Hermine und Egon versuchen sich im Gespräch

in Deutsch D-A-CH10 months ago

Kommunikationsprobleme

Ich werde ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern, denn das Feld der Kommunikation zwischen Mann und Frau bringt viele Pflanzen zum Wachsen. Darunter, wie sollte es anders sein, auch viel Unkraut – aber ebenso manche Leckerei.
Somit, ran an die Ernte!

Beginnen möchte ich mit dem Mann, der das Wort Kommunikation noch überhaupt nicht kannte. Kein Wunder, denn es existierte schlicht und einfach derzeit nicht. Es gab niemanden, mit dem Gott ein solches Experiment hätte wagen können. Er war ganz allein mit sich und seinen ausschweifenden Gedanken, hat nebenbei ein wenig am Universum herumgebastelt – aber nur wenn ihm danach war – und ansonsten ließ er den Dingen ihren Lauf. Natürlich sind ihm mit dieser Herangehensweise auch Fehler unterlaufen. Niemand, und schon gar nicht wir, werden das bestreiten. Aber hat jemand genörgelt oder sich ernsthaft bei ihm beschwert?

Bei der Erschaffung des Menschen hat er unter anderem richtiggehend geschlampt. Ich würde sagen, er hatte einen echt schlechten Tag erwischt.
»Lass den Tag hinter dir versinken und mach weiter wie bisher.«
Das war und ist bis zum heutigen Zeitpunkt die bewährte Devise dieses Mannes. Er hat frühzeitig erkannt, dass es null und nichts bringt, im Nachhinein zu jammern, Konjunktive zu verwenden oder das Ganze noch einmal zu begutachten und anschließend mit selbst ernannten Fachleuten endlos zu diskutieren.

Und die Stimmen aus diesem Lager, die im Nachhinein ohnehin stets alles besser wissen, melden sich nun zu Wort. Wie immer, wenn es darum geht, das Ganze, das Wesentliche neu zu erschaffen, klingt das so: »Hätte Gott eine Frau an seiner Seite gehabt. Kein Mann müsste sich heute über kalte Füße beklagen. Es ist doch längst kein Geheimnis mehr – Männer sind bekanntermaßen nur für das Grobe geschaffen.«

Das stimmt zwar nicht so ganz, ändert aber nichts an der Tatsache, dass es die Weiblichkeit trotzdem nicht bis an die Spitze der Hierarchie geschafft hat. Ich bin sicher, dass der alte Meister seine Gründe dafür hatte. Ich gehe davon aus, dass er einfach keine Lust hatte, sich mit Diskussionen aus der Umlaufbahn schleudern zu lassen. Solche Unterfangen lenken vom Wesentlichen ab und der Arbeitsprozess wird ganz nebenher auch noch verlangsamt.

Erst in dem Moment, als er die ersten Exemplare seiner Schöpfung wieder vor der eigenen Haustür in Empfang nehmen konnte, wurde ihm klar, dass er es am Anfang, mit seinem Single-Dasein, vollkommen richtig gemacht zu haben schien. Es war der Moment, in dem die Kommunikation wie ein ungebetener Gast in der Diele seines Hauses stand. Oder glaubt wirklich jemand, dass eine Jean Harlow deine Matratze testet, ohne vorher alles von A bis Z durchdiskutiert zu haben?

Sollte es noch jemand nicht bemerkt haben – seit der Erfindung des Dialogs kümmert der Meister sich nicht mehr so gut um uns. Konkret: die Zweibeiner, hier auf dem Planeten Erde. Wie sollte er auch? Schließlich geht dreiviertel des Tages damit drauf, zu kommunizieren!
Doch jetzt lasse ich ihn und Marlene Dietrich erst einmal in Ruhe plaudern. Die Harlow hat er, ganz am Rande erwähnt, übrigens abserviert. Sie war ihm durchgehend zu anstrengend im Vorfeld des von ihr wortreich prophezeiten horizontalen Spektakels.

