Sylt, Corona und die Gästelisten

in #deutsch4 years ago

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Als ich am Samstag auf der Insel ankam war am Nachmittag ein Aufruf des Gesundheitsamtes Husum zu lesen. Gäste, die das American Bistro in Westerland/Sylt in der Nacht vom 03.10. auf den 04.10.2020 besucht hatten sollten sich dort dringend melden.

Was war geschehen? Ein Mann war dort ab 23:30 Uhr auf einer Party gewesen, der später - am 7. Oktober - positiv auf das neue Corona Virus getestet wurde. Zudem befanden sich nach seinen Einschätzungen 70 - 100 Personen zur gleichen Zeit in der Örtlichkeit und Abstands- und Hygieneregeln wurden dort nicht eingehalten.

Soweit ein Fall, wie er in vielen Lokalitäten überall auftreten kann. Der übliche Vorgang ist nun, das das Gesundheitsamt beginnt Kontakte des Mannes zu ermitteln. Als Infizierter muss man nun seine Kontakte der letzten Tage - Inkubationszeit 5-6 Tage - angeben. Was bei dem neuen Coronavirus anders als bei vielen Infektionskrankheiten anders ist: das serielle Intervall (die Zeit bis ein Infizierter eine weitere Person infiziert) ist nicht höher als die Inkubationszeit. Das bedeutet das bei einer Inkubationszeit von 5-6 Tagen bereits nach 2-3 Tagen weitere Menschen infiziert werden können.

Aufgrund dessen ist es wichtig die Kontaktdaten eines Infizierten schnell zu ermitteln, die Personen mit denen dieser Relevanten Kontakt hatte (Kontakt > 15min, Abstand unter 1,5m usw.) zu kontaktieren und eventuell bei erhöhten Risiko auch diese eines Testes zuzuführen. Nur so lassen sich Infektionsketten schnell und effizient unterbrechen und eine Clusterbildung (große Menge an Infizierten Personen an einem Ort) verhindern.

Zurück zur Insel Sylt ins American Bistro. Dort ist nun also ein bis dato symptomatischer Mann gewesen der 3 Tage später positiv getestet wurde. Man kann nun also davon ausgehen das dieser Mann zum Zeitpunkt seines Besuches dort bereits ansteckend war. Dort waren dann (aus späteren Ermittlungen des Gesundheitsamtes) 102 Personen mit relevanten Kontakt die sich angesteckt haben könnten. Diese 102 Personen konnten jedoch erst am 11. Oktober ausfindig gemacht werden da die Kontaktlisten, in denen man sich eintragen muss wenn man eine Gaststätte besucht, unvollständig und fehlerhaft waren. Am 10. Oktober rief das Gesundheitsamt deswegen über Radio und Zeitungen dazu auf sich zu melden.


Kurze Rechnung. Wir wissen das es 2-3 Tage nach Infektion braucht um selbst infektiös zu sein, wir wissen das wir derzeit einen R Wert von 1,20 haben und das wir ohne Maßnahmen einen R Wert von 3 haben.

Am 4. Oktober haben sich vermutlich 102 Personen infiziert. Diese sind ab dem 7. Oktober selbst ansteckend. Jetzt kommt es darauf an ob sich alle an Abstands und Hygiene halte oder nicht:

AHA RegelR Wert7.10.10.10.13.1016.10.
x
1,2122146176211
33069182.7548.262

Zahl der Infizierten mit oder ohne AHA Regeln


Am Sonntag den 11. Oktober meldete das Gesundheitsamt dann wie beschrieben das man die relevanten Personen kontaktieren konnte und am Montag den 12. Oktober waren Test-Teams hier auf der Insel und haben die 83 Sylter Personen getestet. Die Ergebnisse werden ab dem 14.10. erwartet. Die anderen 19 Personen waren Menschen aus anderen Bundesländern, die bereits wieder die Insel verlassen hatten.

Jetzt müssen wir in unsere Berechnung noch einfließen lassen das Westerland auf Sylt ein Urlaubsort ist in dem praktisch jede Nacht Kneipen und Bars besucht werden und das die 83 Personen von der Insel vermutlich zu einem nicht unerheblichen Teil Tätigkeiten mit Gästekontakt nachgehen.

Die zu erwartenden Infektionen die von diesen Personen ausgehen dürften zu großen Teilen also Menschen treffen, die ein paar Tage später die Insel wieder verlassen und in Ihren Heimatorte fahren. Sprich das Virus auch dort wieder in Gewisser weise verteilen.

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Fazit

Der Fall zeigt eindeutig wie wichtig es ist das Kontaktlisten gewissenhaft und wahrheitsgemäß geführt werden. Sich dort nicht oder unter falschen Namen einzutragen ist nicht nur falsch sondern es verzögert auch eine Eindämmung eines Infektionsgeschehens. Schon am 7. Oktober bei einem Stand von 122 möglichen Infektionen hätte die Kette unterbrochen werden können. So wird das ganze erst zwischen 146 und 176 möglichen Infektionen gestoppt. Wenn sich alle an AHA Regeln gehalten haben!

Wenn weiterhin Bars und Kneipen besucht worden sind, AHA Regeln auch dort (und bereits im Sommer wurden in Kneipen alles andere als auf diese Regeln geachtet) nicht beachtet wurden sprechen wir von 918 bis 2.754 möglichen Infizierten.

Als Gast sich nicht korrekt einzutragen und AHA Regeln nicht beachten ist nicht nur Asozial sondern auch gefährlich! Als Betreiber eines solchen Etablissements Hygieneregeln nicht durchzusetzen ist ebenso Asozial!

