Der Patient - Rache, das Vergnügen des Weisen

in #writing6 years ago

derpatient9.jpg


Rache, das Vergnügen des Weisen


Um mein Gegenüber wach zu halten verpasse ich ihm zwei dezente Ohrfeigen. Dann räuspere ich mich und beginne mit dem, was mir schon so lange Vorfreude bereitet.

» Bevor ich mit dem beginne, was ich speziell für dich im letzten Jahr vorbereitet habe, möchte ich ein Zitat vorstellen. Wer halb sich rächt, der bringt sich in Gefahr. Interessant nicht wahr? «

Ich stoppe meinen Monolog für einen Moment und lasse das Gesagte wirken, ehe ich anknüpfe. » Nun bin ich ja ein Mensch der, wie du weißt, nur ganze Sachen macht. Allerdings impliziert dies ja indirekt, dass ich es mit dir beenden muss. Das hat mir um ehrlich zu sein, lange zu denken gegeben. Denn dein Tod alleine, der würde mir in Anbetracht deiner Wertlosigkeit nichts geben. Er würde die zehn Jahr Lebenszeit, welche du mir mit dem Stehlen meiner Arbeit genommen hast, nicht ausgleichen. Nein, für diese zehn Jahre ist der Tod sicher alles, nur keine angemessene Strafe. Zum Glück sind meiner Kreativität allerdings keine Grenzen gesetzt, sodass ich eine zufriedenstellende Lösung gefunden habe. Zunächst aber, rauche ich noch eine Zigarette. Du auch? «

Ich lache während ich ihm das Zigarettenpäckchen einige Zeit unter seine Nase halte. So überaus großzügig, wie Jack mit dem Panzertape war, konnte er nur noch durch diese atmen. Es wundert mich fast schon, dass diese Memme aufgrund ihrer zwei zertrümmerten Hände nicht bewusstlos in dem Stuhl hängt.

Mit einem Klicken entzünde ich die Zigarette und genieße die nächsten fünf Minuten, während ich in das von Schmerz und Angst gezeichnete Gesicht meines Gegenübers blicke. Ich kenne diesen Mann schon ewig, wir waren wirklich gute Freunde über Jahrzehnte und heute… Aus lauter Hass, der meine Wut, binnen kürzester Zeit, verdrängt hat, habe ich sogar seinen Namen vergessen. Wenn ich ihn heute ansehe erkenne ich keinen Menschen mehr in diesem Etwas. Er ist nur noch Chernyy Krysa, die schwarze Ratte, ein Verräter, dessen Verrat ihn alles kosten wird.

» Ich habe dir ein Universum eröffnet, welches für dich nicht existiert hat. Ich habe dich an einer Idee beteiligt, ohne etwas von dir als Gegenleistung zu verlangen und du? Du hast mich betrogen und das Vertrauen genutzt um mir das gesamte Projekt zu stehlen. Gleich mit dem Stehlen sind die zehn Jahre, die ich zur Aufstellung und Realisierung der Idee verwendet habe, einfach bedeutungslos geworden. Und was hattest du davon mich zu verkaufen? Egal was nun in deinen Gedanken schwirrt, ich sage dir, was du davon hast: Das vergangene Jahr als Heuchler, das heutige Arrangement und die, wohl doch schwerwiegenden Folgen eben jenes Arrangements. «

Für einen Moment blicke ich den, immer noch durchnässten, Typen an, wie er dort sitzt. Dann hole ich ein kleines metallisches Röhrchen aus meiner Tasche und halte es ihm vor die Nase.

» Das ist mein neues Projekt. Ob du es glaubst oder nicht, es ist dir gewidmet. Aber nicht, dass du jetzt Abhebst weil du diese Anerkennung genießt. Es ist mehr Mittel zum Zweck, mir meine Rache zu verschaffen. Einen Moment, ich erkläre es dir sofort. «

Ich schiebe einen kleinen Stift an dem Röhrchen hoch, sodass eine unvorstellbar dünne Nadel ausgefahren wird. Diese stecke ich meinem Gegenüber direkt in seinen Hals.

