Wer nennt seinen Hund schon Amigo?

in Deutsch D-A-CH2 years ago

Vom Wollknäuel zum Liebling der Region

Wer den ersten Teil verpasst haben sollte, kann Vergangenes ganz bequem hier aufarbeiten.

Der Weg (Transport) aus der Wohnung im 5. Stock des sozialistischen Einheitsbaus, hinaus in die Natur im Hinterland der Hauptstadt verlief problemlos, sieht man mal davon ab, dass Welpen das Beförderungsmittel Auto als unbekanntes Wesen betrachten und nach einer gewissen Zeit ihrem Unmut darüber freien Lauf lassen und meiner Frau auf die Jeans kotzen. Mich, als wortkarger Beobachter am Lenkrad, hätte in diesem Moment eigentlich stutzig machen müssen, wie die Betroffene das aktuelle Geschehen in Worte fasste. „Dein Fahrstil ist unter aller Sau. Hast du vor, den kleinen Kerl schon jetzt auf die Intensivstation zu bringen?“ Hier wuchs bereits in diesem frühen Stadium unzweifelhaft etwas zusammen, das auch durch die weltweit beste Hundeschule nicht mehr getrennt werden konnte.

Erst einmal so richtig angekommen in dem neuen Zuhause, in dem (zumindest dem ersten Anschein nach) weder, immer zum falschen Zeitpunkt geschlossene Türen, noch hinderliche Wände zu existieren schienen, bot sich die ideale Möglichkeit zu einem Sprint quer über die Terrasse. Selbstverständlich mit eingebautem Überschlag bei voller Beschleunigung, da das Wollknäuel die Höhe der Verstrebungen an der Sitzbank wohl doch nicht so richtig einschätzen konnte. Kaum war die überschüssige Energie zu großen Teilen aus dem kleinen Körper geschüttelt, bildeten sich bereits erste Sorgenfalten auf der Stirn seiner neuen Beschützerin. In Worte gefasst, klang das in etwa so: „Jetzt hat er bestimmt Durst und Hunger.“ Da ich mich nicht unbedingt zum untertänigst dienenden Kellner berufen fühlte, entstand ein kurzer Dialog, an dessen Ende der rasende Wahnsinn, mit einem Namen getauft, herausgehen sollte.

Ich machte den Anfang. „Bevor es hier ans Futter geht, würde ich gerne wissen, mit welchem Namen wir den Stolperstein überhaupt beglücken?“ „Ich habe mir gedacht, Amigo wäre ein passender Name. Das drückt dann auch aus, was der Hund für uns sein sollte.“ „Amigo? Wir sind hier auf dem Balkan. Ich nenne doch nicht den Hund Prijatelj. Ich habe da an Egon, Erwin oder Otto gedacht.“ „Gut, dann hätten wir das auch geklärt. Der Hund heißt ab jetzt Amigo.“ (An meinem Durchsetzungsvermögen sollte ich dringend ein paar Schrauben nachziehen!)
Während ich den einen Napf mit Wasser und den anderen mit Leckereien für den Welpen füllte, fragte ich mich noch, wie aus dieser Rennmaus überhaupt je ein Hund werden kann?
Selbiges oder zumindest Ähnliches spielte sich wohl auch in den Köpfen unserer Katzen ab. Nachdem sie aus einem sicheren Abstand den wilden Einstand des Neuankömmlings beobachtet hatten, begannen nun die ersten Annäherungsversuche. Nachdem Amigo die Rundumbeschnupperung zur Zufriedenheit von Katze und Kater hinter sich gebracht hatte, erlahmte auch das Interesse an ihm, weil das Futter in dem neuen Napf doch ausgezeichnet roch.

In den darauffolgenden Wochen mochte ich meinen Augen kaum trauen, mit welchem Tempo sich der Stolperstein in einen Hund verwandelte. Urplötzlich schien meine Fantasie so weit angekitzelt, mir vorstellen zu können, wie der stets agile Freund an unserer Seite nach der Pubertät aussehen wird.
Diese Phase des Heranwachsens war natürlich auch damit verbunden, dem jungen Energiebündel die Grenzen aufzuzeigen, die es einzuhalten gilt, wenn das zukünftige Zusammenleben einigermaßen störungsfrei verlaufen soll. Um diesem Unterfangen nicht allzu viele Zeilen zur Verfügung stellen zu müssen, packe ich diesen enorm wichtigen Prozess in einen einzigen Satz.
Amigo hat uns genau so erzogen, wie er es für angebracht hielt.
Profitiert hat der Bewegungs-Fanatiker unzweifelhaft von dem Umfeld, in dem er gelandet ist. Kein Haus – nicht links, nicht rechts. Das Dorf 300 Meter entfernt und beinahe menschenleer, ein kaum nennenswertes Verkehrsaufkommen und rundherum nur Natur pur.
Frage an Amigo: „Weißt du, was eine Leine ist?“ Antwort: „Keine Ahnung, interessiert mich auch nicht.“

