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RE: Weiterentwicklung der Gesellschaft durch Regelverletzung?

in #deutsch11 months ago

Ich bin zwar reichlich spät dran mit meiner Meinungsäußerung, doch (so glaube ich zumindest) hat der zivile Ungehorsam keine festen Öffnungszeiten.
Was bleibt anzumerken?
Für mich faszinierend die Anzahl der Wörter, die sich bereit erklären, mit dir einen kompletten Satz zu bilden. Da gibt aus Beispiele, bei denen nach fünf Zulieferungen aus der Wort-Fraktion die Notbremse gezogen wurde. Die direkte Konkurrenz zu Günter Grass ist unverkennbar. Ich verneige mich!

So, nun zum eigentlichen Thema. Warum hast du es so breit gefächert? Der Ungehorsam im positiven Sinn beginnt in dem Moment, in dem du dich als Kind weigerst einen Nachbarn zu grüßen, den du am liebsten auf dem Abstellgleis sehen würdest, obwohl er es (dank der Machtbefugnisse der Eltern) auf die Liste der Grüßungswürdigen geschafft hat.
Somit ist der zivile Ungehorsam aus dem Spiel, da das Zivile immer wieder mit der Demokratie in Verbindung gebracht werden kann. Doch existiert keine Demokratie zwischen Kind und Eltern. Eltern geben höchstens mal genervt nach – ändert jedoch nichts an ihren Prinzipien.
Der bürgerliche Ungehorsam wäre mir daher naheliegender, da die Autonomie nicht ausgeschlossen scheint. Und kein Blick über Grenzen jeglicher Art, da wir selbst so viel Müll mit uns herumschleppen, mit dessen Aufarbeitung wir größte Schwierigkeiten haben. Daher würde ich nie den Account bei «DIE ZEIT» löschen, sondern Giovanni di Lorenzo dermaßen mit Nachfragen nerven, bis er auf deine Meinung (knapp außerhalb des Themas) reagiert.
Der bürgerliche Ungehorsam hat eine unauslöschliche und langanhaltende Tradition in meinem Leben. Nie das erfüllen zu wollen, was an Erwartungen in mich »investiert« wurde und den sturen Kopf auf der Schulter zu halten, war möglicherweise nie mein Wunsch, doch entpuppte sich mehr und mehr zur Lebensphilosophie.
Gegen Mohammad Reza Schah Pahlavi auf die Straße und den Mullahs damit ins Amt verholfen. Kein Ruhmesblatt und der Tatsache geschuldet, einfach gegen alles zu sein, was das Establishment für sich beansprucht. Gegen die Notstandgesetze, die Rasterfahndung und den NATO-Doppelbeschluss.
Wir vergessen zu oft und zu schnell, wie lange der Widerstand bereits existiert.
Wir sollten uns einfach noch einmal einig darüber sein, welchen Weg wir einzuschlagen gedenken.

Dies ist übrigens nicht das Ende im Dialog über den Ungehorsam. Ich wünsche dir viele konstruktive Eingaben, die einem Austausch der Meinungen gut zu Gesicht stehen.
Übrigens: Klasse Beitrag!

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Für mich faszinierend die Anzahl der Wörter, die sich bereit erklären, mit dir einen kompletten Satz zu bilden. Da gibt aus Beispiele, bei denen nach fünf Zulieferungen aus der Wort-Fraktion die Notbremse gezogen wurde. Die direkte Konkurrenz zu Günter Grass ist unverkennbar.

Vielleicht kannst du dir dann vorstellen, wie ich mein erstes Jahr in Deutschland verbrachte. Meine Unterrichtsstunde lief im Prinzip rund um die Uhr. Na ja das Leben ist hart :-D.
Wenn ich so einen langen Satz bilden müsste, würde ich ganz bestimmt das Verb am Ende vergessen :-D. Das ist mein typischer Fehler, das Verb am Schluss zu vergessen 😅.

Ich kann mir sogar noch viel mehr vorstellen, als die ersten Annäherungsversuche an eine fremde Sprache, die bereits beim ersten Kontakt unfassbar kompliziert erscheint und beim Lesen unendlich langer Sätze zum unbezwingbaren Gebirgsmassiv heranwächst.
Jedoch gehe ich davon aus, dass du längst das gleiche Prinzip wie meine Frau verfolgst und lapidar auf einen verschachtelten Satz antwortest: „In meiner Sprache hätte man dafür weniger Wörter gebraucht.“
Umgekehrt sieht es aber auch nicht anders aus, da mir immer wieder vorgeworfen wird, den Slang der Straße zu nutzen. Was bleibt mir anderes übrig? Denn nur dort habe ich kroatisch erlernt.

Die direkte Konkurrenz zu Günter Grass ist unverkennbar.

Haha, danke für das Lob, aber ich frage mich, ob sich Herr Grass nicht empört im Grabe umdrehte, würde er von diesem kühnen Vergleich erfahren. :)

Daher würde ich nie den Account bei «DIE ZEIT» löschen, sondern Giovanni di Lorenzo dermaßen mit Nachfragen nerven, bis er auf deine Meinung (knapp außerhalb des Themas) reagiert.