» Genial oder? Die Technik ist auch neu, aufgrund der Beschaffenheit der Nadel spürt man ihr Eindringen nicht einmal. Das Injizieren des Inhalts erfolgt automatisch, sobald die Nadel eine geeignete Injektionsumgebung angetroffen hat. Und jetzt, jetzt kommt das Beste in der ganzen Sache. «

Wieder schmunzle ich, während ich erstmals einen Ausdruck der Verunsicherung erkennen kann, der sein Gesicht nun ebenfalls ziert.
» Der Tod ist keine Strafe, nicht für das, was du getan hast. Das wissen wir beide. Die Lösung dieses Problems habe ich wie immer in der Nanotechnik gefunden. Ich dachte mir, die Strafe soll möglichst auf das passen, was du mir angetan hast und zusammengefasst hast du mir zehn Jahre einfach so gestohlen. Daran habe ich mich dann orientiert und siehe da, eine Möglichkeit entwickelt dies zu verwirklichen. Soeben habe ich dir einen Mikroroboter injiziert, welcher gleichauf einen Nervenknoten in deinem Gehirn anpeilt, der für die zentrale Steuerung aller Nervenimpulse verantwortlich ist. Sobald er diesen erreicht hat, kann er per Fernsteuerung aktiviert werden, woraufhin er die Steuerung der Impulse übernimmt. Er ist dann so eine Art neue Schaltzentrale für deinen Organismus, damit du auch folgen kannst. «

Langsam scheint er zu verstehen, zumindest verraten dies seine Augen. Die neu aufgekommene Angst hat Schmerz und Verunsicherung aus dem Gesicht vertrieben oder überstrahlt diese zumindest erfolgreich. » Genauer gesagt ist Wormey, ja so habe ich ihn getauft, gut nicht wahr? Also genauer gesagt ist er darauf programmiert, dass er das Aussenden von Impulsen vollständig verhindert. Nicht aber blockiert er eingehende Impulse. Auf dich hinunter gebrochen bedeutet dies, dass du vollständig gelähmt sein wirst. Kein Sprechen, kein Bewegen der Gliedmaßen, keine Kommunikation in die Außenwelt. Allerdings nimmst du alles wahr und bist bei klarem Verstand. Du siehst, hörst, fühlst, riechst und kannst ganz normal denken, also insofern du es von Geburt aus eben kannst, oder auch nicht. Das ist meine Antwort auf deine Illoyalität. «

Noch vor einiger Zeit hätte mein Gewissen verhindert, dass ich Rache, wenn überhaupt, so genüsslich vollziehe. Doch in diesem Moment ist dort nichts, kein Gedanke an die Moral, kein Gedanke an irgendein Unrecht, welches ich, gleich aller Gründe, anrichte. Es scheint mir einfach richtig.

» Ich werde dir gleich das Tape abnehmen und dich deine letzten Worte sprechen lassen. Danach wird Wormey aktiv werden und sich für zehn Jahre in deinem Gehirn einnisten. Nach diesen zehn Jahren hast du deine Buße vollbracht und der Zustand wird aufgelöst. Allerdings erinnerst du dich sicher an das Zitat bezüglich der Gefahr beim Machen halber Sachen… Aus diesem Grund wird der kleine Roboter nach besagter Zeit explodieren. Und keine Angst, wenngleich er so winzig ist, dass er durch diese Nadel passt, er wird deinen gesamten Schädel zerfetzen. Ach, und die Nanotechnik ist doch tatsächlich so wundervoll, dass es unmöglich ist die Ursache für deinen Zustand herauszufinden. Es ist einfach… Perfekt. «

Ich erhebe mich und beginne damit das Klebeband von ihm zu entfernen. Jack hat wirklich nicht untertrieben, sodass das Abziehen einiges an Zeit in Anspruch nimmt.

» Ach sieh da, hat er dir den Mund auch noch mit Sekundenkleber zugeklebt. Der gute Jack, wirklich ein guter Kerl. « Ich pausiere einen Moment, während ich zwei Zigaretten aus meiner Schachtel hole.
» Ein Vorschlag, du kannst eine letzte Zigarette rauchen. Ich schneide deine Lippen auseinander, es wird etwas brennen, aber ist ein Angebot. «

Mein Gegenüber nickt, trotz seiner enormen Angst, die sich deutlich in seinen Augen abzeichnet. Folgend ziehe ich ein kleines Messer aus meiner Tasche hervor, welches ich immer zur Hand habe. Vorsichtig öffne ich seine Lippen, sogar ohne dass sie überaus viel bluten. Ich zünde eine Zigarette an und stecke sie ihm in die kleine, freigeschnittene Öffnung.
» Komfort ist sicher anders, aber genieß es lieber. «

Auch ich zünde mir eine Zigarette an und denke darüber nach, was wohl passieren würde, wenn ich ihm gleich die Lippen vollständig aufschneide. Soviel muss sein, einem Mann müssen letzte Worte zugestanden werden, wenn über ihn gerichtet wird. Das ist zumindest mein eigener Anspruch in dieser Angelegenheit.

