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RE: Gedanken zu Kultur, Identität, Loyalität.

in #deutsch3 years ago

Da war viel Richtiges drin und auch eine Menge Falsches, obwohl diese beiden Begriffe eigentlich zu absolut für das Thema sind, denn was gerade "richtig" und was "falsch" ist, ist jeweils relativ zu anderen Faktoren, z.B. der Zeit. Gut argumentiert, auch wenn ich deine Standpunkte und vor allem die Schlussfolgerungen daraus nicht sehr weitgehend teile.

Ich finde die Idee der "Mikrokultur" interessant, aber daraus zu folgern, dass "Normen" oder eine "Leitkultur" keine Rolle spielen, halte ich für höchst abenteuerlich. Es ist doch so: Alle Menschen sind verschieden. Um ein vernünftiges Zusammenleben zu ermöglichen, muss es genug Gleichheit geben, damit man miteinander auskommt und genug Verschiedenheit, damit es nicht langweilig wird. Das ergibt sich so in der kleinsten Einheit (Ehe o. Familie) bis hin zu größeren Gebilden (Staaten). Das ist aber keine statistische Clusterung, die sich aus einer zufälligen Mischung einfach so ergibt, sondern es ist vielmehr so, dass sich "jedes Töpfchen sein Deckelchen" gezielt sucht.

Eine Ehe, die nur daraus besteht, dass die Partner sich ständig tolerieren müssen, damit sie sich nicht wegen ausgefranster Nerven den Schädel einschlagen, wird nicht lange halten und im Chaos enden. Es muss genug Schnittmengen für das Zusammenleben geben, sonst kann sich eine zusammenschweißende Gemeinsamkeit nie entwickeln. Dabei ist es wichtig, dass die Partner "schöne" gemeinsame Erlebnisse teilen und nicht nur durch "Zweck" zusammengehalten (gezwungen) werden.

So ist das auch in größeren Einheiten bis hin zum Staat. Der Respekt für eine künstliche Verfassung als Minimalkonsens reicht hier noch lange nicht aus!

Aus diesem Grund glaube ich nicht an Ländern, Nationen oder Menschen bestimmter Religion zuordenbare kulturelle Eigenheiten oder Werte

Ob Du es glaubst oder nicht, ändert nichts an der Tatsache, dass es so ist. Länder z.B. sind trotz vieler gegenteiliger Bestrebungen zum Glück immer noch als solche zu erkennen. Man merkt es sofort, wenn man eine Grenze überschreitet, innerhalb weniger Kilometer. Die Globalisierung hat hier viel kaputtgemacht, aber noch sind die Unterschiede deutlich und das ist gut so!

Wie Du vermutlich weisst, habe ich lange in den USA gelebt. Was für ein kulturell langweiliges Land! Überall so ziemlich der gleiche von Staat und Kommerz vorgegebene Melting-Pot-Einheitsbrei. Und selbst dort halten sich hartnäckig zig-tausende "Töpfchen-Deckelchen"-Inseln, wo Menschen gleicher kultureller Prägung sich wie von selbst zusammenschließen (z.B. Little Italy, Chinatown, Little Haiti u.s.w.). Unfrieden entsteht überwiegend in zwei Fällen: Wenn von außen versucht wird, diese selbstgewählte Homogenität aufzubrechen, und wenn eine Gruppe sich gegenüber anderen Gruppen im Rahmen der aufgestülpten Regeln benachteiligt fühlt.

Multi-Kulti ist eben nur ein frommer Wunsch. Hört sich gut an, ist aber in der Praxis des menschlichen Zusammenlebens untauglich. Werde ich Dich je davon überzeugen können? Vermutlich nicht, also lasse ich es an dieser Stelle gut sein und wünsche dir einen schönen Sonntag.

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