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RE: Gedanken zu Kultur, Identität, Loyalität.

in #deutsch3 years ago

Auch Du gehörst zu einer "Wertegemeinschaft", ob Du es eingestehst oder nicht. Deine grundlegenden Werte entstehen durch die Gemeinschaft, in der du aufwächst, daran kannst du garnichts ändern. Das nennt man Sozialisierung. Oder irgendwas ist schief gegangen, dann bist ein Soziopath, das wollen wir mal nicht hoffen.
Natürlich heißt das nicht, das alle Menschen in einer Wertegemeinschaft gleich sind, die selben Interessen, Ansichten usw. haben müssen. Solange es um "verhandelbare" Themen geht - gewisse Ansichten wirst aber auch Du mit 99,99% Deiner Mitbürger teilen.
Um das zu verdeutlichen, müßtest Du mal in einer völlig fremden Gesellschaft leben. Heutzutage ist das schon ziehmlich schwierig, durch die weltweite Vernetzung. Aber stell Dir mal vor, Du müßtest im antiken Rom leben, oder bei den australischen Ureinwohnern vor der "Zivilisierung" durch die Briten. Oder selbst im Hochmittelalter in Deutschland. Da würdest Du staunen, wie abstoßend diese Lebensweisen und deren Ansichten wirken. Oder einfach nur fremdartig oder unvernünftig.
Letztendlich kann niemand über seinen eigenen Schatten springen. Aber das zu erkennen ist schon mal ein wichtiger Schritt.

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Deine grundlegenden Werte entstehen durch die Gemeinschaft

Wenn man aus "grundlegend" eine "Grundlage" macht, trifft es eher zu. Wir werden, während wir aufwachsen, von unserer Umgebung geprägt. Das beginnt bei den Menschen mit denen wir täglichen Umgang haben: Familie, Nachbarschaft, Schule, und immer weiter ziehen sich die Kreise. Auch Medien spielen eine Rolle - ob Fernsehen oder Bücher oder heute Computerspiele.

Aber wir nehmen das nur solange unreflektiert an, bis wir anfangen mit "Warum?". Damit meine ich nicht das kindliche "Warum ist der Himmel blau?" sondern ein Warum zu Ansichten, Verhaltensmustern. Wieso wird Samstags die Gosse gekehrt? Kann man doch auch an jedem anderen Wochentag machen (oder es lassen, die Autoreifen stört das bisschen Staub und Blätter nicht und wir haben eine Straßenreinigung, für die wir bezahlen). Warum findet es die Mutter meiner Freundin "nicht so schlimm", als mir als 16jährige ihr Vater auf den Hinter gehauen hat? Warum soll ich jenes, aber dieses nicht.

Sobald man in der Phase des Heranwachsens anfängt, die Umgebung zu hinterfragen, sich selber ein Bild zu machen und eine Meinung zu fassen, sind die Grundlagen nur noch das: Grundlagen, auf denen man aufbaut oder (wie bei Lego) Teile auseinander nimmt und neu errichtet.

Obwohl man viele Sachen, oft Kleinigkeiten, ungefragt übernimmt. In meiner Besteckschublade liegen Messer, Gabeln und Löffel in der gleichen Reihenfolge wie bei meiner Mutter. Und bei meinen drei Schwestern auch. War anscheinen für keinen von uns wichtig genug, Überlegungen anzustellen ob man es anders machen könnte ;)

Wenn man aus "grundlegend" eine "Grundlage" macht, trifft es eher zu.

Zu diesen Grundlagen zählt auch die genetische 'Ausstattung' (welche nicht nur im Phänotyp sichtbare Merkmale, sondern auch Charaktereigenschaften - zusammen mit Umweltfaktoren - mitdeterminiert), und hierbei ist interessant, dass die genetische Variabilität, wie weiter oben erwähnt, innerhalb von Populationen größer ist als die Unterschiede zwischen verschiedenen Populationen - also auch hier bleiben genügend Freiheitsgrade, sich hinreichend selbst von den Menschen in allernächster Nähe zu unterscheiden. ;-)

Ich wollte jetzt nicht noch mit "Nature versus Nurture" anfangen - wobei dieser Post eine meiner "ich verdränge dieses bescheuerte Kürbisfest"-Verdrängungssachen ist.

Ja, das alte Streitthema zwischen Biologen und Psychologen ... Aber obwohl es natürlich schwierig ist, genaue prozentuale Angaben zu machen, welcher Anteil menschlichen Verhaltens genetisch bedingt ist und welcher erlernt, ist es wohl zumindest prinzipiell so, dass in vielen Bereichen die Gene einen Rahmen abstecken, in welchem sich der Wert einer Eigenschaft (z. B. der IQ eines Menschen) bewegen kann, und die Umweltfaktoren dann entscheiden, wo genau innerhalb dieses Rahmens er sich tatsächlich einpendelt.

Deine grundlegenden Werte entstehen durch die Gemeinschaft, in der du aufwächst, daran kannst du garnichts ändern.

Das ist zwar eine nett klingende Behauptung, mehr aber auch nicht. :)
Du weißt weder, was meine grundlegenden Werte sind, noch ob ich sie statistisch gesehen mit mehr Deutschen als beispielsweise Indern teile.

