendwann Verachtung und bitterste, leerste Routine. Denn das hat die Droge so an sich: Die Sucht entwickelt sich zu einem ungedeckten Bedürfnis, das schließlich alle anderen überschattet und sich weiter und weiter eine eigene verhärtete Schale baut. (Lewis 2015: 193)
Wenn wir Glück haben, kompensieren Digitalisierung und kreative Abkürzungen den Produktivitätseinbruch – im besten Sinne ermöglichen sie ihn. Die digital natives folgen nicht mehr konzentriert falschen Narrativen, sondern suchen dann in den kleinen Schritten, die kurze, aber intensive Konzentrationsspannen erlauben, nach neuen Antworten. Längere Phasen des Lebens gehen zwar in nervenaufreibender Digitalekstase verloren, mit schweren Abstürzen. So wie bislang so manche ihre besten Jahre versoffen oder verkifft haben und später doch brave Steuerzahler wurden.
Analoge Rehabilitation – digital detox – wird manchen auf die Beine helfen, viele werden von selbst aufgrund des Drucks nach höheren Dosen irgendwann die Reissleine ziehen und ihrem Sinntrieb folgen, die meisten dürften aber abdanken für eine virtuelle Konsumwelt, die immerhin wesentlich günstiger aufrecht zu erhalten sein wird und daher weniger Kapitalkonsum erfordert. Relativ betrachtet steigt dabei der Wert der Freiheit und der Lohn für die Freiheit – sodass die Bürde der Verantwortung vielleicht wieder lohnender wird.
Euer Zeitgedanken
Das ist nur vordergründig der Fall. In Wirklichkeit steckt dahinter der Verlust des Ruhepunktes der aus der Geborgenheit einer intakten Familie erwächst. Die heutige Elterngeneration ist durch die Medialisierung des Lebens und der systematischen Torpedierung klassischen Familienstruktur durch den Sozialismus wohl die Terngeneration, die mit enormen Veränderungen zurecht kommen muss, die sie ohne die Eingriffe der Utopisten in die Wertevorstellungen nicht hätte.
Die Jugend sieht sich einer enormen Herausforderung ausgesetzt, wenn die Medien ihnen Werte vermitteln, die sie für die praktische Lebensführung und Selbstfindung wie auch ihre Persönlichkeitsentwicklung nicht brauchen. Das Problem der Jugend sind daher nicht die digitalen Medien, sondern die Eltern, die überfordert durch den Sozialismus such selbst entmachtet und der facto bereits im Kleinkindesakter oftmals auch noch haben abschaffen lassen. Dadurch geht der Jugend und den Kindern nicht nur ein essentieller Ruhe- und Rückkehrpunkt zur Selbstfindung verloren, sondern auch noch die Vermittlung der so wichtigen persönlichkeitsbildenden Merkmale abseits medialer Manipulation und Suggestion.
🙋
✨🦋🙏
Genau das. Es gab digitale Welten bereits vor Social Media und dem Smartphone - ja sogar identische Geräte und Protokolle. Das Internet, PC und sogar Smartphone identische Organizer/PDAs und all diese Dinge hatten nicht annähernd den Erfolg der auf Eskapismus ausgerichteten Suchtboxen.
[konnte all das was Smartphones können, hatte nur ein auf Produktivität ausgerichtetes UI]
und in den späten 90ern, obwohl kaum jemand Internet hatte, war der Zerfall der Familie bereits im Gange. So viele Mitschüler lebten nur mit ihrer Mutter. Die meisten von uns sind Einzelkinder und es wurde immer salonfähiger Oma zu Weihnachten nicht zu besuchen und das jeder sein Ding macht und Kariere eh über allem steht. Die Defizite haben das Leben in der digitalen Welt erst erschaffen. Man musste auf so ein PDA erst das grenzdebile IOS spielen, es um die Schreibfunktion auf dem Display beschneiden und kindliches Tatschen einführen, aus Programmen und Programmierbarkeit, vorgegebene "Apps" machen und es "Smartphone" nennen. Dadurch explodierte dann erst Social Media. Obwohl Zeitgedanken ja richtig liegt, Social Media hat zusätzliche fürchterliche Folgen. Die Suizide bei Jugendlichen stiegen um 50%, Körperbildstörungen, Angststörungen (sogar 70%) und jetzt das Beta Verse, wo man endlich nicht mehr als toxischer Mann erkannt wird und den Job dann als Fee oder Einhorn bekommt...wo führt das noch hin?
In die Unmenschlichkeit - denn all die Folgen, die Du beschreibst sind Ausdruck eines seelischen Zerstörungsprozesses, dessen Wurzeln in der Unmenschlichkeit eines Staatswesens verankert ist.
Schaffe den Wohlfahrtsstaat ab und die Werte verlagern sich innerhalb weniger Wochen, wenn nicht gar Tage in die richtige Richtung.
Das ist natürlich für viele Menschen eine massive Umstellung - aber nur durch den Entzug wird Genesung möglich.
Beste Grüße.
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Ja, da kommt nur Müll raus was ich dazu jetzt geschrieben habe. Ich danke dir für deine für mich vollständige Arbeit! Sie bestätigt vieles von dem was ich vermutet habe und unterstreicht worauf ich mich konzentrieren müsste. :-D
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