Der Jagdtrieb beim Hund - Alles unter Kontrolle?

in Deutsch D-A-CH4 years ago

Auch wenn Hunde heute kaum mehr aus der Gesellschaft wegzudenken sind, waren die Wege von Hund und Mensch quasi vor Kurzem noch getrennt. Noch bis vor Kurzem gingen Wissenschaftler davon aus, dass wir seit etwa 16.000 Jahren gemeinsam den Erdball umstreifen. Doch jüngste DNA-Untersuchungen des Fossils eines, vor 35.000 Jahre lebenden Wolfes, deuten eher auf einen Zeitraum von bis vor 27.000 bis 40.000 Jahre hin.
So ein Zeitraum mag in den Augen eines Menschen sehr groß sein. Doch in der Zeitrelevanz der Evolution, ist es ein Wimpernschlag.

So ist es schon deshalb nicht verwunderlich, dass viele Hunde trotz vieler domestizierter Generationen noch immer einen ausgeprägten Jagdinstinkt aufweisen. Und auch weil sie wohl anfangs die Jagden begleiteten und unterstützten und erst nach und nach für speziellere Zwecke selektiv gezüchtet wurden. Viele Züchtungen wurden im Laufe der Jahrtausende zudem, immer wieder für Zwecke umgezüchtet, für die sie in der jeweiligen Zeit dienlicher waren.
So steckt wohl in jedem heute lebenden Hund ein Jagdhund-Vorfahr, aber mindestens sein Urahn, der natürlich jagende Wolf.

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Canidae und Canidae Aug' in Aug'

Jagdtrieb abgewöhnen

Da der Jagdtrieb auf instinktivem Verhalten beruht, kann er leider nicht komplett abgewöhnt werden. Egal wie sehr man es als Hundehalter versucht, in den meisten Fällen wird ein Hund mit angeborenem Jagdtrieb immer wieder entsprechenden Auslösern begegnen und gegebenenfalls erliegen.
Außer man bricht seinen Willen. Das kann und wird aber nicht im Interesse eines liebenden Hundehalters sein.
Durch geeignete Übungen, ist es dennoch möglich, den Trieb einzudämmen und sogar zu kontrollieren.
Wie bei allen Erziehungszielen, spielt auch hierbei die Achtsamkeit des Hundes gegenüber dem Halter, eine erfolgsentscheidende Rolle.

Den Jagdtrieb erkennen

Es ist nicht falsch, mit der Erziehung früh zu beginnen, um den Jagdtrieb zuverlässig unter Kontrolle zu bekommen. Im besten Fall sollte damit begonnen werden, noch bevor der Hund das erste Mal jagen konnte. Denn mit jeder Jagd wird es schwieriger, dem Trieb Herr zu werden.
Früher sagte man, habe der Hund erst einmal Blut geleckt, sei es zu spät. Heute sieht man für die Erschwernis nach ersten Jagden den Jagdtrieb noch unter Kontrolle zu bringen, andere Kriterien verantwortlich.
Übermäßige Facebook-Nutzer, haben mit Hunden, die schon erfolgreich jagten, recht viel gemeinsam. Beide werden süchtig nach dem Dopamin-Kick. Jede erfolgreiche Jagd wird zum "Schuss".

Jagt der Hund, ist das Malheur schnell geschehen. Rechtliche Konsequenzen drohen zum Beispiel, wenn der Hund Wild erlegte. Umso wichtiger ist es, den Hund jederzeit "lesen" zu können. Sein Verhalten richtig zu deuten.
Von bestimmten Verhalten im Freigang und beim Gassi-Gehen, lässt sich das Vorhandensein eines Jagdtriebes ableiten. Die Auslöser eines Jagdverhaltens, können Geräusche und Gerüche sein, die für den Hund auf das Vorhandensein potentieller Beute hinweisen.
Neben offensichtlichem Verhalten, wie dem unmittelbaren Nachjagen von Vögeln und anderem Kleingetier, sind es auch Bewegungsmerkmale die den Hund des Jagdtriebes überführen.

Wird zum Beispiel der Gang beim eifrigen Schnüffeln vorsichtiger, werden die Füßchen im Schreiten höher gezogen und wird der Bewegungsradius der Nase beim Schnüffeln immer einkreisender und zielsuchender, gar heftiger, deutet das möglicherweise auf eine angehende Pirsch hin.
Bestenfalls liegt aber einfach nur etwas Leckeres in der Nähe, oder eine läufige Hündin hat dort ihre SMS hinterlassen.
Sicherheitshalber sollte man den Hund kurz zurück nehmen und selbst nachschauen. Ein ständiges Vorriechen durch den Hundehalter an Grashalmen und Büschen, ist jedoch nicht zwingend notwendig. :-D

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Am Bekanntesten ist die Jagdstellung, in welcher der Hund während oder am Beginn einer Pirsch nahezu regungslos, ein Beinchen anwinkelnd verharrt und ein Ziel zu fixieren scheint. Er fixiert dann meist auch Eines, selbst wenn der Mensch es nicht gleich wahrnimmt. Hunde haben die schärferen Sensoren und nehmen eine winzige Maus selbst hinter einem Gebüsch wahr.
Je nach Nähe der ersehnten Beute, wird der Hund darauf hin entweder die Pirsch ausweiten oder gegebenenfalls zur Hetze und/oder letztlich zum Zugriff übergehen. Im Klartext - Er wird das Beutetier mit einem schnellen Satz nach vorne angreifen.
Zwischen der Jagdstellung und dem Zugriff können wenige Sekunden liegen. Daher ist hier schnelles Be- und Eingreifen des Hundehalters notwendig. Es könnte allerdings ungünstig für den Hundehalter ausgehen, sollte er sich zwischen den Hund und die Beute werfen.

