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RE: Fall Skripal: Sie wollen Krieg!

in #deutsch6 years ago (edited)

Danke für den Artikel!

Ich gehöre mittlerweile ja zu denen, die Russland bei weitem nicht dauernd verteidigen, obwohl ich einst ziemlich begeistert von Herrn Putin war. Die Geschichte des russischen und sowjetischen Reiches gibt mir einfach kein gutes Gefühl, wenn es um einflussreiche Gestalten von dort geht. Wenn man sich ihr Land ansieht, ist zwar einiges schön, der Platz gigantisch, aber eine Kultur des Pflegens, Unterhaltens und nachhaltigen Aufbaus des Landes wird dort eher nicht gepflegt. Im dicht besiedelten Zentraleuropa kann man so nicht wirklich leben.

Den Fall Skripal sehe ich bisher sehr kritisch. Natürlich kann man versuchen, aus dem ermittelten Tathergang Handschriften zu erkennen. Aber grundsätzlich muss man feststellen, dass man ohne Tatverdächtigen mit in die entsprechende Richtung gehender Vernetzung mit sehr wenig Glaubwürdigkeit ein ganzes Land für einen Anschlag verantwortlich machen kann. Täter sind erst einmal Individuen, möglicherweise alleine, vielleicht mit Auftraggebern. Aber davon weiss man aktuell noch gar nichts. Geheimdienste sind für mich nach wie vor ein Buch mit vielen Siegeln, ich verstehe nicht wirklich, wie die ticken, geschweige denn ihre Art von Logik.

Das Erstellen eines Schlüsselereignisses, um rasch Fakten zu schaffen oder die ungehaltene Provokation, bis der erste den Fehler begeht, um darauf ein Geschrei zu veranstalten, ist eine beliebte Taktik. Die Frage ist, ob das auch hier funktioniert. Die genannten Kampfstoffe Nowitschok (Новичо́к) - wenn es die sind, wie sie Steven Hoenig beschrieben hat [1] - sind nicht besonders schwierig herzustellen. Die Dinge, die man braucht, sind ein Chemiker, der sich nicht scheut, hochgradig illegal aktiv zu werden, ein professionelles Labor, das es erlaubt, mit solch giftigen Substanzen umzugehen und das Wissen, wie man die Sache zum Einsatz bringt. Ich gehe trotzdem davon aus, dass es auch für sowas noch einen Schwarzmarkt gibt.

Ob man Frau Krone-Schmalz und Herrn Haisenko ganz vertrauen kann, weiss ich auch nicht. Ein Boris Reitschuster, Autor von Putin's Demokratur [2] und Putin's verdeckter Krieg [3], der mir nicht absichtlich unglaubwürdig erscheint und dem ich auch schon Fragen gestellt habe in einem Livestream, sieht insbesondere Frau Krone-Schmalz sehr kritisch. Ich habe einmal in einem ihrer alten Bücher gelesen [4], sie präsentierte sich ernüchtert und dennoch hoffnungsvoll.


[1] Compendium of Chemical Warfare Agents. Steven L. Hoenig, 2007, Springer https://www.amazon.de/dp/0387346260/ref=cm_sw_r_tw_dp_U_x_gqrUAb7PB8HBZ
[2] Putins Demokratur: Ein Machtmensch und sein System. Boris Reitschuster, 2014, Econ https://www.amazon.de/dp/3430201837/ref=cm_sw_r_tw_dp_U_x_8DrUAb8BKJRAS
Download auf Archive - Urheberrecht eigentlich noch lange aktiv, herunterladen auf eigene Verantwortung: https://archive.org/details/PutinsDemokraturBorisReitschuster
[3] Putins verdeckter Krieg: Wie Moskau den Westen destabilisiert. Boris Reitschuster, 2016, Econ https://www.amazon.de/dp/3430202078/ref=cm_sw_r_tw_dp_U_x_eDrUAb4H3R58H
[4] ...an Rußland muß man einfach glauben: Meine Moskauer Jahre. Gabriele Krone-Schmalz, 1994, Econ https://www.amazon.de/dp/361226012X/ref=cm_sw_r_tw_dp_U_x_4HrUAb5QVDWJH

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Vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar!
Frau Krone-Schmalz hat sich in dem Video sehr differenziert und zurückhaltend geäußert. Sie muss also nicht "glaubwürdig" sein, weil sie keine unbewiesenen Vermutungen als Tatsachen verkauft hat.

