Von Cyborgs und dem Traum einer Zukunft

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Mit Technologie ist es immer so eine Sache. Fast jede Art von Technologie kann man sowohl zum Guten als auch zum Schlechten einsetzen. Trotzdem gibt es immer wieder Phasen der menschlichen Zivilisation in denen gewissen Aspekten mit sehr großer Skepsis begegnet wird und dadurch ein möglicher technologischer Fortschritt gar nicht erst zu Stande kommt.

So machen wir es uns zu einfach, wenn wir ein wenig auf die Leute herab blicken, die im Mittelalter gelebt haben und damit ja quasi in einer theologischen Steinzeit. Tatsächlich war ein Aspekt des Mittelalters der sehr stark ausgeprägte technologische Konservatismus. „Das haben wir schon immer so gemacht, dass hat sich bewährt!“ war so eine Doktrin. Man kam gar nicht auf die Idee in der Landwirtschaft einige Aspekte in Frage zu stellen, weil es ja bisher recht gut geklappt hat.

Trotzdem überrascht es immer wieder was für geschickte Formen von gesellschaftlichen Umgang man dennoch finden konnte. So gab es Städte in denen Tiere nur im Beisamensein eines zweiten Meisters geschlachtet werden durften, der versichern musste, dass diese sich bester Gesundheit erfreuten. Denkt man daran, dass man heutzutage wesentlich weniger Kontrollen durchführt und diese dann auch von staatlicher Seite und nicht durch die eigene Zunft, kann man schon etwas nachdenklich werden.

Oder man denke an den Akt des Galgenbaus, der recht umstritten war. Kein guter Christ wollte schließlich Blut an seinen Fingern haben und so beobachtete man, dass viele Handwerker sich entschuldigen ließen und blau machten. Die Lösung der Menschen damals war sehr simple. Man ließ einfach ein paar Nägel übrig und ließ die betroffene Person nach der Genesung diese ins Holz schlagen, damit sich niemand damit rühmen konnte, dass er nicht am Bau beteiligt war. Man mag sicherlich die Praxis als solche in Frage stellen, trotzdem fasziniert mich die Art zu denken sehr.

Doch wie es am Ende eben so ist, lässt sich technologischer Fortschritt nur verlangsamen und nie ganz aufhalten. Irgendwann überholt er eben doch seine Zeit und meist wird dann in sehr kurzer Zeit ein großer Schritt gemacht und oft eben wesentlich unkontrollierter als man es sich eigentlich Wünsche würde.

Gerade in Gesprächen mit der heutigen Zeit immer wieder an vermeidlich technologische Barrieren. Dinge, die vielleicht technisch bereits möglich sind und trotzdem von der Gesellschaft zurück gehalten werden aus Angst davor.

So hält sich vermutlich die Anzahl der Leute hier sehr stark in Grenzen, die gerne ihren Übertritt als Cyborg antreten wollen. Sicherlich ist die Idee faszinierend einen kleinen unflüchtigen Speicher an sein Hirn anzuschließen mit Dingen, die man nicht vergessen möchte. Ein paar KB reichen ja für den Anfang aus… Einkaufsliste, Jahrestage und wichtige Termine.

Doch gleichzeitig gruselt uns die Vorstellung davor, dass man damit ja auch angreifbar oder abhängig werden könnte. Und ganz sicherlich ist dieser Skepsis auch sehr angebracht. Trotzdem darf es nicht zu einem Denkverbot per se werden, weil es irgendwann eben sonst über uns herein rollt.

Denn den Menschen technologisch zu verbessern ist keine Frage, die uns erst in der Zukunft begegnen wird. Wir haben dies bereits immer getan. Denn am Ende ist auch eine Brille nichts anderes als eben eine mechanische Verbesserung eines sonst defekten menschlichen Auges. Ein künstliches Gestell wird aufgesetzt und mittels von Optik versucht einen Defizit zu beheben.

Steckt sich ein Mensch einen Chip in die Finger um Magnetfelder zu spüren ist dies gar nicht so unähnlich. Natürlich beheben wir damit nicht einen Defekt, sondern fügen einem Menschen neue Eigenschaften hinzu. Trotzdem sind viele Menschen von der Vorstellung schockiert, dass Cyborgs bereits seit Jahrhunderten unter uns Leben.