Es bedurfte nur weniger Spaziergänge und der Meister in der Disziplin Menschen-um-den-Finger-wickeln avancierte zum Liebling in der Region. Was logischerweise zur Folge hatte, dass der Schleimer sich seine selbstständigen Ausläufe nahm und die Abstecher nutzte, um sich im ganzen Dorf mit Leckereien beglücken zu lassen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er es zudem draufhatte, wie sich mit den Pfoten eine Eingangstür öffnen lässt. Bemerkte er, dass ich mit dem beschäftigt war, was die ausgemachte Nervensäge auf vier Beinen als absolute Zeitverschwendung empfand, verschwand er ins Dorf, setzte sich neben eine Bäuerin in die Küche, ließ sich bis zum Abwinken verwöhnen und lauschte gespannt den Geschichten, die er dabei zu hören bekam.
Normalerweise genügte jedoch ein Pfiff von mir, und Amigo trat unverzüglich den Heimweg an. Allerdings stets in der Hoffnung, mich gleich in den Wald führen zu können, wo ich nach Pilzen Ausschau halte durfte. Mein Versuch, ihn zum Experten in Sachen Steinpilzsuche auszubilden, ging gründlich in die Hosen. Alleine ihm den Geruch dieser Waldfrucht näherzubringen, brachte mir einen solch verachtenden Blick ein, dass ich es gar nicht weiter versuchte. Während ich nach den Leckereien auf dem Waldboden Ausschau hielt, zerrte mein treuer Freund abgebrochene Äste von A nach B oder brachte Wildsäue so richtig aus der Fassung. Wenn ihr noch nie Pilzsammler im Tiefflug gesehen habt, es ergäbe sich eine vorzügliche Gelegenheit dazu, wenn Wildschwein, Amigo und ich ein Stelldichein haben.
In der nächsten und gleichzeitig letzten Episode widme ich mich dann den wahren Heldentaten (aus wessen Blickwinkel auch immer) des umtriebigen Türöffners, der, ob es ihm gefällt oder nicht, mit dem Namen Amigo leben muss. Mir wäre ja Egon, Otto oder vielleicht auch Ferdinand lieber gewesen. Aber, das mit der Kraft beim Durchsetzen von eigenen Vorschlägen, das hatten wir ja bereits …
Bis dann

Sort:  

Bis auf die Tatsache, dass wir in einer Stadt wohnen hast Du gerade Oskars Geschichte wiedergegeben.
Die sind doch wirklich alle gleich 😂😬🤗
Auch Frauchen 😟😁😅😅

Auch Frauchen

Genau das ist das Problem. Hätten wir, als Rudelführer, die Zügel jemals in der Hand halten können, wir hätten zwar die selben Ziele angesteuert, diese jedoch anders benannt. Das ist der feine Unterschied, der in manchen Situationen wichtig scheint, doch in der Hörigkeit zum Wollknäuel auf vier Beinen nebensächlich erscheint. Wir scheinen offensichtlich ausgeliefert.

Bei "Frauchen" kann man das ja gut verstehen.
Außerdem gibt es ja auch nur EINEN Rudelführer.
Als solcher sollte man wissen wie man........
(Kann ich jetzt hier nicht erklären, sonst gibt es Ärger mit Frauchen!)😂😁😉

So ein kotzender Hund im Auto hat schon was, meiner hat im ersten halben Jahr auch jedes mal wenn er im Auto mitgefahren ist seinen Magen-Darm-Trackt auf Vordermann gebracht ein dickes Häufchen reingelegt das er dann gleichmässig überall verteilt hat. Vom Geruch rede ich gar nicht...
!LUV !WINE


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Das Bemerkenswerte dabei ist jedoch, wenn ich nach einer langen Nacht mit Freunden mir mal wieder anschauen möchte, was der vergangene Tag mir an Futter und Getrank so geboten hat, ist Orkanstufe 9 angesagt. Wagt sich Selbiges Amigo, bleibt es bei der Orkanstärke, doch noch immer trifft sie mich mit voller Stärke. Ich wünsche mir noch zwei Beine und den Blick, dem niemand widerstehen kann.