Ich habe kein Problem damit, wenn mittels Argumenten von mir Geschriebenem Contra gegeben wird. Da es mich aber doch eine gewisse Zeit und Mühe kostet zu kommentieren, wirkt auf mich die schlichte Löschung meiner 'Leistung' (und sei sie in den Augen des 'Forenzensors' auch noch so kritikwürdig) einfach respektlos, zumal ich von jeglichen persönlichen Attacken oder Beleidigungen absah.
Was den Inhalt betrifft, hatte ich mich ganz konkret auf ein im Artikel vorkommendes Zitat bezogen und begründet, weshalb ich das so nicht sehen kann. Meiner Ansicht nach sind für die Bewertung politischer Statements und Aktionen die Berücksichtigung geschichtlichen Kontexts und Vergleiche mit früher Geschehenem völlig legitim. Politische Ereignisse vollziehen nicht losgelöst und zusammenhanglos im leeren Raum, sondern eingebettet in Geschichte und Kontext.

Einem Austausch mit Giovanni di Lorenzo sähe ich zwar durchaus neugierig entgegen, glaube aber kaum, dass seinerseits daran ein gesteigertes Interesse bestünde, während ich wiederum kein Bedürfnis danach verspüre, jemandem eine nicht wirklich gewollte Diskussion aufzudrängen. :)
Wie dem auch sei: Der ZEIT-Account existiert schon nicht mehr.

Gegen Mohammad Reza Schah Pahlavi auf die Straße und den Mullahs damit ins Amt verholfen.

Ja, in dem Falle führte der Weg des Widerstands direkt vom Regen in die Traufe. Viele Menschen ließen sich ganz einfach von den Mullahs täuschen, die das "Blaue vom Himmel" und unter anderem gar die Gleichberechtigung der Frau versprachen.
Eltern einer iranischen Freundin von mir kehrten damals sogar voller Hoffnung aus dem Asyl in den Iran zurück - bis ihnen klar wurde, wer die neuen Herrscher wirklich waren. Aber zu dem Zeitpunkt war es dann bereits zu spät, und sie durften nicht mehr ausreisen.

Ich hoffe Du hast kein Abo bei dem Propaganda Organ.

Nein, das nicht, aber ich hatte vorher einen (kostenlosen) Account zum Kommentieren unter ZEIT ONLINE-Artikeln.
Mein Problem ist nicht, dass ich öfter nicht mit den jeweiligen Autoren und Kommentatoren einer Meinung bin (gerade dann könn(t)en Diskussionen ja auch interessant werden), aber mich stört erstens der Umgangston (es gibt fast nur noch "Schwarz" oder "Weiß", "Gut" oder "Böse", wer es wagt, auf Fehler des Westens hinzuweisen, ist "Putin-Fan") und wenn jetzt - zweitens - einfach so mit leichter Hand in sachlich-freundlichem Ton gehaltene Kommentare (hätte ich jemanden beleidigt, könnte ich eine entsprechende Reaktion eher verstehen) gelöscht werden, dann ergibt das einfach keinen Sinn mehr.
Deshalb existiert mein Konto dort jetzt nicht mehr.

Ich kenne das von Wallstreet Online und deren Mods.

Da ist die politische Agenda Programm. Alles was da nicht reinpasst wirdgelöscht. So versucht das System sich über Wasser zu halten und verliert dabei immer mehr an Glaubwürdigkeit....

✨🦋🙏

Meine Bemerkung bezüglich der Dehnbarkeit von Sätzen zielte nicht ausschließlich auf den darin geistig verpackten Inhalt ab. Günter Grass hat den langen Satz weder erfunden noch stets mit besten Produkten gefüllt – aber dennoch liebend gerne aus dem Regal genommen. Zerre ich die älteren Rezensionen von Marcel Reich-Ranicki (FAZ) hervor, solltest du dein selbst gewähltes Schattendasein (hinter dem Mann mit dem imposanten Schnurrbart) rasch beenden.
Dies war ein krumm umschriebenes Lob auf deine Arbeit.

Leserbriefe (und da beißt die Maus keinen Faden ab) finden sich Tag für Tag in der redaktionell beaufsichtigten Arena der Redaktionen wieder. Dort entscheiden die oft gar weltfremden Imperatoren der informellen Berichterstattung über das Überleben einer konträren Meinung. Dies ist seit ewigen Zeiten der Status quo – und Änderungen sind nicht in Sicht.
Nadelstiche in die Ärsche der Redaktionen sind dennoch ratsam.

Thema Iran: Es scheint mir doch erstaunlich, wenn ich eine subjektive Bilanz ziehe. Egal, wo wir unsere klobigen Finger in die Angelegenheiten anderer Nationen gesteckt haben, weniger als das absolute Chaos haben wir nie hinterlassen. Der, der glaubt, die freiheitliche Demokratie am Hindukusch verteidigen zu müssen, der möge bitte sein Erspartes zusammenkratzen und die Taliban mit Glasmurmeln bewerfen – der Griff in die Steuerkasse müsste von den Verfassungsrichtern mit Teeren und Federn bestraft werden. (Nur ein Beispiel von unendlich vielen.)
Es reicht!
Ich wünsche dir und deiner Familie einen geruhsamen Sonntag.

Dies war ein krumm umschriebenes Lob auf deine Arbeit.

Ich weiß, ich weiß, vielen Dank dafür!