Und sehe ich einen Menschen im Rollstuhl und soll diesem nun erklären, dass es okay sei und er gut so ist wie er ist, während man gleichzeitig Milliarden von Menschen eine Brille aufsetzt, so ist die Diskussion ein wenig heuchlerisch. Auch hier kann man durchaus ja bereits eine Menge technologisch machen.

Impulse oder Bewegungen durch Technik zu interpretieren und dann umsetzen zu lassen. Auch Prothesen gibt es bereits sehr lange in der Geschichte der Menschheit und auch gab es immer wieder neue Erkenntnisse darüber, was gut funktionierte und wo man etwas verbessern sollte. Und ausgerechnet unsere Gesellschaft, die nun über richtig geile Technologie verfügt soll plötzlich aufhören damit solchen Menschen eine Lösung anzubieten (wir reden nicht vom Zwangs).

Denken wir an Oscar Pistorius mit seinen mechanisch künstlichen Beinen wird einem schon ein wenig anders. Darf man so jemanden eigentlich bei einem normalen Sportwettkampf zulassen oder verfügt er bereits über Verbesserungen, die ihm einen Vorteil geben? Wie sieht es aus wenn eine solche Person in 10 Jahren mittels eines Exoskeletes laufen will bei dem Impulse des Gehirns in Bewegung übersetzt werden und danach mechanisch ausgeführt werden. Vielleicht durch einen blitzschnellen Computer so optimiert wird, dass Störungen umgehend ausgeglichen und optimiert werden.

Spätestens dann würden wir ja einen Cyborg vor uns finden und irgendwo natürlich auch damit aufhören Mensch zu sein. Zumindest wird jeder von uns eine solche Aussage irgendwo nachvollziehen können und ein befremdliches Gefühl dabei haben, wenn man daran denkt, wohin einen das führen könnte. Vielleicht werden wir irgendwann ja an einen Punkt ankommen an denen sich Leute ihre Beine abschneiden lassen und durch ein verbessertes paar Beine austauschen lassen, weil sie sonst am Jobmarkt keine Chance hätten.

Kein Wunder also, dass der Zeitgeist sich solchen Überlegungen vollends verschließt und sich lieber in Scifi-Filmen davor gruseln lässt. Doch wollen wir damit wirklich Querschnittsgelähmten ins Gesicht sagen, dass man ihre Lebensqualität nicht verbessern möchte, weil sich daraus gesellschaftliche Risiken ergeben könnten?

Jeder gesellschaftliche Fortschritt geht immer stets einher in mehreren Schritten. Zunächst eben der Wissenschaft oder eben auch einfach Bastler, die einen Fortschritt überhaupt erst technologisch ermöglichen. Meist erst danach gibt es eine gesellschaftliche Diskussion darüber, was davon überhaupt erwünscht ist und wo die ethischen Grenzen sind. Allerdings nehme ich solche Diskussionen nicht wahr, da wir uns den Luxus leisten lieber über allerlei unnütze Dinge zu diskutieren.

Ich bin ganz offen und ehrlich dabei, dass auch ich nicht frei davon bin. So zähle ich mich zu den Gegner von Gentechnik und glaube, dass darin einige schwere Risiken für die Zukunft liegen. Eingekreuzte Eigenschaften können unerwartete Risiken haben. Megakonzerne könnten versuchen das natürlich Erbgut zu zerstören, so dass man Saat nur noch bei ihnen einkaufen kann.

Man darf allerdings eben auch nicht vergessen, dass bereits jetzt nahezu alle Kulturpflanzen am Ende eines sehr langen Züchtungsprozesses des Menschen steht. Nicht um die Welt zu versklaven und Abhängigkeiten zu schaffen, sondern am Ende, weil es einfach effizienter und ergiebiger ist. Weil man beobachtet hat, dass bestimmte Kreuzungen resistenter gegen Schädlinge oder Wettereinflüsse sind.

Wieso sollten wir eigentlich genau jetzt damit stoppen, wo wir nicht nur wahllos irgendwelche Dinge aneinander klatschen, sondern dabei sind das Genome von unserer Umwelt zu verstehen. Ja eigentlich nicht nur zu verstehen, sondern sogar so genau in dessen Erbgut eingreifen können, dass wir Dinge korrigieren könnten, die uns stören.