Wenn ich mir dieses Elend ansehe, wie er von Angst durchtrieft an diesen Stuhl gefesselt da sitzt mit der Zigarette zwischen seinen blutigen Lippen. Womöglich dachte er wirklich, er würde davonkommen... Solch ein naiver Mensch, so realitätsfremd wie mein Wunsch, diese Welt würde zu einem guten Ort werden.

Wer mich kennt weiß, dass ich mein Dasein zum größten Teil im Schweigen friste. Die vergangenen dreißig Minuten habe ich geschätzt mehr gesprochen, als im gesamten vergangenen Jahr. Zumindest, wenn man die zahlreichen Selbstgespräche herauszählt. Doch das heutige Beisammensein sorgt für ein Verschwinden der Gleichgültigkeit, die sonst nahezu omnipräsent über mir zu schweben scheint.

Nun aber genehmige ich mir einige Minuten der Stille, bis beide Zigaretten nahezu vollständig abgebrannt sind.
» Also nun, dann werde ich jetzt deine Lippen voneinander lösen. Solltest du schreien, wirst du nur noch zusätzliche Qualen erleiden, also erspare uns das lieber. «

Bedacht langsam hole ich erneut mein kleines Messer zum Vorschein, woraufhin ich das bereits aufgeschnittene Loch in seinem rechten Mundwinkel zu vergrößern beginne. Ganz so stumm wie zuvor ist er nicht mehr, seine Schmerzen bringt er nun deutlicher zum Ausdruck. Doch anders als erwartet, ist er vergleichsweise ruhig. Fast so, als hätte er seine Situation akzeptiert. Aber wer könnte das schon? Vielleicht hat er das Gesamte auch noch nicht vollständig verarbeitet, es interessiert mich aber auch nicht besonders.

Nachdem ich fertig bin, fließt ihm das Blut über das halbe Gesicht. Jack war auch mit dem Sekundenkleber mehr als großzügig, sodass ich, trotz aller Vorsicht, um das verletzten seiner Lippe nicht herum kam.
» Nun, dies ist also dein Moment. Sprich, was du noch zu sagen hast. «
Zunächst spuckt er eine Ladung Blut auf den Boden, bevor er überhaupt reden kann. Dann beginnt er zu murmeln.
» Du Psychopath, du bist doch krank. «

Wieder spuckt er Blut auf den Boden, ehe er erneut zu reden beginnt.
» Du wirst damit nicht leben können Atilla, niemand könnte das. Außerdem werden sie dich sowieso kriegen. Denkst du wirklich du stehst über dem Rest der Welt? Nimm das mit deinem Nachnamen nicht zu wörtlich, Glückskind. «
Er beginnt zu lachen und spuckt mir anschließend sein Blut ins Gesicht. Dann wartet er auf meine Reaktion. Doch ich verbleibe einen Moment ohne Regung, bevor ich mir mit dem schwarzen Stoffsack, welcher zuvor den Kopf meines Gegenübers bedeckte, das Blut aus dem Gesicht wische. Dann lächle ich ihn an und erhebe mich langsam.
» Weißt du alter Freund… Es ist doch völlig egal, was du denkst. Dies wird ohnehin der letzte Gedanke sein, denn du in die Außenwelt absonderst. Enttäuschende letzte Worte, wie ich finde. « Und noch ehe er es realisiert hat, habe ich erneut die schwere Eisenstange gegriffen, die ihm einen Bruchteil von Sekunden später die rechte Kniescheibe zertrümmert. Er beginnt nun erstmals lauthals zu schreien und windet sich auf seinem Stuhl. Doch seine Anstalten sind von kurzer Dauer. Mit wenigen Fingerbewegungen aktiviere ich schließlich den Mikrocomputer, den ich meinem alten Weggefährten zuvor intravenös zugeführt habe. Schlagartig verstummt sein Schreien und er sitzt regungslos auf seinem Stuhl.

» Und krank? Glaube mir, ich hätte dir deutlich Schlimmeres zufügen können. Sehe es aus diesem Blickwinkel, wenn die jetzigen Schmerzen hinüber sind, dann bleibt dir dieses Leid erspart. Es wäre programmiertechnisch ein Kinderspiel gewesen, einen Impulsgeber der dich permanent Schmerz spüren lässt, zu integrieren. Oder Schlimmeres… Aber gut, jetzt sind wir quitt. Und, es ist genau wie ich gesagt habe oder? Die Schmerzen dürftest du noch perfekt spüren, genau wie zuvor, dich darüber beklagen aber, naja… Du weißt ja wohl am besten was ich meine. «
Diesen Moment hatte ich ehrlichgesagt eine lange Zeit gefürchtet. Das eigene menschliche Leben hat doch für jeden von uns den höchsten Stellenwert. Wenn nicht das eigene, dann das der Kinder oder eines geliebten Menschen. Aber von wegen Unantastbarkeit des menschlichen Seins.