Es ist nämlich höchste Zeit für eine Auseinandersetzung mit all den irdischen Auswüchsen auf dem Gebiet der Kommunikation. Zur Veranschaulichung der Sache greife ich nach zwei Exemplaren, die ich meines Erachtens (denn schließlich führe ich die Regie und arbeite am Drehbuch) gut zu kennen glaube. Den männlichen Part übernehme daher ich. Vorläufig ohne Gehaltsforderungen, obwohl spätere Ansprüche nicht völlig ausgeschlossen werden sollten. (Ein übliches Verfahren bei sogenannten Ehrenämtern.) Die noch vakante, zweite Rolle, übernimmt meine Frau. Sie ist mit ihrer Besetzung leider nicht ganz zufrieden, da ihr erneut lediglich die weibliche Hauptrolle vorbehalten bleibt. (Insgeheim barg sie wohl höhere Erwartungen in sich.)

Zu Beginn wollen wir den beiden Protagonisten eine Weile über die Schulter schauen …
Und dabei geduldig abwarten, was überhaupt passiert. Bevor wir in die erste Diskussionsrunde einsteigen, scheint es angebracht, den Figuren Namen zu geben, damit wir sie besser auseinanderhalten können.
Während ich für mich Egon als Vornamen ausgesucht habe, ermögliche ich es meiner Frau, auf Hermine zu reagieren.

Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, dass mir irgendwann mal aufgefallen ist, dass ich den zweiten Vornamen meiner Frau nicht wirklich kannte. Aufgrund dessen bat ich um ein Gespräch darüber, welche zweiten Vornamen wir mit uns durch Zeit und Raum tragen oder ob wir überhaupt welche haben. Sie meinte daraufhin, dies sei kein spannendes Thema, aber sei ihr nicht unbemerkt geblieben, dass wir generell zu wenig miteinander reden würden.
An dieser Stelle sei die Frage erlaubt, wer hier zuständig für das Kategorisieren und Etikettieren von Themen ist?

Schon sind wir beim ersten Knackpunkt angelangt, der seismografisch nachweisbar die Grundfeste einer Beziehung zwischen Mann und Frau erschüttern kann.

Denn auf der Bühne spielt sich Folgendes ab:
Egon sitzt an seinem Schreibtisch, tippt vier mittellange Sätze und verfällt im Anschluss, wie fast immer nach einer intellektuellen Höchstleistung, in eine kleine Tagträumerei. Wie man hervorragend an seiner völlig entspannten Körperhaltung sieht, während er wie ein König auf seinem Schreibtischsessel thront und mit sich und der Welt völlig zufrieden aus dem Fenster blickt.

Im Gegensatz dazu sprüht Hermine nur so vor Tatendrang, obwohl sie gerade erst von ihrem morgendlichen Fitness-Spaziergang zurückgekehrt ist. Anstatt spontan diesen überschüssigen Elan zu nutzen und den von Egon schon lange gewünschten Carport zu bauen oder das Haus farblich zu renovieren, bekommt der tief konzentrierte Ehemann eine Frage serviert: »Sollten wir den Schreibtisch nicht etwas schräger stellen oder, noch besser, gleich an die andere Wand verschieben?«
Es schließt sich noch der Hinweis an, dies würde nicht nur wegen der Nachmittagssonne Sinn, sondern auch insgesamt ein harmonischeres Bild ergeben.

Ganz tief in seinem Inneren ist Egon der festen Überzeugung, sich gründlich verhört zu haben. Denn vor kaum zwei Monaten hieß es noch, dass der Schreibtisch besser zur Geltung kommen würde, wenn er am Fenster stünde.
Nach der sich anschließenden, schweißtreibenden Aktion, hatte er mindestens eine Stunde damit verbracht, die Kabel neu zu verlegen und sie so zu verstecken, dass der Salat einem nicht sofort ins Auge sticht. Es sei denn, man will es ganz genau wissen und legt sich flach auf den Boden. So wie Hermine, die anschließend noch immer überzeugt war, dass die Kabel so schrecklich in der Gegend herumlungern. »Und wen soll das dort stören?«, merkte der genervte Ehemann an. Es sei doch recht unwahrscheinlich, dass jemand unangemeldet vorbeikommt und vorschlägt, einen Teppich unter seinem Schreibtisch zu verlegen.

