Erdogan versteht die Folgen von zu hohen Zinsen

in Deutsch D-A-CH3 years ago

Liebe Hivegemeinde,
Liebe Freiheitsfreunde,
Liebe Freiheitsfeinde,
Liebe Türken,

dass ich einmal Erdogan loben muss, hätte ich mir auch nie gedacht.

Die offizielle Meinung (an die ich natürlich immer halte), ist ja dass Erdogan mindestens so böse ist wie Trump und Putin.
Fragt man Türken in Deutschland finden ihn 50% super, 50% hassen ihn.
Suchst Euch aus.

Scheinbar versteht er aber von Geld und Zins mehr als ein großer Teil der Akademiker.
Deshalb hat er auch den Zentralbankchef gefeuert.

Turkey’s president has fired the central bank governor, who in his four months in office had won the praise of investors for hiking interest rates and promising tighter monetary policies.
[...]
In a decree published in the Official Gazette early on Saturday, President Recep Tayyip Erdogan announced the departure of Naci Agbal, a former finance minister.
He is to be replaced by a banking professor who has argued for lower interest rates.
Agbal was brought in to lead the central bank after the Turkish lira hit record lows and inflation soared. In his months in office, Agbal had hiked the benchmark rate a total of 875 basis points, working to rebuild the credibility of the central bank after it was damaged by years of unorthodox policies.
Agbal’s most recent hike of 200 points on Thursday took the rate to 19 percent, which was higher than analysts expected.
Erdogan is openly averse to high interest rates, claiming high rates cause inflation, which stands in opposition to mainstream economic theory.
Quelle

Wo Erdogan recht hat

Hundertprozentig hat es Erdogan noch nicht kapiert, aber die Hälfte richtig zu haben ist ja auch schon was.

Schauen wir uns noch einmal den letzten Satz in dem zitierten Artikel an:

Erdogan is openly averse to high interest rates, claiming high rates cause inflation, which stands in opposition to mainstream economic theory.

Johann Philipp Freiherr von Bethmann hat immer gesagt:

Je höher der Zins desto schlechter das Geld.

Genau so ist es.

Ein hoher Zins zeigt u.a. immer das Risiko an, dass die Schuldner nicht zahlen können.
Hohe Zinsen führen aber gerade dazu, dass manche Schuldner platzen, was zu noch höheren Zinsen führt.

Zinsgutschriften führen immer dazu, dass die Geldmenge steigt (die Zinszahlungen des Einen sind die Zinseinnahmen des Anderen).
Was erst einmal noch nicht problematisch ist.

Da aber bei hohen Zinsen immer mehr Schuldner wackeln, entsteht Geld, das möglicherweise nicht gedeckt ist und bei einem Schuldnerausfall von den Banken ausgebucht werden muss, was wiederum das Eigenkapital der Banken reduziert.

Reicht das Eigenkapital der Banken nicht aus, gehen sie pleite und die Guthaben der Sparer, die nichts anderes sind als Forderungen gegenüber der Bank, sind auch verloren.

Ein zu hoher Zins führt also dazu, dass das Geld wie ein Krebs wuchert.

Steigende Zinsen führen auch dazu, dass die Preise immer weiter steigen (irgendwie muss man die Zinsen ja bezahlen).
Außerdem sind - bei der Erwartung noch weiter steigender Zinsen - hohe Zinsen heute, noch niedrige Zinsen.

Man verschuldet sich also besser noch heute, als morgen und man kauft noch besser heute als morgen.
Dies treibt die Preise.

Wann ist der Zins zu hoch?
Fragen wir doch noch einmal bei Bethmann nach:

Die Zinsen sind dann zu hoch, wenn sie über die Produktivitätsrate der Wirtschaft hinausgehen.

Wo das geschieht, kostet das Geld mehr als es bringt.

Je höher die Zinsen steigen, desto mehr Geldforderungen werden faul und sind am Ende unbezahlbar.

Wenn es möglich ist, durch Zinserträge höhere und sichere Renditen zu erwirtschaften als durch produktive Investitionen, dann braucht man sich über den zunehmenden Mangel an Arbeitsplätzen nicht zu wundern.

Überhöhte Zinsen sind nichts anderes als inflationäre Geldvermehrung, also Inflation selbst.

Quelle: Der verratene Kapitalismus

Möglicherweise hat Erdogan Bethmann gelesen.

Wo Erdogan nicht recht hat

Auch wenn es Politiker, Zentralbänker und Ökonomen gerne hätten, Zinsen kann man nicht diktieren.

Vielmehr müssen die Zentralbanken den Märkten folgen, um keine Arbitragemöglichkeit zu bieten.