Am Ende könnte nicht viel weniger stehen als der endgültige Sieg über den Hungern mit dem wir an die jeweiligen Biome geeignete Pflanzen schaffen können, die sich für die Aufzucht eigenen. Und überhaupt können wir mit solchen Technologien auch viele der größten Geißeln der Menschheit bekämpfen wie z.B. Krebs. Und auch dort schreien sofort einige Leute auf, dass man ja auch an die Überbevölkerung denken muss ohne zu merken wie zynisch dies eigentlich ist, wenn man sich selbst ein Lebensrecht einräumt.

Entscheiden wir als Gesellschaft uns nicht mit den ethischen Fragen künftiger Technologien zu befassen, werden wir eines Tages sterben und der technologische Fortschritt wird dann in der Welt verbreitet. Nur die erste Generation lief aus den Kinos, weil ein Zug auf die Leinwand rollte. Heute können ausgewachsene Sternenzerstörer und Kugelhagel um einen niedergehen und niemand duckt sich mehr.

Die Zeit geht von ganz alleine weiter und jede Generation wird neuen Dingen offener gegenüber stehen als vorangegangene. Wer sich also energisch gegen jede Form von technologischen Fortschritt stellt wird damit nur erreichen, dass man diesen ungebremst auf die Gesellschaft loslässt. Eben nur zu einem späteren Zeitpunkt.

Dabei wäre es viel wichtiger, dass wir als gesellschaftlich endlich Grenzen ziehen, was wir eigentlich als akzeptabel erachten. Vielleicht dürfte man mechanisch verbesserte Prothesen, Gehirnleser und solche Dinge nur an Leute geben, die sonst an einen Rollstuhl gefesselt werden. Vielleicht sollte man über Insulin-Pumpen und Herzschrittmacher ganz klar sagen, welche Macht ein Unternehmen darüber haben sollte und wie Verstöße gegen solche geahndet werden sollten.

Z.B. eben das solche Technologien offen dokumentiert werden dürfen und auch von Konkurrenten weiterbearbeitet werden dürfen, da niemand Schweißperlen auf der Stirn haben sollte, wenn der ursprüngliche Hersteller insolvent gegangen ist und somit keine Ersatzteile mehr geben könnten.

Wie bereits gesagt, ich ertappe mich selbst immer wieder dabei, wie ich mich modernen Technologien entgegenstelle und vor dessen Gefahren warne. Schlichtweg weil wir eine Gesellschaft sind bei der plumpe Naivität vorherrscht und so manch konservativer Geist progressiver ist als man es zunächst erahnt hätte. Nicht weil er die Technologie will, sondern weil er zu blöde ist die Risiken zu verstehen.

Trotzdem braucht es aber eben auch die Kraft die nicht nur auf die Risken einer Technologie blickt, sondern auch davon träumt, was man alles mit dieser erreichen kann. Eine solche Diskussion ist nicht nur spannend und zugleich unglaublich inspirierend, sondern kann unterhaltsamer sein als so mancher Scifi-Film der letzten Jahre. Eine Gesellschaft die es verlernt von einer besseren Zukunft für das Morgen zu träumen, ist per se bereits gescheitert.

Sort:  

Am Ende könnte nicht viel weniger stehen als der endgültige Sieg über den Hungern mit dem wir an die jeweiligen Biome geeignete Pflanzen schaffen können, die sich für die Aufzucht eigenen.

Bleibt die Frage, ob wir es wirklich besser können als die Evolution, die ja genau darauf auch hinarbeitet: Lebewesen zu schaffen, die an ihre jeweiligen Umgebungen möglichst perfekt angepasst sind.
Oft ist es so, dass eine scheinbar positive Eigenschaft negative Nebenwirkungen zeitigt, die uns zunächst aber gar nicht auffallen.

Es bleibt jedenfalls 'spannend'.

Trotzdem braucht es aber eben auch die Kraft die nicht nur auf die Risken einer Technologie blickt, sondern auch davon träumt, was man alles mit dieser erreichen kann.

Hier stimme ich aber auf jeden Fall zu!

Am Ende könnte nicht viel weniger stehen als der endgültige Sieg über den Hungern mit dem wir an die jeweiligen Biome geeignete Pflanzen schaffen können, die sich für die Aufzucht eigenen.

Habe ich keine "Hoffnung", im Vergleich zum Geist der Natur sind wir Menschen extrem beschränkt.