Mit exakt dieser Erinnerung im Gepäck wählt Egon deshalb nun eine unzweideutige Antwort auf die an ihn gerichtete Frage: »Nein!«
Seine Gesprächspartnerin scheint verwirrt: »Wie, nein? Wir sollten es doch wenigstens versuchen. Dann wirst du sehen, dass ich recht habe. Außerdem habe ich gelesen, dass es nicht gut für die Konzentration ist, wenn man ständig visuellen Reizen ausgesetzt ist.«
»Welche Reize? Wovon fabulierst du? Hast du etwa vor, deinen BH auszuziehen? Außerdem habe ich dir schon x-mal gesagt, dass du weniger lesen sollst.«

Hermine entledigt sich weder ihrer Unterbekleidung noch reagiert sie auf Egons Bemerkung. Es kommt noch schlimmer. Sie zieht sich einen Stuhl bei und setzt sich. Es besteht also eindeutig Kommunikationsbedarf. Natürlich nur vonseiten Hermines. Derweil spürt Egon, wie sein Schreibfluss in der trockenen Erde versiegt und die Story, mit der er unter Garantie den ganz großen Durchbruch geschafft hätte, einem Ausflug nach Jordanien vorzieht.

»Habe ich dich jetzt beim Schreiben unterbrochen? Das tut mir leid. Mach halt anschließend weiter. Zuerst stellen wir jetzt den Schreibtisch um.«
»Hermine, du gehst mir auf den Senkel mit deinem bescheuerten Schreibtisch-Schach. Als gäbe es auf dieser Welt nichts Wichtigeres zu erledigen.«
»Für mich scheinbar nicht. Außerdem ist das noch lange kein Grund, laut zu werden. Andere Leute können über solche Sachen ganz ruhig und gelassen diskutieren. Wir jedoch scheinbar nicht. Das ist mir zudem bereits des Öftern aufgefallen. Dir scheint an Gesprächen mit mir nicht viel zu liegen. Und dabei hatte ich mir immer so sehr einen Partner gewünscht, mit dem über alles geredet werden kann.«
»Insbesondere über die Mobilität von Schreibtischen. Aber lass mal wissen, wer diese anderen Menschen sein sollen, mit denen du mir hier ständig vor der Nase herumwedelst?«
»Zum Beispiel Meryl Streep und Clint Eastwood in „Die Brücke am Fluss“. Was deren Miteinander betrifft, könntest du dir eine dicke Scheibe davon abschneiden.«

Egon fragt sich in diesem Moment, ob er das Tintenfass auf ex leeren oder sich lieber an der externen Festplatte vergehen sollte. Doch bevor diese Entscheidung fällt, stellt er noch etwas klar.
»Ist dir aufgefallen, dass du von einem gottverdammten Film redest, zu dem sich irgendein Hampel für das Drehbuch die heile Welt aus den Fingern sog? Hättest du Frau Streep und Herrn Eastwood ohne Drehbuch an einen Tisch gesetzt und einfach gesagt, so, jetzt kommuniziert mal brav miteinander, die Streep hätte fünfundachtzig Minuten das Silikon im Fensterrahmen porös gelabert und Eastwood hätte vielleicht dreimal gebrummt uns zweimal nein gesagt.«
»Erstens hast du keine Ahnung, zweitens den Film überhaupt nicht gesehen und drittens ist mit dir nicht vernünftig zu reden.«

Gegen diese Argumente versucht Egon erst gar nicht anzugehen. Er bleibt lieber bei Herrn Eastwood.
»Was für ein ausgelassener Kommunikator Clint Eastwood ist, wenn wir schon beim Film sind, hat er in Gran Torino eindringlich gezeigt. Die ganze Zeit geschwiegen und zum Schluss zur Flinte gegriffen. Einen eindrucksvollen und effektiver Einsatz von Argumenten nennt man das.«
Hermine verlegt sich aufs Kopfschütteln und hält dabei mit ihrer Meinung nicht länger hinter dem Berg.
»Klar, das ist ganz euer Terrain. Hauptsache den wilden Mann gemacht und nachher müssen wir die Scherben beseitigen.«
»Na und! Ihr kennt euch eben mit Schaufel und Besen seit der Geburt besonders gut aus.«

Auf der Bühne kommt es zu Handgreiflichkeiten. Der Regisseur, Drehbuchschreiber und Hauptdarsteller sollte sich von der Tastatur losreißen und beschwichtigend eingreifen. Aber der ist gerade wieder in einem seiner Tagträume versunken und starrt ziellos aus dem Fenster.
Aber nicht mehr lange.