Oder irgendwas ist schief gegangen, dann bist ein Soziopath, das wollen wir mal nicht hoffen.

Verschiedenartigkeit von Menschen hat zunächst einmal gar nichts mit Soziopathentum zu tun.

... gewisse Ansichten wirst aber auch Du mit 99,99% Deiner Mitbürger teilen.

Ich bin mir sicher, weit mehr Ansichten mit meiner (ausländischen) Frau oder Freunden, die überall auf der Welt leben, zu teilen als mit einem Großteil aller Deutschen, von denen ich 99,99 % (um bei deiner Zahl zu bleiben) überhaupt nicht kenne.

Richtig ist: Es dürfte weltweit nur sehr wenige Menschen geben, mit denen ich überhaupt keine Ansichten teile. :)

Du müßtest im antiken Rom leben, oder bei den australischen Ureinwohnern vor der "Zivilisierung" durch die Briten.

Vielleicht würde ich ja enge Freundschaften mit einigen alten Römern und Briten schließen ... Da lebten sicher so einige, die mir 'seelenverwandter' waren als so mancher 'moderne' Deutsche.

Worin ich zustimme, aber das weißt du sicher ja, sofern du meinen Text aufmerksam gelesen hast, ist, dass nicht alle Eigenschaften statistisch gesehen planetenweit gleichmäßig verteilt sind.

Allerdings ist es doch schön, dass schon kleine Schnittmengen zweier 'Mikrokulturen' ausreichen können (z. B. eine gemeinsame Leidenschaft für das Schachspiel), um zwei sonst sehr verschiedene Individuen zu Freunden zu machen.

Es ist nicht meine Absicht - oder Aufgabe - Dich hier von irgendwas zu überzeugen.
Du solltest aber vieleicht in Erwägung ziehen, das nicht alles was Deine (und natürlich auch meine und die Aller) Sozialisation betrifft, Dir bewußt ist und das Du die freie Entscheidung hast ob Du Dich daran hältst oder nicht.
Nehmen wir mal Dein Beispiel mit dem Schachspiel. Ich vermute mal, Deine Freundschaft mit dem römischen Schachkumpel wäre recht schnell beendet, wenn er Dir erzählt das er seine Sklavinen fickt und neulich mal wieder ein Baby ins Klo geschmissen hat, weil eine davon schwanger wurde. Das ist doch was, worüber man beim Schach und einem Gläschen Wein herzhaft lachen kann, oder? Zumindest wenn man Römer aus der passenden Kaste ist.
Denn für die war das ganz normal damals.
Aber Du würdest den Typ dann wahrscheinlich nicht mehr so nett finden, schätze ich.

Was willst du bloß immer mit deinen Römern? Ich bin kein Geschichtsexperte, aber ich vermute, die meisten Römer schliefen immer noch am liebsten mit ihren eigenen Frauen, und viele konnten sich vermutlich gar keine Sklavinnen leisten. :)
Aber warum nicht gleich bis zum Homo erectus zurückgehen oder mich fragen, ob ich auch mit den ersten Einzellern gerne Schach gespielt hätte?

Bleiben wir doch lieber in der Jetztzeit, z. B. bei den Indern. Warum sollte ich nicht mit einem beträchtlichen Prozentsatz aller Inder mehr gemein haben oder genauso gerne Schach spielen wie mit x Prozent aller Deutschen?

Vielleicht würde ich ja enge Freundschaften mit einigen alten Römern und Briten schließen ... Da lebten sicher so einige, die mir 'seelenverwandter' waren als so mancher 'moderne' Deutsche.

Deshalb vieleicht? Auch wenn ich von Briten in dem Sinn nicht gesprochen habe, aber egal. Von mir aus kannst Du auch gerne einen Wikinger zum Schach einladen, oder einen Japaner aus dem 15. Jahrhundert.
Bei heutigen Indern wirds schon schwieriger, die sind zum großen Teil ziehmlich verwestlicht (auch die Briten schuld), aber sicher findet man auch noch welche, bei deren Ansichten auch Dir die Pappe aus dem Gesicht fällt.
Aber genug davon, wie gesagt, ich bin hier nicht zum missionieren.

Von mir aus kannst Du auch gerne einen Wikinger zum Schach einladen, oder einen Japaner aus dem 15. Jahrhundert.

Bau mir die Zeitmaschine - jetzt!

... aber sicher findet man auch noch welche, bei deren Ansichten auch Dir die Pappe aus dem Gesicht fällt.

Das glaub' ich gern, geht mir bei vielen Deutschen ja genauso ...

Ich möchte noch anmerken, nirgends geschrieben zu haben, Umweltfaktoren (Eltern, Lehrer, Freunde, Lebenspartner, gesammelte Erfahrungen, ...) hätten - neben der eigenen genetischen Ausstattung - keinen Einfluss auf die Entwicklung eines Menschen.
Ich bin jedoch nicht der Meinung, dies führte zu homogenen 'Wertegemeinschaften', allein schon deshalb nicht, weil verschiedene Menschen verschiedene Bezugspersonen haben, jeweils individuelle Erfahrungen sammeln und unterschiedliche Allelvarianten ihrer jeweiligen Gene aufweisen, auch dann, wenn sie in derselben Region aufwachsen.