Selbst mit Werkzeugen wie CAS9 habe ich da keine Hoffnung für irgendwelche sinnvollen neu-"Erschaffungen", da wir nicht den Rundumblick haben.
Klar kann man dann noch die totale Planwirtschaft und Langzeitstudien hinzu ziehen und sich weiter mit der Wissenschaft voran "irren".
Aber mit welchem "Erfolg"?
Dem Gefühl wir könnten es entscheiden/ bestimmen? die Zukunft?

das überlasse ich lieber der Natur

Wie ich auch @gammastern bereits schrieb, verzichtete ich an dieser Stelle ganz bewusst auf eine eigene Bewertung/Zukunftsprognose. Die Wissenschaft macht zweifellos große Fortschritte, obwohl viele Zusammenhänge (noch) nicht vollends verstanden sind, und mit der Anwendung einerseits faszinierender, chancenreicher gentechnischer Methoden andererseits zweifellos ein großes Risiko und Missbrauchspotential einhergeht.
Ich fürchte, letztlich wird alles, was machbar ist, irgendwann, irgendwo, von irgendwem dann auch gemacht.
Wir werden abwarten müssen, was die Zukunft für uns bereithält.

Ich fürchte, letztlich wird alles, was machbar ist, irgendwann, irgendwo, von irgendwem dann auch gemacht.

Also auch missbraucht?

erinnert an Murphy's Law - und die Antwort darauf scheinen Technokratie und Transhumanismus zu sein..

doch können die uns wirklich verbessern? wird ja auch von Menschen gemacht und unterliegt somit wieder Murphy's Law

Ich denke der Mensch sollte Lösungen eher im Inneren als im Äußeren suchen..

Wir werden abwarten müssen, was die Zukunft für uns bereithält.

wird wohl sehr spannend

Bleibt die Frage, ob wir es wirklich besser können als die Evolution, die ja genau darauf auch hinarbeitet: Lebewesen zu schaffen, die an ihre jeweiligen Umgebungen möglichst perfekt angepasst sind.
Das stimmt. Aber nicht immer sind diese Eigenschaften eben mit dem kompatibel, was wir als Menschen benötigen. Es versteht sich, dass ich hier ausschließlich auf Kulturpflanzen abziele und nicht will, dass jemand mit dem Crispr im Naturschutzgebiet wütet.

Oft ist es so, dass eine scheinbar positive Eigenschaft negative Nebenwirkungen zeitigt, die uns zunächst aber gar nicht auffallen.

Ich sagete ja selbst, dass ich mich zu den Skeptikern gehöre und mich gegen genetisch veränderte Pflanzen ausspreche. Mit diesem Post versuche ich gar nicht auf die Kritiker zu zeigen, sondern vielmehr jene die das Vertrauen in solche Technologien verspielt haben. Trotzdem kann die Lösung nicht sein es so lange zu ignorieren bis man davon überrollt wird.

Gleiche Problematik gibt es z.B. auch mit der NSA und Co. Fast jeder Scifi-Film vor dem Skandal hat irgendwie "Spracheingaben" gehabt und jeder fand es cool. Nun haben wir die Technologie und sofort begeht die NSA einen der schlimmsten Wege die sie gehen kann und verbrennt damit ganze Technologiezweige (vielleicht für immer).

Wer sich stets nur auf das Mögliche fokussiert und dies nutzt, wird immer einen Irrweg einschlagen. Was wir brauchen ist eben eine breite Diskussion darüber, welche der Möglichkeiten wir am Ende überhaupt wirklich wollen und vor allem auch, wie wir den Missbrauch davon sanktionieren wollen.

Dem Chinesen ist es am Ende egal, da er andere ethische Maßstäbe absetzt und im Zweifel einfach Fakten schaffen wird. Hier beschleicht mich das Gefühl, dass der sich oft moralisch sich selbst erhebende Westen sehr, sehr schwach agiert.

Ich sagete ja selbst, dass ich mich zu den Skeptikern gehöre und mich gegen genetisch veränderte Pflanzen ausspreche.

Und ich stellte eine Frage ohne abschließende Bewertung ... :)

Wir sind uns offenbar einig darin, dass es sich um eine komplexe Situation handelt, in der es nicht nur Schwarz und Weiß, sondern auch Grau gibt.

Starker Bericht!

