Dienstag – allerlei Dorfgeschichten mit emotionalem Beigeschmack

in Deutsch D-A-CH2 years ago (edited)

Du findest nicht überall Bohnen, nur weil da Stangen stehen!



Birnen im Alkoholrausch und Blaue Bohnen auf Friedensmission


Die Natur mag zwar festen Regeln folgen, doch von einer geordneten alphabetischen Reihenfolge hält sie verhältnismäßig wenig. Der Apfel oder die Aprikose müssen nämlich mitunter der Birne und den Bohnen den Vortritt lassen. Dass dabei die Gurken kurzerhand die Gunst der Stunde nutzen und sich mir nichts, dir nichts zwischen die B’s mischen, sei ihnen vergönnt. Wenn sie später erst einmal geschält sind, und das wissen sie nur zu gut, übersieht man sie nämlich leicht.


Wie sich das für Drängler gehört, werden sie rigoros gehäutet, entkernt und in dünne Scheiben geschnippelt. Dill, Salz, Pfeffer, Rapsöl (Olivenöl, kalt gepresstes Sonnenblumenkernöl) oder (noch besser und anstatt) griechischer Joghurt, Senf und Knoblauch.

Aber, das bereits Erwähnte kann nach Belieben gedreht und gewendet werden, eine Bohne, egal in welcher Form und Farbe, drängt sich grundsätzlich in den Vordergrund. Das mag damit zusammenhängen, da die Sippe so fürchterlich Mode-versessen ist. Es vergeht doch wahrhaftig kein Jahr, in dem nicht eine dieser nach Rampenlicht gierenden Grazien mit einem neuen Gewandt auftaucht. Grün, blau, gelb, gepunktet oder gestreift. Mal schlank, dann breit in der Hüfte oder das Model XXL-Oversize. Es gibt die, die konsequent bodenständig auf dem Laufsteg verweilen, während sich die andere Sorte lasziv an der Stange räkelt.

Wachsbohnen, breite und blaue Bohnen: gewaschen, geputzt und bereit für das Bad.

Aber, wenn es um Frauen (also die Bohnen) geht, ist selbstverständlich ein Kenner wie ich gefragt. Egal von wo – gepflückt werden sie alle. Und dann heißt es: Runter mit den Hüllen!
Mit dem Messer zu drohen, das ist nicht mein Stil. Außerdem enthüllen sich zarte Bohnen von ganz allein. In meinen Händen werden sie zu Wachs. Dann sind da ja auch noch die Diven, die nur auf den Griff zum Reißverschluss warten, damit sie sich für mich öffnen können.
Ja, man muss eben einfach das richtige Händchen haben!

Nach dem Blanchieren haben sich die „Blauen Bohnen“ zu Grünen mit friedliebenden Absichten verwandelt. Das Vakuum verhindert den unnötigen Besuch von Eiskristallen.

Ganz im Gegensatz zu den Bohnen mögen Birnen das Bad im heißen Salzwasser überhaupt nicht. Besonders die Damen der älteren Generation, die sich bereits so früh im Jahr in ihrem gelb-grün-roten Kostüm zeigen.

Diese ganz alte Birnensorte hat so gut, wie nie mit Krankheiten zu kämpfen und eignet sich hervorragend für den Ansatz von Schnäpsen und Likören. Für Kompott fehlt es ihnen an körperlicher Größe.

Wenn überhaupt Flüssigkeit, dann höchstens der edle, vergorene, rote Rebensaft oder den klaren Hochprozentigen. In dem halten sie es monatelang aus, ohne dass es ihnen langweilig werden könnte. Wenn sie nach diesem langen Liebesspiel mit dem Klaren ihren ganzen Charme versprüht haben, erst dann treten sie die Flucht in schmale, elegante Flaschen an und lassen sich ab dann nur noch mit ihrem Adelstitel ansprechen: Eau de Vie – Poire!

Bei so vielen nackten Birnen im Spa-Bad werden die Sauerkirschen nebenan ganz rot, während die halb gar geschnippelten Walnüsse verschämt die eigenen Räume abdunkeln.

So ist das bei uns auf dem Land. Erotik pur – egal wo du hinschaust oder was du angreifst. Daher bin ich bereits ganz gespannt, was mir die nächste Woche beschert.

Die expandierende Einsamkeit im Dorf und ihre skurrilen Folgen.