Ich für meinen Teil bin der Meinung: In Kneipen und Bars kann kein Hygienekonzept funktionieren. Mit Alkoholausschank und Musik wird sich niemand langfristig an AHA Regeln halten können und wollen - und bei Partys mit 100 Menschen in einem Raum ist es nur eine Frage der Zeit bis ein unwissentlich infizierter zur Tür hinein kommt. Das Konzept mit freiwilligen Gästelisten funktioniert dort ebenfalls nicht.


Quellen:
Kreis Nordfriesland
NDR
Robert Koch Institut

Sort:  

Darauf ein !BEER - wobei man mir schon in normalen Zeiten viel zahlen müsste, damit ich meinen Abend auf solche Weise verbringe...

Mich kriegt im Augenblick absolut keiner in solche Buden rein, schon mal drei mal nicht wenn ich schon von aussen sehe das sich dort alle in tanzend und singend in den armen liegen. Das ist mir schlicht und ergreifend zu heikel.

Dann lieber ein !BEER auf der heimischen Terrasse :)


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Umso gravierender ist es, dass die Namen und Daten der Kontaktlisten für andere Zwecke missbraucht werden. Zum einen von der Polizei (auch für kleine Delikte!) Zum anderen bin den Betreibern/Angestellten selbst.

Wenn ich Angst haben muss, dass der seltsame Kellner mir nach dem Besuch plötzlich schreibt, weil er meine Handynummer von der Kontaktliste hat, ist das schon abschreckend.

Daher müssten hier klare Regeln und Konsequenzen für den Umgang mit diesen Daten geschaffen werden. Ansonsten kann ich es gut nachvollziehen, dass manche ihre Daten nicht angeben wollen. Auch, wenn das letztlich natürlich gefährlich sein kann.

Zum einen von der Polizei (auch für kleine Delikte!)

Hast Du dazu eine Quelle? Ich habe eben bei einer kurzen Recherche nur ein Fall gefunden indem man bei einem versuchten Mord und einer Bedrohungslage Spiegel.de Zeugen anhand Gästelisten ermittelte. Dies scheint aber auch unter Umständen die Rechtslage ZDF.de herzugeben.

Das natürlich - wie im Spiegelartikel - Leute vom Personal plötzlich Kontaktiert werden geht nicht, dem Grunde nach ist dies aber ja auch durch Datenschutzgrundverordnung u.ä. geregelt - dem muss eben nur nachgegangen werden - ganz klar.

Was aber auch das Beispiel Sylt zeigt: Wichtig ist das zeitnah Kontaktpersonen ermittelt werden müssen, ich denke bei 10.000 möglichen Infektionen die im Falle eines Ferienortes zudem kreuz und quer durch Deutschland verteilt werden steht schon das Allgemeinwohl deutlich höher.

Man darf ja auch nicht vergessen: So gern wir Soziale Kontakt haben und das Nachtleben genießen wollen, zwingt ja niemand jemanden in ein Geschäft zu gehen indem man verpflichtet ist Kontaktdaten anzugeben.

Was passieren kann haben wir in Ischgl (Bericht der Expertenkommission) gesehen, auf dessen Vorkommnisse ja eine große Menge Internationaler Infektionen zurückzuführen sind. Natürlich ist dieser Ausbruch nicht mit der heutigen Zeit, aufgrund der jetzigen Maßnahmen und der Kontaktdatenverfolgung, vergleichbar - dennoch sollte eben dazu diese Kontaktdatenverfolgung schnell und effizient funktionieren.

Zeitlicher Verzug durch erschwerte Ermittlung bedeutet leider zwingend das auch unwissend CoVid-Positive Menschen herumlaufen und spätestens in deren Familien und engeren Umfeld, indem ja nun kein AHA Regeln gelten, andere Infizieren.

Wie gesagt - Probleme mit dem Datenschutz müssen angegangen werden, ohne Frage. Allerdings müssen auch Daten erhoben werden ansonsten birgt meiner Meinung nach das offenhalten von Bars und Kneipen ein nicht zu kalkulierendes Risiko. Und Gastronomen solcher Betriebe müssen meiner Meinung nach zwingend AHA Regeln durchsetzen und Gästelisten erheben, diese ordentlich führen und vor Missbrauch schützen.

https://netzpolitik.org/2020/bayern-polizei-nutzt-corona-kontaktlisten-fuer-drogenermittlungen/

So etwas in diese Richtung. Ich weiß nicht, wie häufig das tatsächlich passiert, aber es reicht, um das Vertrauen zu untergraben. Wenn konsequent sichergestellt würde, dass die Daten alleine für die Corona-Nachverfolgung genutzt würde, wäre die Zahl an falschen Kontaktdaten sicher geringer.

Wobei man ganz ehrlich sagen muss das durch diese Menge an Schwurblern und Verschwörungstheoretikern wie Hillmann, Schiffmann und wie sie nicht alle heißen generell das Vertrauen in jegliche Corona Maßnahme schwer beschädigt wird. Aber ja - klar - solche Dinge tun Ihr übriges.

Es müsste ein staatlich aufgezogenes System geben das mittels QR Code Scan bei Zu- und Abgang Daten erfasst. Dazu jemand der eben überwacht ob gescannt wurde oder nicht. In China (ja - lässt sich drüber streiten ob das gut ist) wird das genauso gehandhabt und es scheint zu funktionieren.

Auf Arte gab es die Tage ein interessante Doku "In Wuhan legen sie die Masken beseite" in der es darum geht wie die jetzt durch die Krise gekommen sind, und wie der stand da jetzt aktuell ist.

Das System mittels QR-Code klingt interessant und könnte das Problem lösen, ja!

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