Liebe Grüße Michael

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Ich schätze unsere Zeitgenossen dürfen sich genau an diesen Fragen in der Zukunft messen lassen. Die Technik entwickelt sich heute schneller als die allgemeine Auffassungsgabe. KI,Quantencomputer und Crispr CAS9 sind weltbewegende Erfindungen und wer diese verteufelt und ablehnt kann nicht mitreden.

Ja, viele sind sich gar nicht bewusst, was sich da am Horizont zusammen braut. Gefühlt abgesehen von der Ebryonen-Diskussion beteiligt sich die Gesellschaft damit aber überhaupt nicht mehr und selbst dort merkt man immer mehr wie bereits Fakten geschaffen werden und Leute durchaus auf andere Art und Weise aus dem Ausland ein Souvenir im Bauch mitbringt.

Fast jede von Dir benannte Technologie lässt sich am Ende für das maximal Böse ausnutzen. Wichtig ist die Diskussion darüber, was wir akzeptieren und wo wir Chancen sehen. Dabei beschleicht einen manchmal aber nur noch mit einem Mob zu diskutieren, die seine Bildung auf gefährlichen Halbwissen her aufbaut.

Your contribution was curated manually by @mima2606
Keep up the good work!

Interessanter Artikel. Ich mag die Ausgewogenheit darin und auch die kritische Sichtweise.

Man darf allerdings eben auch nicht vergessen, dass bereits jetzt nahezu alle Kulturpflanzen am Ende eines sehr langen Züchtungsprozesses des Menschen steht. Nicht um die Welt zu versklaven und Abhängigkeiten zu schaffen, sondern am Ende, weil es einfach effizienter und ergiebiger ist. Weil man beobachtet hat, dass bestimmte Kreuzungen resistenter gegen Schädlinge oder Wettereinflüsse sind.

Da möchte ich widersprechen.
Es ist nicht effizienter und ergiebiger, es ist es nur insofern, als dass man Massen damit produzieren kann. Eine Masse sagt rein gar nichts über Qualität aus. Gerade in der Landwirtschaft ist die Runter-Reduzierung auf wenige Sorten das Gegenteil von guter Technologie. Eine gute Technologie und Fortschritt wäre es, wenn in der Landwirtschaft die Prinzipien der Permakultur zur Anwendung kämen. Die Natur ist hier wie immer die beste Meisterin und zeigt uns, wie ein Öko-System mit Schädlingen fertig wird. Je mehr Vielfalt an Pflanzen, Insekten und Tieren in diesem vorkommt, umso weniger können sich dominante Arten (von pflanzlicher oder tierischer/Insektenart) ausbreiten.

Wir haben eine Monokultur und damit eine erhebliche Anfälligkeit für Krankheiten und anderes, weil jede Monokultur eine furchtbar schwache Kultur ist. Daher muss sie mit allen möglichen "Behandlungen" konfrontiert werden. Das zerstört über lange Sicht (und die haben wir) die Qualität der Böden, der Umgebung, der tierischen und letztlich auch menschlichen Lebensräume.

Naiv ist es, anzunehmen, wir könnten auch weiterhin Mono-Plan-Landwirtschaft betreiben, ohne damit zu beginnen, einen Teil unserer Lebensmittel wieder selbst anzubauen und Fertigkeiten darin zu erwerben. Die totale Fremdversorgung ist kein Fortschritt, sondern ein Zeichen von Unvernunft und allzu großer Technik-Gläubigkeit. Wer keine Fähigkeiten besitzt neben dem, was er als Beruf gelernt hat oder wer denkt, dass Bürokratie und Technokratie das Mittel gegen Armut und Krankheit ist, der weiß eigentlich nicht, wovon er spricht.

Eine Regierung, die nicht gewährleistet, dass ein Land und seine Bürger sich durch eigene, lokale Lebensmittelproduktion versorgen kann, der ist es letztlich egal, wenn Leute an Hunger sterben. Dass wir (noch) nicht Hungers sterben, liegt ausschließlich daran, dass es genug sehr arme Menschen gibt, die in der Landwirtschaft arbeiten (im In- und Ausland) und dass Großmaschinen und Monoflächen nach wie vor genutzt werden. Mal sehen, wie lange das noch gut geht.