Der Antrag auf staatliche Beihilfen für den entstandenen Schaden an den jungen Reben im Weinberg, nach einem mehr als heftigen Hagelschlag, ist ausgefüllt und benötigt lediglich noch die Unterschrift der Antragstellerin, um in den kommenden Tagen der zuständigen Behörde zugestellt zu werden.
Für mich, der Formular-Ausfüller und behördlicher Antragsteller vom Dienst, eine eher routinemäßige Prozedur, mit jedoch äußerst erfreulichen Auswirkungen auf mein körperliches Wohlbefinden.
Das oberste Gebot im dörflichen Miteinander: Jeder hilft jedem und am Ende ist allen damit gedient. Dieses Prinzip funktioniert seit meinem Erscheinen auf der hiesigen Bildfläche (30 Jahre) nach wie vor par excellence. Wir schlachten unsere Tiere nicht, da ich, die einem solchen Akt folgenden Konsequenzen meiner Frau, noch nicht einmal erahnen möchte, kann jedoch ein gebärfreudiges Schaf eintauschen gegen Kartoffeln, Mais oder Rüben, was wiederum beim verbliebenen Viehbestand äußerstes Wohlwollen hervorruft.

Außerdem wird bei meinem Eintreffen im bäuerlichen Heim so manch versteckte Tür zu den geräucherten Köstlichkeiten geöffnet, deren Verkostung allein mir vorbehalten ist.
Doch bevor aus der Seite Bauchspeck ein ansehnlicher Happen herausgeschnitten wird, muss ich, ähnlich einem Seelsorger, den riesigen Rucksack öffnen, um Platz für all die Sorgen, Ängste und biblisch begründete Vorahnungen zu schaffen, die bei der Gelegenheit abgeladen werden.
Vor ein paar Jahren war das noch ganz anders. Da hatte jeder und jede einen Partner oder ansprechbaren Nachbarn und somit funktionierte die verbale Müllabfuhr reibungslos. Fakt ist jedoch, dass Partner und Nachbarn der monatlichen Nebenkosten überdrüssig waren und sich in einen unbeheizten Sarg zurückzogen. Seither läuft die Kommunikation auf dem Friedhof zwar regelmäßig, jedoch eher einseitig, was auf Dauer auch keinen Spaß macht.
Wer sammelt somit das Aufgestaute auf?
Ich weiß oder bin informiert, im Grunde genommen, über alles. Wer mit wem und weshalb oder wieso inzwischen nicht mehr. Wer fungiert im Dorf als Hexe und hat die Verdächtigte überhaupt die Legitimation und das dazugehörige Buch? Ich erfahre, wer im letzten Herbst sich über meine Walnüsse hermachte und einen Blick auf die drei fetten Buchen geworfen hat, die ganz oben an einem meiner Waldgrundstücke prächtig gedeihen.
Ich trete den Nachhauseweg an. Mit Bauchspeck der wirklichen guten Sorte, hausgemachter Salami und einer Dose Kräutersalbe für meine Frau. Zudem soll ich noch beste Grüße übermitteln.
Das Problem bei der Sache ist lediglich, dass ich mit etwas gefüttert werde, was die vereinsamten Menschen sich ausgedacht oder zusammengereimt haben. Das mag tragisch klingen, ist aber die Realität.

Das schlimme Schandmaul schließt sich zuletzt!

Ich will überhaupt keine Prognosen wagen, wie ihr euch zwischen den Regalen des heutigen Gemischtwarenladens zurechtgefunden habt. Doch möchte ich nicht abschließen, ohne Ludwig Hirsch zu Wort kommen zu lassen, der wundervoll das in Lyrik fasst, was aus der dörflichen Fantasie sich entwickeln kann.

Herr Hirsch, Ihre Erfahrungen sind gefragt …


Nein, es ist keine harte Kost zum Abschluss, sondern lediglich der Hinweis darauf, dass wir uns in unserer Akzeptanz des Miteinanders noch immer nicht gefunden haben.
Ich diene liebend gerne (auch ohne Salami oder Schinken) als Mülleimer für das Angesammelte, für das sich scheinbar niemand mehr, kurz vor der Verabschiedung aus dem Leben, zu interessieren scheint.

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Vielen Dank für diese geistreichen und wohl formulierten Zeilen. Insbesondere die Birnen haben es mir angetan. Eine durch und durch fantastische Frucht.

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