Danke, Oma, ich liebe dich!

in #oma7 years ago (edited)

Nachdem sich neulich eine kurze Unterhaltung über Großmütter entspann, habe ich gerade beschlossen, meiner Oma hier ein paar Artikel zu widmen.

Ich habe mich vor einigen Jahren sehr intensiv mit ihrem Leben befasst. Und außerhalb meiner jahrelangen Enkelin-Perspektive wurde mir ganz deutlich, was für eine starke, liebevolle, fürsorgliche Frau, Mutter, Oma sie war.

Ich werde Dir hier über sie erzählen und freue mich, ihr Andenken noch einmal hoch zu halten.

Zuerst sollst Du wissen, dass meine Oma schon fast 10 Jahre tot ist und dass sie sich definitiv freut, dass ich dir von ihr erzähle.

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Ich stelle Dir hier also Erna, meine Oma vor.

So, wie ich sie gekannt habe und so, wie ich sie nicht gekannt habe, weil ich an einem großen Teil ihres Leben nicht teilgenommen habe - nämlich an dem Teil, der vor meiner Geburt stattgefunden hat.

Los geht´s!

Erna Johanna R. wird am 2. Oktober 1919 in Wensöwen, Kreis Johannisburg, Ostpreußen (heute: Wezewo, Polen) geboren. Sie ist das vierte Kind des Bauernehepaares Wilhelmine und Gustav R., hat zwei jüngere Brüder, Kurt und Horst, und drei ältere Schwestern, Ida, Hedwig und Lise. Ihr Rufname ist lebenslang Erna. (Meine Schwester und ich nannten sie manchmal liebevoll "Erni", besonders, wenn sie versuchte, wütend auf uns zu sein.)

Erna besucht sechs Jahre lang die Dorfschule. (Überleg mal, 6 Jahre Schule ist nicht wirklich viel, oder?) Im Turnen und Schönschreiben zeigt sie nach eigenen Angaben besonders gute Leistungen. Anschließend absolviert sie eine kurze Ausbildung zur Näherin und arbeitet danach auf dem elterlichen Hof. Nach eigener Aussage wäre sie gern Sportlehrerin geworden.

(Für mich als Enkelin ist das tatsächlich eine seltsame Vorstellung: meine Oma als Sportlehrerin. Für mich als erwachsene Frau ist die Idee gar nicht mehr so sonderbar!)

Erna erzählt ihren Enkelinnen (meiner Schwester und mir), dass sie, als jüngste Tochter, auf dem Hof ihrer Eltern Gänse gehütet habe. Sie berichtet, dass die Gänse in der Regel vom jüngsten Familienmitglied gehütet wurden und sie sehr wachsam sein musste, denn es durfte keine Gans verloren gehen. Sie sagt, dass diese Aufgabe langweilig und es manchmal schwierig gewesen sei, dabei nicht einzuschlafen.
(Ja, sowas hat meine Oma mir erzählt, als ich klein war :) )

Ab und zu darf sie anstelle ihrer Großmutter auch Butter stampfen, was sie nach eigener Aussage als eine Art Beförderung empfand, dann aber hinzufügt, dass Butter stampfen eine anstrengende und langwierige Arbeit gewesen sei.

Auf dem Bauernhof gibt es ein Fahrrad,

mit dem sie auch schon mal in die Stadt Arys gefahren sei. (EIN Fahrrad für so viele Leute! Das haben sie bestimmt gehegt und gepflegt, damit es immer einsatzfähig war!! Und wahrscheinlich ist sie im Stehen gefahren, weil die Stange zu hoch war. Und Schuhe hatte sie auch nicht an, im Sommer.)

Erna erzählt von einem ihrer Brüder (ich kann mich nicht mehr erinnern, ob es Horst oder Kurt gewesen ist). Sie waren gemeinsam in den Feldern unterwegs und Erna hatte eine Blase am Fuß. Ihr Bruder habe ihr aufgetragen, die Schuhe auszuziehen und die Augen zu schließen, um dann in den Schuh, der sie sehr drückt, zu urinieren (was Erna ja nicht gesehen hatte!). Als sie den Schuh anzieht und merkt, dass er feucht ist, habe er ihr erklärt, dass der Urin das Leder weich mache und dass er das in der Armee gelernt habe.
(Sie hat mir diesen Trick nicht direkt ans Herz gelegt und ich merkte, als sie mir davon erzählte, dass sie es immer noch unerhört fand, dass ihr Bruder sie so reingelegt hatte, und auch ein bisschen ekelig! Ich wette allerdings, dass sie mir zumindest angeboten hätte in meinen Schuh zu pinklen, wenn er mir Schmerzen und Blasen bereitet hätte!)

Ihre zwei Brüder Horst und Kurt sterben im 2. Weltkrieg, ihr Vater ist während des Krieges vermisst.

So, dieses war der Anfang meiner "Ode an Erna"

Ok, es ist nicht wirklich ein Gedicht - "Ode an Erna" klingt aber so schön ;)

Ich erzähle Dir bald mehr aus ihrem Leben.
Zum Beispiel, wie sie meinen Opa geheiratet, meine Mutter geboren und den Krieg hinter sich gebracht hat.
Sie ist eine von den vielen Frauen, die ihr Leben lang geschafft und gespart hat, um eine besseres Leben für sich und die Ihren zu erschaffen.

Danke, Oma!

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Tolle Geschichte!

Ja, find ich auch :) Was haben Frauen vor uns alles erreicht, damit wir es heute anders haben, als sie...