So obsessiv, wie wir gerade mit unserer Gesundheit befasst sind und der moderne Mensch seine Lebensmittel mit einem Bio-Siegel sehen will, so wenig will er sehen, dass Bio nur dann geht, wenn man es lokal und permakulturell angeht. Dieses würde bedeuten, vom Grund her unseren Lebensstil zu ändern und wieder einen Teil körperlicher Gartenarbeit und wirklich gute Landwirtschaft zu machen. Ich höre niemanden, der Bauer werden will oder der etwa vorhat, seinen nutzlosen Ziergarten demnächst in einen Nutzgarten umzuwandeln.

Samen kaufen, die nicht von GMO stammen und wenn es hart wird, einen Ort finden, wo Gartenwirtschaft möglich wäre. In Kriegszeiten bzw. auch davor unterhielten fast alle Eigenheim-Besitzer einen Nutzgarten, viele auch Kleinvieh. Wenn genügend Menschen in dieser Hinsicht vorsorgen würden, wäre das aus meiner Hinsicht eine sinnvolle Maßnahme. Dazu muss man aber schuldenfrei sein und mit nur einem kleinen Einkommen auskommen.

Nun ich kann akzeptieren, dass wir da unterschiedlicher Meinung sind. Ich bin nicht so naiv zu glauben, dass meine Ansicht der richtige Weg sei. Was Du aber am Ende forderst ist ein traditioneller Anbau, der sicherlich erstrebenswert und richtig ist, gleichzeitig allerdings den Tod vieler Menschen fordert. Wer die moderne Landwirtschaft einschränken will hat oft keine Vorstellung davon welche Wachstumsquoten wir bereits dort in den letzten Jahrhunderten hinter uns gebracht haben.

Gerade aus diesem Grund denke ich, dass man hier eine Offensive nach vorne antreten muss, weil ich mir keine Welt vorstellen kann in der wie ernsthaft einen Weg zurück wollen. Und ich möchte auch noch einmal betonen, dass ich mich selbst als Gegner gentechnisch veränderter Pflanzen ansehe. Ich denke allerdings auch, dass man hier nicht dogmatisch vorgehen sollte, sondern wirklich wissenschaftlich.

Am Ende betreiben wir Menschen seit Jahrtausenden nichts anderes als eine natürliche Selektion um unser Saatgut zu verbessern. Denn meisten Menschen ist überhaupt nicht mehr bewusst, wie nicht Kulturpflanzen aussehen und das dann auch keine Karotte mehr auf dem Speiseplan stehen würde.

Was Du aber am Ende forderst ist ein traditioneller Anbau, der sicherlich erstrebenswert und richtig ist, gleichzeitig allerdings den Tod vieler Menschen fordert.

Nein, gefordert habe ich das nicht, nur als "sinnvoll" bezeichnet. Nirgendwo spreche ich von einem abrupten Wandel und schon gar nicht davon, "zurück" zu gehen. Das ist ein landläufiger Reflex, den ich zwar verstehen kann, aber das Argument insofern nicht stimmt, weil es kein "zurück" wäre, sondern Perma-Kultur die bessere Technologie ist, um Pflanzen- und Viehwirtschaft zu betreiben. Es handelt sich um eine Kreislaufwirtschaft, die klimatische und biologische Zyklen im Blick hat. Also eine hoch-kulturelle - genau wie wissenschaftliche - Angelegenheit, bei der der Mensch immer dort eingreift, wo es einer Regulierung bedarf. Dazu zählt auch die von dir erwähnte Auswahl von Saatgut.

Dazu gehört ein Wissen über Wasser-Kreisläufe und die damit im Zusammenhang stehenden Niederschläge sowie Kenntnis darüber, wann und in welcher Frequenz verschiedene Tiere als Nutztiere insofern eingesetzt werden, als dass sie Flächen begrasen, Felder durch ihr Schnüffeln und Graben umpflügen usw. - Permakultur, richtig ausgeführt, garantiert hohe und gesunde Ernte-Erträge, die die konventionelle Agrar-Industrie in dieser Qualität nicht erreicht.

Es ist natürlich richtig, dass es dann keine durchplanierten, riesige quadratischen Flächen gäbe, die mit Großmaschinen ernten könnten. Die Flächen würden kleiner und könnten nur teilweise mit Maschinen bearbeitet werden, vieles müsste von Hand gemacht werden. Das ist immer dann kein Problem, wenn es sich um kleinere Parzellen handelt und sich genügend Menschen einfinden, die wieder Spaß an der Bewirtschaftung haben und einen Sinn darin sehen, sich zu einem Teil selbst zu versorgen. Der andere Teil wäre noch immer von Hoch-Technologie abhängig.