Doch widererwartend richtet sich in mir keinerlei schlechtes Gewissen ein, es ist lediglich eine Freude, wenngleich diese Freude ein paradoxes Gefühl aufwirft.
Dort sitzt er also, immer noch muss er extreme Schmerzen spüren, nur kann er diese nicht mehr Ausdrücken. Ich habe lange darüber nachgedacht und wahrscheinlich, ja wahrscheinlich gibt es keine größere Strafe für einen Menschen, wortwörtlich ist der Geist gefangen im seinem Verließ aus menschlichem Fleisch, keine Möglichkeit in die Außenwelt zu gelangen.

» Ja alter Freund, gerade kam mir die Idee eines letzten Spazierganges. Zu schade, dass hier kein Rollstuhl oder dergleichen vorzufinden ist… Ach nein, warte. «

Ich lache und verlasse den Raum um den Rollstuhl, der mir im Flur den Weg blockierte, herbei zu holen. Dies ist zwar weder Teil meines Vorhabens gewesen, noch wird es Jack gefallen, dass er den Raum ohne Person vorfinden wird, doch nun will ich dieses Treffen so beenden.

Mit dem Rollstuhl zurück, beginne ich nun meinen alten Wegbegleiter von seinen Fesseln zu befreien. Nach einem beachtlichen Zeitaufwand, der aufgrund der sorgfältigen Arbeit Jacks von Nöten war, bringe ich es endlich zu Stande die 80 Kilogramm menschliches Fleisch in den Rollstuhl zu wuchten. Nachdem er keine Anstalten mehr macht aus seinem neuen Gefährt hinaus zu kippen, wickle ich einen Schal um seinen Mund, um die blutige Lippe zu verdecken, und schiebe ihn gemächlich aus dem Gebäude. Jack habe ich derweilen informiert, dass er seinen Teil abschließen kann, ich mich aber um meinen alten Freund kümmern werde, sodass er sich nicht wundert, eine leere Räumlichkeit vorzufinden.
» Dann wollen wir einmal. « Mit diesen Worten stoße ich den Rollstuhl über die kleine Schwelle der Seiteneingangstür.


'Der Patient' - Inhaltsverzeichnis


#1 - Alea iacta est!
#2 - Hals über Kopf
#3 - Monolog: Vision & Anliegen
#4 - Er ist zurück
#5 - Der Alte Commodore
#6 - Unverhofft kommt oft
#7 - Der Kammerjäger
#8 - Krysa - Die Ratte


@x888 | @b-s

Sort:  

Interessiert sich auch wirklich jemand für deine Posts oder ist das hier alles durchweg nur hochgepusht?

Nun, es könnte durchaus mehr Interesse da sind. Auf Steemit gibt es glaube ich nur eine handvoll, die regelmäßig mal ein Kommentar darlässt, ansonsten lesen einige privat mit, die allerdings kein Steemit haben.

Ist auch die einzige Plattform, auf der mein Geschreibsel bislang veröffentlicht wurde.

Edit: Weiß jetzt nicht ob ich deinem Kommentar Gehessigkeit ableiten soll, oder was der Hintergrund ist.

Mir sind nur deine enorm gepushten Beiträge aufgefallen.
Deswegen die Nachfrage. Soll nicht gehässig sein.

Du produzierst zumindest orginalen Content im Vergleich zu vielen anderen hier.
Wünsche dir noch viel Erfolg. :)

Ah okay, ja ich frage nur, weil die Push-Thematik ja ein heikles Thema ist. Prinzipiell war es das aber jetzt mit dem Pushen. Ich habe ein bisschen Steem auf diese Weiße auf @x888 aufgepowert, damit der Account nicht ganz so arm dran ist, das ist aber soweit durch ;)

Dir auch viel Erfolg und lass mir nen Kommentar da, wenn du was liest ;) Cheers

sneaky-ninja-sword-xs.jpg
Sneaky Ninja Attack! You have just been defended with a 32.29% upvote!
I was summoned by @x888. I have done their bidding and now I will vanish...

woosh
A portion of the proceeds from your bid was used in support of youarehope and tarc.

Abuse Policy
Rules
How to use Sneaky Ninja
How it works
Victim of grumpycat?

This post has received a 7.93 % upvote from @booster thanks to: @x888.

You got a 11.23% upvote from @upmewhale courtesy of @x888!

Earn 100% earning payout by delegating SP to @upmewhale. Visit http://www.upmewhale.com for details!