Zur Entwicklung von Russland in den letzten 20 Jahren empfehle ich dir den folgenen Artikel:
https://www.goldseiten.de/artikel/369785--Russlands-Nothilfeprogramm.html

Danke ein sehr interessanter Artikel. Überhaupt finde ich deinen Ansatz der historischen Betrachtungsweise sehr gut. Das sollte man auch einmal mit dem "Großvasallen" Vereinigte Staaten, Vereinigte Staaten von Amerika, Amerika, oder wie man dieses Gebilde nennen möchte ebenfalls einmal machen. Man käme zu erstaunlichen Erkenntnissen.

Ich weiß nicht. Ich habe mir ein paar Mal Dokus über Russland angeschaut wo auch Reitschuster zu Wort kam. Bei ihm habe ich irgendwie das Gefühl, wenn er Russland und Putin kritisiert, dass er noch mit jemanden dort eine persönliche Rechnung offen hat.

Der Reitschuster hat eine Abfuhr von einer russischen Frau bekommen. Das ist kein Scherz ! Seither sieht er Rot wenn er Rußland hört

Ja, das ist möglich.
Wobei es sich dabei immerhin um persönliche Erfahrungen handeln kann, die schlecht in Abrede zu stellen, aber der Blick für das grosse Bild kann so ziemlich stark getrübt werden. Ich kann Reitschusters Aussagen natürlich nicht im Detail nachprüfen, aber für einen ideologisch motivierten Hetzer oder einen reinen Auftragsschreiber halte ich ihn nicht. Deswegen tue ich mich auch einigermassen schwer mit der Einordnung.

Politisch ist Reitschuster ein ehemaliger Sozialdemokrat, nicht unbedingt meine Richtung, der gegenüber dem Hannoveraner Kreis der SPD - Schröder, Steinmeier, Gabriel - sehr kritisch eingestellt ist.

schau mal auf Facebook, Twitter und VK.com nach Marcel Sardo - das ist der Gottseibeuns vom Reitschuster. Der weiß alles über ihn !!

Sardo ist der bekannteste pro-Russland und pro-Kreml Aktivist der Schweiz. Mir ist er nur wenig bekannt, da ich nicht das Gefühl habe, von seinen Kurznachrichten auf Twitter besonders viel profitieren zu können. Auch hat er kein Buch geschrieben und meines Wissens war er auch nicht an besonders interessanten Punkten in Russland, ich meine damit die grossen Industrie- und Nukleartechnik-Städte, in die man als Ausländer teilweise gar nicht hineinkommt.

Du beschreibst dich hier auch offiziell als Zertifizierter Putin Troll (von wem?), was ich nicht wirklich für eine reflektierte Einstellung halte. Ich war auch schon ziemlich pro-Putin eingestellt, aber wenn man da mal etwas mehr hinter die Vorhänge blickt, die Geschichte der Sowjetunion, Umweltverschmutzung im höchsten Grad und geschlossene Städte bis heute, so ist das nicht gerade objektiv-positiv zu sehen, auch wenn sich in den letzten 20 Jahren schon einige Dinge bewegt haben.

So ist meine Sicht auf die Dinge, ich bin nicht gegen Russland eingestellt, im Gegenteil fasziniert mich das Land, aber ich sehe momentan nicht, inwiefern die russischen Angebote wirklich verlockend sein sollen.

er lebt aber nicht mehr in der Schweiz, sondern in St. Petersburg, paar Monate schon !!