Ich spreche von gradueller Veränderung, nicht von ad hoc Maßnahmen. Sowas muss von langer Hand gedacht werden, man hätte durchaus in der Regierung jahrzehntelange Kampagnen dazu machen können, um die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass eine reine Fremdversorgungsgesellschaft die Jahrhunderte nicht überdauern wird.

Meine Überlegungen sind bei weitem nicht ausgereift, aber ich behaupte auch nicht, die Lösung für die Weltprobleme zu haben. Es erfordert viele Menschen mit alternativen Ideen, auch unter Einbeziehung moderner Techniken.

Wer das will, findet Wege dafür, wer das nicht will, findet Argumente dagegen.

Zum Thema High-Tech für Behinderte möchte ich auch noch etwas sagen:
Es ist furchtbar teuer und zeitaufwändig, technologische Hilfsmittel für Behinderungen zu entwickeln, wie etwa Prothesen und andere komplexe Apparaturen. Ich gehe nicht davon aus, dass es Firmen gibt, die das aus reiner Menschengüte machen. Es würde auch gar nicht lohnen, wenn man das von der profitablen Seite her betrachtet, denn so viele Menschen mit Behinderung gibt es gar nicht, die die neueste Technologie benötigen. Damit sind sie als "Massen-Abnehmer" also gar nicht vorhanden. Um diesen tollen Fortschritt aber auch der Masse zu verkaufen, muss man die Masse dazu bringen, von sich selbst als minderwertig und in gewisser Weise als "behindert" zu denken.

Ich sehe es auch als "political correctness" an, mit der es sich gut spielen und verdienen lässt, weil ja schließlich niemand was dagegen haben kann, dass einem Behinderten geholfen wird.

Dein radikales Beispiel finde ich ausgezeichnet, dass Leute sich die Beine abschneiden, damit sie mit den künstlichen besser ausgestattet und anderen überlegen sind.

Neulich, als wir mit dem Auto Heim fuhren und uns gegen das Navi entschieden haben und ausschließlich nach Beschilderung fuhren, da dachte ich: Künftig werden sich die Städte und Gemeinden die Beschilderungen sparen und dann wird niemand mehr wissen, in welche Richtung er fahren oder gehen soll, wenn er nicht ein mobiles Endgerät bei sich hat. Da ich zu den Leuten gehöre, die ihr mobiles Endgerät seit Monaten daheim lässt und überhaupt noch nie unterwegs online war, fing es an, mich zu gruseln. Zu erleben, dass Menschen sich nicht mehr in der eigenen Stadt und Umgebung orientieren und auskennen ohne ihre digitale Krücke, ist keine gute Erfahrung, finde ich.

Ich verstehe nicht, wieso man sich freiwillig monitoren lässt, seine Schritte und seinen Puls misst usw. - als könnte man ohne den Klimbim kein eigenes Körpergefühl haben? ... Verrückte Entwicklung, wenn du mich fragst. Auf die Spitze getrieben...

Als jemand der sich auch sehr stark gegen Überwachung ausspricht, kann ich Dir allerdings bereits jetzt garantieren, dass diese Schlacht bereits vor 10 Jahren verloren gegangen ist. Es mag Dich gruseln und Du magst Dich dem verweigern, aber wie Du schon feststellst, wirst Du damit irgendwann zu jenen gehören, die dann stark gehandicapt sind. Durch Verweigerung wird man da nur noch verloren und sich auf einen absterbenden Ast befördern.

Noch schlimmer: Man überlässt damit sogar jenen das Feld, die das eigentlich noch ganz gut finden. Ich will Technologie aber nicht in die Hände von Blinden legen, sondern Technologie kontrollieren, damit man als jemand der an der Speerspitze ist selektieren kann, welche Technologie "gut" und welche "schlecht" ist.

Genau aus diesem Grund halte ich es für wichtig, dass man sich als Gesellschaft darüber verständigt. Aber auch hier haben wir fast ausschließlich Dogmen, die verhindern, dass man genau eine solche Diskussion führt. Es mag widersprüchlich sein, aber gerade damit spielst Du jenen in die Hände, die die Technologie eher konsequenzlos Einsetzen wollen.