Schauen wir uns einmal an, wie die Märkte auf Erdogans Entscheidung reagiert haben.

Zinsen auf die 10-jährigen türkischen Staatsanleihen:
Screen Shot 2021-03-22 at 7.35.34 PM.png

Wie man sieht sind die Zinsen heute geradezu explodiert (und die Anleihenkurse entsprechend abgestürzt).

Wer jetzt wie ein Mainstreamökonom denkt wird bestimmt glauben, dass der Kurs der türkischen Lira gegenüber dem USD zugenommen hat.

Schließlich vertreten die Ökonomen immer die Theorie, dass bei hohen Zinsen Geld in die Anleihen eines Landes fließt.

Natürlich ist das völliger Unsinn.
Hohe Zinsen kommen ja nicht aus der Luft.

Hohe Zinsen sind geradezu ein Zeichen, dass Geld aus den Anleihenmärkten fließt (und oft das Land verlässt).

Selbstverständlich ist die türkische Lira zusammen mit den Anleihenkursen abgestürzt.

Screen Shot 2021-03-22 at 7.45.11 PM.png

Hier muss Erdogan also noch nachsitzen.

Mal schauen wie lange der neue Zentralbankchef hält...ich hätte Zeit, falls die Bezahlung stimmt.

Sort:  

Zu hohe Zinsen sind in der Tat ein großes Problem. Zu niedrige Zinsen taugen allerdins auch nicht. Ich wünschte, die Welt würde wieder normal.

Fallende Zinsen sind nichts ungewöhnliches.
Ein Zeichen von Fortschritt.
Sie fallen schon seit dem Mittelalter (da gab es noch gar keine Zentralbanken)

Simon van Halen to.jpeg

Kann man Zinsen nicht einfach verbieten? Dann sind alle wieder lieb zueinander.

Das haben schon etliche versucht, nicht nur Religionen, und sind alle gescheitert. Denn ohne Zins gibt niemand Kredit mit Ausnahme des engsten Familien- und Freundeskreises. Oder hast du deiner Bank schon mal Kredit (= Sparen) ohne Zins gegeben?

Darum ist es auch von Vorteil, sich anzufreunden und Familie zu haben :)

Klar geht das.
Ein Staat muss einfach aufhören Anleihen herauszugeben.
Anleihen dienen ja nicht der Finanzierung, sondern der Kontrolle der Inflation.
Bevor Du als Bürger oder Bank Anleihen (die man nur in staatlicher Währung bezahlen kann) kaufen kannst, muss Dir der Staat erst dieses Geld geben.
Deshalb ist Staatsverschuldung (in eigener Währung) ja keine wirkliche Verschuldung.
Die Amerikaner hatten bis Anfang der 70er Jahre Treasury Notes, also Geldscheine, die direkt vom Finanzministerium ohne den Umweg über die Fed herausgegeben wurden.
Könnte man jederzeit machen.

Aber solange es Anleihenmärkte gibt, bist Du dem Zinsdiktat der Märkte unterworfen.
Was aber auch kein Problem ist.
Man gibt einfach mehr Anleihen aus und sammelt die Zinsen wieder ein.

Das Geld ist nie das Problem.
Die Türkei muss ihre wirtschaftlichen Probleme in den Griff bekommen. Der Rest gibt sich von selbst.

Der Staat ist das Problem.

Solange Zwangsweise der Bürger in Anleihen investieren muss, weil der Staat sein Gewaltmonopol durch MIssbrauch des Rechts dazu nutzt die Bürger zu nötigen Teile ihres Lohnes als Altersvorsorge in Anleihen zu investieren, wie bei vielen Versorgungswerken, ist die Enteignung des Bürgers durch Ausgabe von "Zwangsanleihen" nix anderes als Diebstahl - so wie Steuern es ebenso sind.

Denn stirbt der Bürger bevor er das Renteneintrittsalter erreicht bleibt für die eigene Familie nichts davon übrig - sieht man mal von dem Almosen wie Witwen und Waisenrente ab.

Schaffen wir den Missbrauchsstaat ab mitsamt seinen illegitimen Regierungen, dann könnte am Ende vielleicht was draus werden - aber nicht so, wie es derzeit in Deutschland und Europa läuft.

Ich mach mir langsam ernsthaft Sorgen. Wenn eine offenbar nicht ernst gemeinte Frage geduldig beantwortet wird... Hab ich die letzten Jahre echt so einen dämlichen Eindruck hier hinterlassen :-)?

Es war mir schon klar, dass die Frage nicht ernst gemeint war.
Trotzdem war die Antwort darauf sehr wichtig.
Du weißt ja, Weltfrieden, Klimawandel, Gender-Dings, usw.