Denn da war doch noch was mit dem Schreibtisch …
Die Sache ist nämlich mitnichten zu Ende diskutiert.

Danke für die Aufmerksamkeit.
Ich bin ab sofort mindestens eine Stunde online nicht erreichbar. Die Kabel hinter dem Schreibtisch müssen neu verlegt werden.

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Verstehe ich das richtig, dass wir Hermine diesen satirischen Ausflug in die Philosophie zu verdanken haben? Faszinierend wie sie es schafft, mit plumper Reizüberflutung und Aufgabenverteilung so etwas unterhaltsames aus einem Handwerker zu pressen.
Wenn sie jetzt noch von den Früchten ihrer Anstrengungen kosten dürfte...würde sie bestimmt noch ein wenig weiter pressen und ich könnte mich auf ein neues Theaterstück freuen.

Hermine hütet wahrlich kostbare Eigenschaften an Stellen, denen wir uns als Außenstehende nur sehr vorsichtig nähern sollten. Allerdings scheitern flach denkende Ignoranten stets an Hermines strikt verteidigten Schutzzonen. Deswegen steht es schlecht um den global denkenden Ehemann.

Wahrscheinlich gehöre ich ebenfalls zu den Ignoranten, denn ich scheitere selber oft an gefletschten Zähnen.

Hahaha, frohes Verlegen der Kabel.

Du triffst es mit Humor auf den Punkt. Als Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller müsste ich die Gunst der Stunde nutzen – und doch lande ich letztlich auf den eigenen Knien.
Ich sollte einen Kurs auf der Volkshochschule belegen. Egal, welchen – Hauptsache Fortbildung!

Du weißt, dass der Kniefall nicht den Kabeln geschuldet ist, oder?

Diese Unterwerfungsgeste ist doch mit allerlei Fragen behaftet.

mit allerlei Fragen behaftet

Die lasse ich an mir abperlen oder, noch besser, nehme sie erst gar nicht in mein Repertoire zur Überarbeitung auf. Wer beschäftigt sich schon gerne mit seinem eigenen Scheitern?
Außer – die Ehefrau steht neben dir und hält folgenden Satz parat: »Jetzt raffe mal all den dir noch verbliebenen Verstand zusammen und denke nach, wie du das in Zukunft geschickter lösen kannst. Ohne mich dabei zu verärgern.«
Das sind dann exakt jene Momente, in denen ich innerlich jubiliere, da ich nichts zum Raffen habe. 😉😎


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Die Frau denkt, der Mann lenkt - so oder so ähnlich lautet vielerorts die Gleichung.

Leider ist das mit dem Denken bei manchen Frauen ziemlich nach hinten am losgehen.

Was dabei herauskommt sehen wir ja in der Politik wo das Jahr plötzlich neuerdings laut AM alias AB 540 Tage und nicht mehr 365 Tage hat.

Ein richtiger Mann, weiss, dass er mehr auf dem Kasten hat, als der weiblich Gegenpart und überlässt charmanterweise ihr das Gefühl die klügere Person von beiden zu sein. So ist das halt mit der Liebe.

Man muss sich manchmal wirklich dumm anstellen, um nicht aufzufliegen. Sowas fordert dann ein Höchstmaß an Intelligenz und natürlich noch mehr Empathie und Menschenkenntnis.

Frei nach dem Motto der Klügere gibt nach... ;o)

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Köstlich - das Hermine noch von anderen Menschen spricht und nicht von normalen - darfst Du Dir hoch anrechnen lassen...!

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Apparently adding herbs to your garbage can makes it smell better.
But I don't have thyme for that rubbish.

Credit: reddit
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