IMHO sieht man dies an der Cyborg-Diskussion sehr gut. Jeder heute lebende Mensch hat ein mulmiges Gefühl dabei sich zu technisch zu verbessern. Ich bin mir aber sicher, dass dies bei künftigen Generationen anders sein wird, die natürlich damit aufwachsen. Ähnliche Diskussionen wurden auch bei der Einführung der erste optischen Geräte gemacht. Wichtig ist IMHO eher, dass wir hier die Änderung akzeptieren und eher dafür sorgen, dass wir offene Systeme schaffen.

Dinge die nicht einfach zu hacken sind. Geräte die offen dokumentiert werden und Herstellern keine universellen Schutzrechte einräumt. Verankern wir diese Dinge frühzeitig, kann ich mir durchaus vorstellen, dass man so mancher Dystrophie aus dem Wege gehen kann. Ansonsten steuern wir geradelings in die schlimmste aller Dystrophie hinein.

Jeder muss selbst wissen, wie sehr er sich technisch verbessern oder abhängig machen will. Ich habe mich dagegen entschieden und werde, wenn es geht, dabei bleiben. Ich handhabe es so, wie meine Mutter. Sie war konsequent in ihrer Haltung mancher - nicht aller - moderner Technologie gegenüber (sie hatte nie einen Führerschein, sie schaute niemals Fern, sie konsumierte überhaupt keine Massenmedien, sie wusste nicht, wie man mit einer EC-Karte umgeht usw.).

Ich habe das als junger Mensch etwas belächelt und fand es hinterwäldlerisch. Aber letztlich ist meine Mutter dabei geblieben und ihr soziales Umfeld hat ihr die Arbeiten abgenommen, denen sie sich gegenüber unkundig zeigte. Sie hat ihren Anteil für die Gemeinschaft geleistet und so gab es durchaus eine Balance. Es müssen nicht alle Menschen dasselbe wollen, es gibt immer einen erklecklichen Anteil derer, die nicht jede Technik mitgehen. Ich denke, es hat ggf. etwas mit dem Lebensalter zu tun und einem damit - oft, nicht immer - einhergehenden Selbstbewusstsein, dass man zu manchem schlicht "Nein" sagt.

Leute wie ich sind sehr wahrscheinlich eine Minderheit, aber ich denke, ich trage meinen Anteil dazu bei, die gesellschaftliche Debatte darüber aktiv zu halten, weil ich nicht dogmatisch bin, sondern jedem seinen Lebensstil lasse, so sehr er auch meinem widerspricht. Allerdings werde ich irgendwann unwirsch, wenn man mir unbedingt etwas aufzwingen oder aufschwatzen will, das ich nicht möchte. Ich trage die Konsequenzen, soweit es bedeutet, dass ich irgendwo ausgeschlossen bin, bei dem nur der technologische Zugang einen Zutritt gewährt.

Meine Erfahrung mit Freunden ist beispielsweise, dass die eifrigsten Missionare aus der Technik-Ecke kommen und man eher meinen Lebensstil als Provokation auffasst, als ob ich im Wald leben würde (dabei lebe ich in der Stadt und bin bei weitem nicht so radikal wie andere Menschen, die sehr viel alternativer leben).

Der Ast, auf dem ich sitze, mag absterben und ich mit ihm. Ich bin 50, ich habe vieles erlebt und reich vom Leben gekostet. Ich habe eigentlich für zwei Leben Abenteuer erlebt und muss nicht mehr denken, ich würde was verpassen.

Ich debattiere, ich argumentiere und ich boykottiere. Wieso denkst du, ich würde damit jemandem in die Hände spielen? Verstehe ich nicht ganz, wie du das meinst.

Ich bin durchaus für den Einsatz von Technik, es kommt wohl auch darauf an, was man darunter versteht...

Ich will Technologie aber nicht in die Hände von Blinden legen, sondern Technologie kontrollieren, damit man als jemand der an der Speerspitze ist selektieren kann, welche Technologie "gut" und welche "schlecht" ist.

Wie willst du das anstellen?
Und wer soll darüber entscheiden, was gut oder schlecht ist? Und für wen?

Wer ist die Speerspitze? Wenn es um Entscheidungen von wenigen für viele geht, bleibe ich skeptisch.

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