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Hunde in Jagdstellung.

Wenn ein Hund zur Pirsch übergeht, weil er eine mögliche Beute wahrnimmt, geht er meist abwechselnd von der Jagdstellung zum vorsichtigen Schreiten in Richtung der Beute über. Er schreitet dabei behutsam mit einzelnen Schritten, immer wieder kurz in Jagdstellung verharrend. Kurz vor der Hatz oder dem Zugriffsversuch, wird er wie ein Olympia-Läufer langsam zum Absprung ansetzen, um dann loszustürzen.
Eine nahe Beute wird mit den Vorderpfoten und der Schnauze voraus angesprungen und dann tot gebissen, manchmal auch tot geschüttelt oder beides.
Befindet sich die Beute weit genug weg, dass sie flüchten kann, geht der Hund zur Hatz über.
Man kann dem Hund dann noch hinterher rennen. Erfolgreich dürfte das auf freiem Feld selten sein.

Alles unter Kontrolle

Ziel der Erziehung zur Kontrolle des Jagdtriebes ist es, die Achtsamkeit des Hundes auf seinen Halter zu perfektionieren. Der Hund soll in jeder Situation empfänglich für Kommandos und Vetos des Halters werden.
Neben den Übungen sollten auch Jagdalternativen geschaffen werden. Es ist abhängig von der Persönlichkeit des Hundes, welche Alternativen in Fragen kommen. Manchen Hunden ist mit Apportier-Spielen geholfen, andere gehen in Suchspielen auf. Letztlich ist jegliche Alternative kein Ersatz, sondern soll die Ausgeglichenheit des Hundes fördern.
Meinen damals jagdliebenden Schäferhund, konnte ich mit Apportier-Spielen derart ermüden und gleichzeitig beglücken, dass er danach gar keine Lust mehr zum Jagen hatte.

Gerade am Beginn der Erziehung, kann man mit Leckerlis arbeiten. Zum erfolgreichen Lernen, sind Belohnungen sehr förderlich. Die meisten Hunde freuen sich immer über etwas Leckeres zwischendurch und das Dopamin-Belohnungsystem des Hirns wird dadurch noch zusätzlich angefeuert.
Mit einem Leckerli hat man aber zumindest die Aufmerksamkeit des Hundes sicherer als ohne.
Beim Üben können die Leckerlis zwischendurch immer wieder weg gelassen und der Hund dann lediglich gelobt werden. Alleine die Tatsache, dass ein Leckerli im Spiel sein könnte, reicht dem Hund irgendwann als Ansporn.
So lässt sich der Hund für einige Übungsdurchgänge motivieren und lernt aufgrund der Wiederholungen.

Die Achtsamkeitsübungen können in nahezu jeder Situation gemacht werden, um den Hund später auch in jeder Situation achtsam zu haben.
Wenn der Hund gerade beschäftigt ist, kann man ihn in seiner jeweiligen Tätigkeit durch den Namensruf unterbrechen, belohnen und loben und dann fortfahren lassen.
So habe ich meine Hunde immer mal wieder beim Spielen, beim Laufen auf dem Gassi-Weg oder beim Schnüffeln unterbrochen. Solange, bis ich wusste, ihre ungeteilte Aufmerksamkeit jederzeit zu haben.

Sobald ein Hund diese Achtsamkeit beherrscht, kann man ihn zumindest dann, wenn der Trieb gerade erst ausgelöst wurde, wieder "rausholen", ablenken und wegführen.

Der Jagdtrieb mancher Hunde ist jedoch derart stark, dass man ihn aus eigener Kraft nicht unter Kontrolle bekommt. In diesem Fall kann man in Hundeschulen Anti-Jagd-Trainings buchen.
Der Hunde-Trainer entscheidet dann nach Anamnese, ob Einzel- oder Gruppen-Stunden durchgeführt werden und wie das Training aufgebaut sein wird.

Rechtliches zum Jagdtrieb

Vor einigen Jahren wurde der Hund eines meiner Bekannten im Wald von einem Jäger erschossen. Dieser argumentierte mit Wilderei, da der Hund gerade einem jungen Reh hinterher hatzte. Er war juristisch im Recht. Mein Bekannter blieb auf hohen Kosten, in Form von Strafgeld und den Gebühren vom Tierarzt und dem Krematorium sitzen.

Sobald der Hund einem wilden Tier hinterher rennt, und sei es nur um es zu verjagen, wird dies zumindest in Deutschland nach § 292 StGB wegen Versuchsstrafbarkeit strafbar. Der Versuch besteht hier aus dem Nachstellen des Wildes.

Viele Grüße
QuantumG

Bilder-Rechte: Die Fotografien habe ich selbst oder meine Frau von eigenen Hunden gemacht. Gerne darfst du sie aber verwenden, wenn du sie gebrauchen kannst.

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